Analyse

Der lange Atem der Houthis im Roten Meer

Der Großteil der Besatzung der gesunkenen MV Tutor wurde von der US Navy gerettet. Ein philippinischer Matrose starb beim Angriff der Houthis im Ma­schi­nen­raum.
Der Großteil der Besatzung der gesunkenen MV Tutor wurde von der US Navy gerettet. Ein philippinischer Matrose starb beim Angriff der Houthis im Ma­schi­nen­raum.AFP/APA
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Militäreinsätze sollten den Schiffsverkehr im Roten Meer sichern. Doch die Houthi-Rebellen greifen noch immer an. Scheitert die Mission des Westens?

Wien. Das Versenken der MV Tutor, eines 230 Meter langen Frachters in griechischem Besitz, war ein Verbrechen. Aber für die Houthis war es auch ein PR-Coup. Auf allen Kanälen zelebrieren die proiranischen Rebellen aus dem Jemen seither die Attacke. Sie fluten das Netz mit Bildern, die zeigen, wie sie an jenem 12. Juni ein „Drohnenboot“ in den Bauch des mit Kohle beladenen Schiffes steuerten. Der Angriff auf den Frachter ist bemerkenswert. Nur ein einziges Mal war es den Houthis davor gelungen, ein Schiff auch tatsächlich zu versenken, und zwar im März die Rubymar. Aber vor allem war es offenbar auch das erste Mal, dass die Miliz mithilfe eines „Drohnenboots“ für Verheerungen gesorgt hat.

Der Vorfall zeigt: Die Houthis passen sich an. Sie erweitern ihr Arsenal. Ein gutes halbes Jahr, nachdem die Amerikaner („Operation Prosperity Guard“) und die EU („Aspides“) maritime Militärmissionen gestartet haben, um die Schifffahrt im Roten Meer zu sichern, sind die Rebellen nicht gezähmt.

Die militärischen Kapazitäten der Houthis wurden durch US-Angriffe, auch auf dem Festland, zwar geschwächt. Wer sich mit seinem Handelsschiff, durch das „Tor der Tränen“, durch Bab al-Mandab, ins Rote Meer wagt, begibt sich aber immer noch in Gefahr. Sofern er nicht unter russischer oder chinesischer Flagge unterwegs ist. Mit den beiden Rivalen des Westens haben die Houthis eine Abmachung: Man lässt sie in Ruhe. Offiziell behaupten die Rebellen sowieso, nur Schiffe mit Bezug zu Israel anzugreifen wegen des Gaza-Kriegs. Aber die Evidenz erzählt eine andere Geschichte.

Wenig Verkehr im Roten Meer

Von Normalität kann jedenfalls keine Rede sein. Die Zahl der Durchfahrten bleibt beunruhigend niedrig. Im Mai passierten um 78 Prozent weniger Containerschiffe das Nadelöhr des Welthandels als im selben Zeitraum des Vorjahres. Viele nehmen lieber einen 6000 Kilometer langen Umweg, eine Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung, in Kauf, als sich der Gefahr eines Houthi-Angriffs auszusetzen, zumal auch die Versicherungskosten für diese Route explodiert sind.

„Die Lage im Roten Meer bleibt angespannt“, sagt auch Sebastian Bruns, Experte für „maritime Sicherheit“ an der Universität Kiel, gegenüber der „Presse“. Die internationalen Marineeinsätze hätten zwar zur Abwehr von Attacken beigetragen, aber der Preis sei hoch, sowohl was den Munitionsverbrauch als auch die Belastung für „Mensch und Material“ anbelangt. Die Frage laute nun, ob der Westen bereit sei, die kostspieligen Marineeinsätze dauerhaft fortzuführen. Denn „die Houthis werden nicht verschwinden: Sie sitzen im Jemen fest im Sattel und sie sind gut ausgerüstet“.

Und zurzeit erhöhen sie wieder die Schlagzahl. Kaum ein Tag vergeht ohne neue Meldungen über Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer. Fast zeitgleich mit der MV Tutor geriet auch die ukrainische Verbena ins Visier, die Besatzung überließ das beschädigte Schiff seinem Schicksal. Und die Transworld Navigator, ein Frachter unter liberianischer Flagge, ist in diesen Tagen gleich zumindest vier Mal unter Beschuss geraten, allerdings Berichten zufolge ohne größere Schäden.

Neue Importrouten für Waffen

Der Westen wehrt sich. In einem Coup war es den Amerikanern heuer auch gelungen, eine große Waffenlieferung des Iran an die Houthis abzufangen, darunter Waffen, wie sie nun im Roten Meer eingesetzt wurden. Denn die Houthis fanden seither andere Importrouten, schreibt das „Wall Street Journal“: Ein Teil der Waffen aus dem Iran gelangt etwa über den Umweg Ostafrika ins Land. Auch der Libanon diene als Umschlagplatz.

Der Kommandeur der EU-Marinemission, Konteradmiral Vasileios Gryparis, drängte neulich, die Anstrengungen zu verstärken. Er brauche eine „mehr als doppelt so große“ Flotte, um die Handelsschiffe wirksam zu schützen. Tatsächlich aber wurde es zwischenzeitlich immer schwieriger, den Umfang der Mission „Aspides“ aufrechtzuerhalten. Die USA zogen jüngst ihren Flugzeugträger Dwight D. Eisenhower ab, allerdings nur, um ihn durch einen anderen zu ersetzen. Die Houthis hatten davor behauptet, den Flugzeugträger getroffen zu haben, wofür es aber keine Belege gibt und was von den USA auch zurückgewiesen wurde.

Diplomatische Lösung nötig

Experten warnen, dass sich diese Krise nur durch eine diplomatische Lösung auch für Gaza entschärfen lässt und die Angriffe erst dann enden, wenn die Iraner die Houthis zurückpfeifen. Bis da hin muss der Westen Bilder ertragen wie jene rund um Eid al-Fitr, das Fest des Fastenbrechens, das die Houthis auch mit einem Feuerwerk auf dem Frachter Galaxy Leader öffentlichkeitswirksam zelebrierten. Galaxy Leader ist der Name eines Autotransporters, den die Rebellen im Herbst 2023 entführt haben. Die Besatzung ist noch immer in ihrer Gewalt.

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