Amtshilfeersuchen

Uneins im Fall Pilnacek: Staatsanwaltschaft lobt Polizisten, WKStA ermittelt gegen ihn

Christian Pilnacek im April 2023 am Rande einer Verhandlung der Bundesdisziplinarbehörde in Wien. Am 20. Oktober ist Pilnacek verstorben.
Christian Pilnacek im April 2023 am Rande einer Verhandlung der Bundesdisziplinarbehörde in Wien. Am 20. Oktober ist Pilnacek verstorben.Picturedesk/Helmut Fohringer
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Ein Fall, zwei unterschiedliche Sichtweisen: Während die WKStA gegen einen ranghohen Polizisten wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittelt, wird dessen Arbeit in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Krems explizit gelobt.

Fünf Seiten umfasst das Schreiben der Staatsanwaltschaft Krems an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), bei dem es sich formal um die Beantwortung eines Amtshilfeersuchens handelt. In dem Schriftstück, das der „Presse“ vorliegt, führt die Leiterin der Staatsanwaltschaft Krems gleich zu Beginn aus: „Ebenso ist festzuhalten, dass aus Sicht der gefertigten Staatsanwaltschaft die Polizei, insbesondere das LKA NÖ […] ausgezeichnet und umsichtig gearbeitet hat.“ Die Staatsanwaltschaft Krems widerspricht damit der Darstellung, die seit März insbesondere von Peter Pilz auf dessen Online-Medium ZackZack vorangetrieben wird, nämlich dass die Ermittler des Landeskriminalamtes Niederösterreich das Gesetz gebrochen hätten.

Konkret geht es um die persönlichen Gegenstände von Christian Pilnacek, die wenige Stunden nach dessen Tod am 20. Oktober sichergestellt wurden: Handy, Autoschlüssel, Wohnungsschlüssel und Brieftasche. Glaubt man Pilz, handelt es sich beim Landeskriminalamt Niederösterreich um einen „Putztrupp der ÖVP“ und fand die Sicherstellung statt, um Beweise zu vernichten, die der ÖVP schaden könnten. Glaubt man der Polizei, nahmen die Beamten die Gegenstände an sich, um diese wenig später dem Anwalt von Pilnaceks hinterbliebener Ehefrau – der Präsidentin des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, Caroline List – zu übergeben.

Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs

Einen Beleg gibt es bislang nur für die Version der Polizei. „In weiterer Folge wurden die freiwillig übergebenen persönlichen Gegenstände noch am 20. 10. 2023 um 17.00 Uhr […] dem namhaft gemachten Rechtsanwalt der nächsten Angehörigen […] mit Übernahmebestätigung ausgefolgt“, heißt es in dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Krems an die WKStA. Und auch der Anwalt von Caroline List bestätigte gegenüber der „Presse“ bereits im April eine zeitnahe Übernahme.

Keinen Beleg gibt es vorerst dafür, dass Beamte des Landeskriminalamtes Niederösterreich, insbesondere der öffentlich von Pilz beschuldigte Leiter der Mordgruppe, rechtswidrig vorgegangen sind. Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen den Beamten und einen unbekannten Täter wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs bzw. der Anstiftung zum Amtsmissbrauch laufen. Weiterführende Informationen waren, wie es ein Mediensprecher formuliert, „im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen und die Verpflichtung zum Schutz der Persönlichkeitsrechte“ nicht zu bekommen. In den Akt involvierte Juristen berichten allerdings von Handlungen der WKStA, die einer Ausweitung der Ermittlungen in Richtung Beweismittelunterdrückung gleichkämen.

Widersprüche unter ehemaligen Freundinnen

Laut Informationen, die der „Presse“ vorliegen, steht zumindest eine Zeugenbefragung noch aus. Bereits einvernommen wurden u. a. ein Anwalt, der Leiter der Mordgruppe sowie Karin W., die behauptet, die Lebensgefährtin von Christian Pilnacek gewesen zu sein, und Anna P., die im Büro von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) arbeitet und mit W. und dem ehemaligen Generalsekretär im Justizministerium zuletzt unter einem Dach im niederösterreichischen Rossatz gewohnt hat.

W. und P., die einst befreundet waren, haben inzwischen kaum noch Kontakt. In ihrer Einvernahme unter Wahrheitspflicht widerspricht P. ihrer ehemaligen Freundin außerdem mehrmals, etwa im Zusammenhang mit der Sicherstellung von Christian Pilnaceks Gegenständen. Während ZackZack unter Berufung auf W. von einer „Abnahme“ berichtet, beschreibt P. den Sachverhalt so: „Karin gab die Sachen in ein Sackerl, das ich dann an Herrn […] übergab.“ Und ähnlich die Staatsanwaltschaft Krems: „Laut Nachtragsbericht des LKA NÖ vom 29. 3. 2024 übergab Anna P. vor dem Haus […] die in einer Plastiktüte befindlichen persönlichen Gegenstände des Verstorbenen. […] Bei der Übergabe wurde eine entsprechende Übergabebestätigung durch P. unterfertigt.“

Behörde stellt Verhalten von W. infrage

Als „bemerkenswert“ bezeichnet die Staatsanwaltschaft Krems das Verhalten von W. in der Nacht, in der Christian Pilnacek starb. „Hier ist nicht nachvollziehbar, dass die Zeugin, die in Kenntnis der vorangegangenen Vorfälle war und selbst die zu erwartende mediale Berichterstattung befürchtete, Mag. Pilnacek nicht begleitete, als dieser das Haus ohne Mobiltelefon, Geldbörse und Schlüssel verließ, sondern zu Bett ging und erst morgens nach ihm suchte.“ Zur Erklärung: Christian Pilnacek war in der Nacht auf den 20. Oktober als Geisterfahrer unterwegs und musste nach einem positiven Alkotest den Führerschein abgeben, wenige Stunden später war er tot, entdeckt von einem Baggerfahrer in einem Seitenarm der Donau.

Nebulos bleiben vorerst auch die Umstände, unter denen der private Laptop des ehemaligen Top-Juristen in die Hände eines Wiener Journalisten kam. Die Staatsanwaltschaft Krems schreibt dem Gerät „für Interessierte“ durchaus einen wirtschaftlichen Wert zu. In ihrer Stellungnahme an die WKStA heißt es außerdem: „Ob es einen Zusammenhang zwischen dem angeblichen Verschwinden des Laptops und der Übernahme eines Bekleidungs- und Schuhgeschäftes in der Fußgängerzone in Krems durch Karin W. im Winter 2024 gibt, kann nicht beurteilt werden.“

Pilz ortet „Spuren zur ÖVP“

Übrigens: Auch im Zusammenhang mit dem zwischenzeitlich verschollenen Laptop taucht der Name Peter Pilz auf. Wie der ehemalige grüne Nationalratsabgeordnete und Gründer der Liste Jetzt am 4. Mai verkündete, sei sein Medium ZackZack im Besitz einer Datenkopie des PCs – 7,33 Gigabyte und 11.640 Objekte groß. Zwar seien nun, wie Pilz selbst schrieb, die WKStA und die Kreutner-Kommission am Zug, eine erste Analyse der Daten ließ sich der ehemalige Politiker aber dennoch nicht nehmen, und so kam Pilz, der im Sommer 2019 kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Parlament binnen weniger Tage noch mehrere Anfragen zum von ihm vermuteten „System Pilnacek“ eingebracht hatte, zu dem Ergebnis, dass die „Spuren zur ÖVP“ führen würden. Eine aus Sicht von Pilz konsequente Fortführung seiner Arbeitshypothese, einen Sachbeweis ist er aber schuldig geblieben.

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