Konjunktur

„Potemkinsche Dörfer“ der Politik bringen hohe Defizite und sinkende Wettbewerbsfähigkeit

Erst im kommenden Jahr könnte eine „etwas günstigere Entwicklung einsetzen“. Voraussetzung dafür wäre, dass die Weltkonjunktur und somit auch die Exporte wieder anziehen. Dies würde die inländische Nachfrage verstärken, die bisher nicht ausreicht, um Österreich aus der Stagnation zu ziehen. 
Erst im kommenden Jahr könnte eine „etwas günstigere Entwicklung einsetzen“. Voraussetzung dafür wäre, dass die Weltkonjunktur und somit auch die Exporte wieder anziehen. Dies würde die inländische Nachfrage verstärken, die bisher nicht ausreicht, um Österreich aus der Stagnation zu ziehen. picturedesk/Andreas Tischler
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Der Aufschwung muss von den Ökonomen weiter nach hinten verschoben werden. Grund dafür ist auch, dass die Inflationsbekämpfung der Vergangenheit die Lohnkosten stark ansteigen lässt. Gleichzeitig erhöht sich auch das Defizit des Staates deutlich stärker, als bisher erwartet. Die neue Regierung bekommt ein fiskalpolitisch schwieriges Erbe.

„Wir brauchen ein Rendezvous mit der Realität.“ Mit diesen Worten fasst Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Mittwoch die Sommerprognose der Wirtschaftsforscher zusammen. Österreich habe seit 2019 einen Wohlstandsverlust erlitten – das BIP pro Kopf sei heute um 1,5 Prozent geringer als 2019. Zum Vergleich: In der Eurozone liege es um drei Prozentpunkte höher. Diese Entwicklung habe man hierzulande versucht, mittels staatlicher Hilfen und stark steigender Löhne zu kompensieren. Damit sei die Entwicklung aber nur kaschiert worden. Als „potemkinsche Dörfer“ bezeichnet Felbermayr viele der Maßnahmen. Zudem hätten sie auch negative Folgen gebracht: eine stark steigende Staatsverschuldung und eine geringere Wettbewerbsfähigkeit.

Eine Analyse, die auch IHS-Chef Holger Bonin teilt. Mit Bezug auf den Erfolg der heimischen Nationalmannschaft am Dienstagabend sagt Bonin: „Wirtschaftlich ist Österreich definitiv nicht Gruppenerster.“ Im Gegenteil. Das heimische Wachstum liege deutlich unter dem Durchschnitt des Euroraums, der bei 0,9 Prozent liegt oder jenem aller OECD-Staaten, der 1,7 Prozent beträgt. Hierzulande entwickelt sich das Wirtschaftswachstum jedoch weiterhin schwächer, auch als es noch im Winter und auch Frühjahr erwartet worden war. 2024 wird es demnach nur eine Stagnation geben. Das Wifo erwartet ein Wachstum von 0,0 Prozent, das IHS ist mit einem Plus von 0,3 Prozent geringfügig optimistischer.

Gleichzeitig steigen aber das Budgetdefizit des Staates sowie die Lohnstückkosten spürbar an. Während sich die heimische Wettbewerbsfähigkeit also verschlechtert, muss die neue Regierung auch die – wahrscheinlich schmerzhafte – Budgetkonsolidierung angehen. Hier plädieren sowohl Felbermayr als auch Bonin dafür, dass die Steuern nicht erhöht werden sollten, es aber durchaus möglich sei, das Steuersystem umzubauen und „effizienter zu gestalten“. Als eine konkrete mögliche Maßnahme nennt Felbermayr beispielsweise die Mineralölsteuer, die seit über zehn Jahren nicht mehr valorisiert worden sei, obwohl die Inflation seither um 40 Prozent angestiegen sei. Hier könnte etwa erhöht werden, um im Gegenzug bei den Lohnnebenkosten zu senken und so etwas Druck von den heimischen Lohnstückkosten zu nehmen.

