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EU-Staaten dürften sich einig sein: Von der Leyen wird EU-Kommissionschefin bleiben

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim EU-Gipfel in Brüssel am Montag, gemeinsam mit dem belgischen Ministerpräsidenten De Croo und dem kroatischen Premierminister Plenkovic.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim EU-Gipfel in Brüssel am Montag, gemeinsam mit dem belgischen Ministerpräsidenten De Croo und dem kroatischen Premierminister Plenkovic.Imago / Jonas Roosens
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Aus EU-Kreisen hört man, die deutsche Konservative Ursula von der Leyen soll weitere vier Jahre ihr Amt als EU-Kommissionspräsidentin ausüben. António Costas, portugiesischer Sozialdemokrat, wird EU-Ratspräsident. Die liberale estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas soll als Außenbeauftrage nach Brüssel wechseln.

Kurz vor einem entscheidenden EU-Gipfel haben sich Staats- und Regierungschefs der großen europäischen Parteienfamilien darauf verständigt, die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission zu nominieren. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus Verhandlungskreisen.

Die Einigung sieht zudem vor, dass die liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas den Posten der EU-Außenbeauftragten bekommt. Zum Präsidenten des Gremiums der Staats- und Regierungschefs soll für zunächst zweieinhalb Jahre der frühere portugiesische Regierungschef António Costa gewählt werden. In dieser Position wäre der Sozialdemokrat dann dafür zuständig, die EU-Gipfel vorzubereiten und die Arbeitssitzungen zu leiten.

Wenn Costa den Job gut macht, soll er nach gängiger Praxis auch noch eine zweite Amtszeit bekommen können. Der Kommissionsvorsitz und der Posten des EU-Außenbeauftragten werden für eine EU-Legislaturperiode, also für etwa fünf Jahre, vergeben.

EVP nach Wahl stärkste Fraktion

Grundlage der Einigung, die noch beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag formalisiert werden muss, ist das Ergebnis der Europawahl vor etwas mehr als zwei Wochen. Bei ihr erzielte das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen als Spitzenkandidatin das mit Abstand beste Ergebnis. Auf Platz zwei landete die europäische Parteienfamilie der Sozialdemokraten (S&D) und auf Platz drei die der Liberalen (Renew).

Für die EVP verhandelten federführend der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis, für die Sozialdemokraten der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Liberalen setzen auf Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und den scheidenden niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte als Verhandlungsführer.

Mehrheit im EU-Parlament nötig

Nach der zu erwartenden Nominierung von der Leyen beim EU-Gipfel muss sie noch von einer Mehrheit im Europäischen Parlament gewählt werden. Dafür wird die Deutsche in den kommenden Wochen bei Abgeordneten für Unterstützung werben müssen. Die Abstimmung wird frühestens in der dritten Juli-Woche angesetzt und gilt als höchste Hürde auf dem Weg zu einer zweiten Amtszeit. Grund ist, dass in geheimer Abstimmung gewählt wird und von der Leyen im Parlament vergleichsweise viele Kritiker hat. So bekam sie bei ihrer Wahl 2019 nur neun Stimmen mehr als notwendig.

Ein mächtiges Amt

Die Präsidentschaft der EU-Kommission gilt als die mit Abstand wichtigste Position, die nach der Europawahl neu zu besetzen ist. Dem Amtsinhaber beziehungsweise der Amtsinhaberin sind rund 32.000 Mitarbeiter unterstellt, die unter anderem Vorschläge für neue EU-Gesetze machen und die Wahrung der Europäischen Verträge überwachen. Zudem sitzt die Kommissionspräsidentin bei fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie G7 oder G20 als EU-Repräsentantin mit am Tisch.

Das US-Magazin „Forbes“ kürte von der Leyen deswegen erst jüngst wieder zur „mächtigsten Frau der Welt“. Die frühere deutsche Bundesministerin für Verteidigung (2013-2019), Arbeit und Soziales (2009-2013) sowie für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005-2009) war nach der Europawahl 2019 ins Amt gekommen, nachdem sich die Staats- und Regierungschefs damals nicht auf den damaligen EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) einigen konnten.

Kritik von Vilimsky

„Eine zweite Amtszeit für Ursula von der Leyen als EU-Kommissionschefin ist ein ganz schwerer Fehler“, kritisierte der freiheitliche Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky, laut Aussendung. Von der Leyen habe bereits eine „desaströse Bilanz“ hinterlassen. Nun heiße es „noch einmal fünf Jahre mehr Zentralismus, mehr Dirigismus und weniger Freiheit“.

Zurückhaltend äußerte sich der designierte Neos-Europaabgeordneten Helmut Brandstätter. „Unsere Zustimmung ist davon abhängig, dass Frau von der Leyen sich eindeutig für ein nachhaltiges, wettbewerbsfähigeres und sichereres Europa ausspricht und sich klar von Rechtspopulisten abgrenzt“, so Brandstätter in einer Aussendung. Erfreut zeigte er sich über die geplante Nominierung der liberalen Kallas zur EU-Außenbeauftragten.

Italien will mehr Mitsprache

Ein Sondergipfel in Brüssel war vergangene Woche ohne Einigung zu Ende gegangen. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni nannte es danach „surreal“, wie wenig sie in die Gespräche zu den Posten eingebunden gewesen sei. Meloni ist Vorsitzende der postfaschistischen Partei Fratelli d‘Italia (Brüder Italiens), die im Europaparlament der Rechtsaußen-Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) angehört. Italien will in den nächsten fünf Jahren in Brüssel mindestens einen EU-Vizekommissionspräsidenten stellen, war zuletzt etwa von Ex-EU-Parlamentspräsident und dem derzeitigen italienischen Außenminister Antonio Tajani zu hören. 

Die EKR dürfte im neuen Europaparlament drittstärkste Kraft hinter EVP und Sozialdemokraten werden. Damit würde sie der liberalen Renew-Fraktion um die FDP und der Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron den Rang ablaufen, wenn die Fraktionen am Mittwoch gebildet werden. Deshalb war spekuliert worden, Meloni könne etwa den Posten des EU-Außenbeauftragten beanspruchen. Diplomaten betonen allerdings, dass das Amt aus Proporzgründen nach Osteuropa gehen muss und Kallas die einzige Osteuropäerin im Personaltableau ist. (APA/dpa/AFP)

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