Osteuropa

Russlands Wirtschaft wächst kräftiger als erwartet

Komsomolsky-Straße in Moskau
Komsomolsky-Straße in MoskauGetty (ALEXANDER NEMENOV)
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Das WIIW hebt seine Prognose für die russische Wirtschaft an. Die östlichen EU-Staaten wachsen deutlich kräftiger als der EU-Schnitt. Doch könnten sie noch kräftiger wachsen, wenn Deutschland nicht bremsen würde.

Wien. Die russische Kriegswirtschaft läuft heißer als von Experten erwartet. Im Frühjahr hatte das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche dem Land noch ein Wirtschaftswachstum von 2,8 für heuer vorhergesagt, in der aktualisierten Sommerprognose rechnen die WIIW-Experten mit einem Wachstum von 3,2 Prozent. Das Wachstum dürfte damit fast so hoch ausfallen wie im vergangenen Jahr (3,6 Prozent). Der akute Arbeitskräftemangel und die hohen Zinsen werden es in den kommenden Jahren allerdings auf rund 2,5 Prozent begrenzen.

Es sind vor allem die stark gestiegenen kriegsbezogenen Ausgaben, die nicht nur die russische Rüstungsindustrie antreiben, sondern auch zahlreiche weitere Sektoren mitziehen. Inzwischen operiert die russische Wirtschaft nahe der Kapazitätsgrenze. Der gravierende Mangel an Arbeitskräften durch den Fronteinsatz hunderttausender Männer und Emigration ins Ausland treibt die Löhne und den privaten Konsum. Die Bauwirtschaft hat massiv vom Ausbau der Militär- sowie der Transport- und Logistikinfrastruktur Richtung Asien profitiert. Dazu kommen sehr hohe Löhne für Frontsoldaten und Entschädigungen an Kriegsversehrte und Hinterbliebene von Gefallenen, die zusätzliches Geld in die Wirtschaft pumpen. „Das führt zu einer Umverteilung von oben nach unten, was leider auch die Sympathien für den Krieg in der Bevölkerung fördert“, sagt Vasily Astrov, Hauptautor der Sommerprognose und auch Russland-Experte am WIIW, in einer Aussendung.

Sanktionen entfalten Wirkung

Die westlichen Sanktionen konnte Russland bis dato vielfach umgehen. Doch langsam ändert sich das. Die von den USA angedrohten Santkionen gegen Drittstaaten wie China, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate zeigen zunehmend Wirkung. Die Importe aus China gingen im März und April etwa stark zurück. „Vor allem bei Dual-Use-Gütern, also Produkten, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind – beispielsweise Mikrochips –, war der Einbruch dramatisch“, sagt Astrov, der aber einschränkt: „Letztlich werden sich auch hier wieder Wege finden, diese Sanktionen zu umgehen, allerdings verteuern und erschweren sie für Russland die Beschaffung der so wichtigen Hightech-Komponenten aus dem Westen.“

Indes bombardiert Russland, das im Februar 2022 in der Ukraine einmarschiert ist, weiterhin ukrainische Infrastruktur. Das überfallene Land ist nicht nur auf militärische Hilfe angewiesen, sondern angesichts eines voraussichtlichen Budgetdefizits von 18 Prozent der Wirtschaftsleistung im heurigen Jahr dringend auf westliches Geld. Für die Ukraine sind die französischen Parlamentswahlen, die am kommenden Sonntag in die zweite Runde gehen, ein großes Risiko. Vor allem eine rechtsnationale Regierung in Paris wäre der ukrainischen Causa höchst abträglich.

Das erste Quartal lief vergleichsweise gut für die Ukraine. Vor allem wegen des wieder offenen Exportwegs über das Schwarze Meer wuchs die ukrainische Wirtschaft im ersten Quartal um geschätzte 4,5 Prozent. Dennoch revidiert das WIIW seine Prognose um 0,5 Prozentpunkte auf 2,7 Prozent. „Mittlerweile wurde bereits die Hälfte der ukrainischen Energieinfrastruktur bei russischen Raketenangriffen zerstört, und die Zerstörungen gehen weiter“, sagt Olga Pindyk, Ukraine-Expertin am WIIW: „Ohne Strom wird sich die ukrainische Wirtschaft aber nur schwer erholen können. Umso wichtiger sind daher ausreichende Lieferungen von westlichen Flugabwehrraketen“.

Geopolitik als größtes Risiko

Neben der französischen Wahl ist die im Herbst anstehende US-Präsidentenwahl das vermutlich größte Risiko für die Ukraine – und auch die EU-Mitglieder im Osten Europas. Ein US-Präsident Donald Trump könnte einen Handelskrieg mit China anzetteln, der auch die kleinen offenen Volkswirtschaften Ostmitteleuropas hart treffen würde. Zudem könne das Vertrauen von Investoren in die Region erodieren, sollte Trump die amerikanischen Sicherheitsgarantien für Europa infrage stellen.

Stand jetzt prognostiziert das WIIW den EU-Mitgliedern im Osten ein solides Wachstum für heuer. Um durchschnittlich 2,6 Prozent dürfte die Wirtschaftsleistung in der Region heuer zulegen und damit die Konjunkturlokomotive Europas bleiben. Die EU 27 wächst laut Prognose um 0,8 Prozent, die Eurozone sogar nur um 0,6 Prozent. „Haupttreiber des Wachstums sind die stark steigenden Reallöhne, die den privaten Konsum beleben, auch wenn ein nicht unerheblicher Teil der zusätzlich verfügbaren Einkommen gespart wird“, erklärt Astrov.

Wiewohl es auch Bremsklötze gibt. Namentlich: Deutschland. Die Industrie in der Region steckt nach wie vor in der Rezession, was vor allem an der Industriekrise in Deutschland liegt. Denn gerade die Visegrád-Staaten – Ungarn, Slowakei, Tschechien und Polen –sind eng mit der deutschen Industrie verflochten.

Impuls für Österreich

Für Österreich, dessen Wirtschaft laut Wifo heuer nicht vom Fleck kommen wird, ist das osteuropäische Wachstum eine gute Nachricht. Die heimische Wirtschaft ist eng mit den östlichen Nachbarn verbandelt, insofern bedeutet die vergleichsweise gute Konjunktur in Ostmitteleuropa auch Impulse für die heimische Wirtschaft. Als Investor in der Region wurde Österreich im Vorjahr allerdings von China überholt. (luis)

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