Die Konjunktur bleibt schwach

Bestand im Vorjahr noch die Erwartung, dass sich spätestens zur Jahresmitte 2024 der konjunkturelle Wind ins Positive dreht, ist die Realität enttäuschend. „Nach der Rezession im Vorjahr wird die österreichische Wirtschaft 2024 stagnieren. Vorlaufindikatoren geben weiterhin keine Hinweise auf eine baldige Konjunkturbelebung“, schreibt das Wifo in seiner Prognose. Erst im kommenden Jahr könnte eine „etwas günstigere Entwicklung einsetzen“. Voraussetzung dafür wäre, dass die Weltkonjunktur und somit auch die Exporte wieder anziehen. Dies würde die inländische Nachfrage stärken, die bisher nicht ausreicht, um Österreich aus der Stagnation zu ziehen.

Beim IHS teilt man diese eher Prognose, hofft aber weiterhin auf einen – zumindest kleinen – Aufschwung zum Jahresende: „Insgesamt gesehen dürfte die heimische Volkswirtschaft in der ersten Jahreshälfte etwas langsamer gewachsen sein, als es das IHS in der Frühlings-Prognose erwartet hat.“ Das IHS geht aber weiter davon aus, dass die heimische Konjunktur aufgrund der kräftigen Konsumnachfrage und der anziehenden Exportnachfrage ab der zweiten Jahreshälfte an Schwung gewinnen und auf einen verhaltenen Wachstumskurs einschwenken wird.

Spannend ist in diesem Zusammenhang, dass die Situation am Arbeitsmarkt trotz der Konjunkturflaute relativ stabil bleibt. Zwar soll sich die Arbeitslosenquote heuer von 6,4 auf 6,9 Prozent (Wifo) erhöhen, ist damit aber weiterhin weit von Werten der jüngeren Vergangenheit entfernt, als die Quote der Arbeitslosen aufgrund der Coronapandemie an zweistelligen Werten kratzte.

Defizit wird größer

Mit Spannung erwartet wurden die Zahlen der Ökonomen zum Budgetdefizit. Hier war vor einigen Wochen ein Streit zwischen Fiskalrat und Finanzministerium entstanden, nachdem ersterer seine Prognose für heuer auf den Wert von 3,4 Prozent – und damit deutlich über die Maastricht-Grenze – angehoben hatte, was aus Sicht des Finanzministeriums nicht nachvollziehbar war. Nachdem die Nationalbank (OeNB) in ihrer Prognose bereits dem Fiskalrat recht gegeben hat, folgen nun auch Wifo und mit Abstrichen das IHS. So prognostizieren die Wifo-Ökonomen für heuer ein Budgetminus von 3,2 Prozent, jene des IHS von 3,0 Prozent. Beide haben ihre Erwartungen seit dem Frühjahr somit deutlich angehoben und liegen über den 2,9 Prozent, die das Finanzministerium nach wie vor als Zielwert ausgibt.

Und auch die Mittelfristprognose sieht man bei den Wirtschaftsforschungsinstituten eher düster: „Trotz der günstigeren Konjunkturaussichten für 2025 wird sich die Lage der öffentlichen Haushalte über den Prognosehorizont nicht verbessern. Der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo dürfte sich ausgehend von 2,6 Prozent des BIP im Jahr 2023 auf 3,2 Prozent bzw. 3,1 Prozent verschlechtern und damit in beiden Prognosejahren die Maastricht-Vorgabe überschreiten“, schreibt das Wifo.

Als Gründe dafür genannt werden vom Wifo die „im neuen Finanzausgleich beschlossenen Zusatzausgaben“ sowie „als Folge fortwirkender diskretionärer Maßnahmen zur Abmilderung der Energie- und Teuerungskrise“. Dazu komme eine „außerordentlich kräftige Anhebung des Klimabonus“ sowie hohe inflationsbedingte Mehrausgaben für Pensionen und valorisierte Sozialleistungen. Eine Einschätzung, der sich das IHS anschließt: „Die Persistenz der Ausgabenentwicklung wurde unterschätzt. Folglich hat sich die Einschätzung des IHS zur Entwicklung der öffentlichen Haushalte deutlich verschlechtert. Nunmehr erwartet das Institut für den Jahresdurchschnitt 2024 eine Defizitquote von 3,0 Prozent. Im kommenden Jahr dürfte das Defizit ähnlich hoch ausfallen.“

Einem ausgeprägtem Sparpaket stehen die Ökonomen jedoch zurückhaltend gegenüber. Denn dieses könnte im kommenden Jahr den erwarteten Aufschwung abwürgen. Wichtig sei allerdings ein nachhaltiger Konsolidierungskurs für die staatlichen Finanzen, den die kommende Regierung einschlagen müsse. Und: „Auf keinen Fall noch zusätzliche Wahlzuckerln oder Versprechen, die nicht gehalten werden können“, so Felbermayr.

Hohe Lohnsteigerungen senken Wettbewerbsfähigkeit

Die Inflation soll mit Werten von 3,2 bis 3,4 Prozent heuer und rund zweieinhalb Prozent im kommenden Jahr zwar langsam wieder auf ein normales Maß zurückkehren. Dennoch werden die Folgen der Teuerungswelle noch länger in der österreichischen Wirtschaft spürbar sein – vor allem im Sinne der Konkurrenzfähigkeit: „Während die Energiepreise (insbesondere für Erdgas) inzwischen stark zurückgegangen und kein wesentlicher Preistreiber mehr sind, wirken sich die kräftigen Lohnsteigerungen nun umso mehr aus“, so das Wifo. Im internationalen Vergleich seien die jüngsten Lohnsteigerungen in Österreich vor allem gegenüber Westeuropa hoch gewesen.

„Wir müssen mehr über die Wettbewerbsfähigkeit sprechen“, sagt dazu Felbermayr. So seien die Lohnstückkosten im Vergleich zu anderen reicheren EU-Ländern seit 2019 um elf Prozent gestiegen. „Während die Bruttolöhne in Deutschland seit dem Vorkrisenniveau um 23 Prozent zugelegt haben, waren es bei uns fast 32 Prozent.“ Das mache sich zunehmend bereits in einer schwächeren preislichen Wettbewerbsfähigkeit bemerkbar. So weise etwa der Wifo-Konjunkturtest seit Mitte 2022 auf eine sehr pessimistische Einschätzung der Wettbewerbsposition hin.

Natürlich hätten die höheren Löhne auch positive Wirkungen, etwa auf den privaten Konsum, der zuletzt öfters als möglicher Treiber eines neuen Aufschwungs genannt worden war. Hier zeigen sich die Wifo-Ökonomen nun jedoch etwas desillusioniert: „Allerdings dürfte dieser Effekt im aktuellen Umfeld weitgehend vernachlässigbar sein, zumal die hohe und weiter zunehmende Unsicherheit auf Verbraucherebene zum Vorsichtssparen anregt und damit die Wirkung kräftiger Reallohnzuwächse auf den privaten Konsum neutralisiert.“ Wifo-Chef Felbermayr sagt dazu: „Das Geld ist da, es wird aber nicht ausgegeben.“ Lediglich die höhere Attraktivität des Arbeitsmarktes für ausländische Fachkräfte sei ein weiterhin positiver Effekt, da dies den Arbeitskräftemangel etwas verringern könnte.

Interessant hinsichtlich der im kommenden Nationalratswahlkampf bevorstehenden Diskussion über Verteilungsgerechtigkeit sind dabei auch folgende Zahlen, die von den Ökonomen in ihrer Prognose festgehalten wurden: So stiegen die Lohneinkommen im Jahr 2023 mit neun Prozent kräftig, während die Kapitaleinkommen mit 3,8 Prozent „nur mäßig zunahmen“. „Letzteres spiegelt die schwierige Ertragslage vieler Unternehmen wider. Real schrumpften die Kapitaleinkommen um knapp vier Prozent (preisbereinigt mit dem BIP-Deflator), was den deutlichen Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen erklärt.“

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