Spionage

Egisto Ott kommt erneut aus der U-Haft frei

Seit Ende März 2024 war Ott in der Justizanstalt Josefstadt inhaftiert gewesen.
Seit Ende März 2024 war Ott in der Justizanstalt Josefstadt inhaftiert gewesen. Helmut Fohringer
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Haftgründe gegen Ott würden nicht vorliegen, urteilt das Oberlandesgericht Wien. Chronologie eines wendungsreichen Strafverfahrens.

Er ist wieder frei. Bereits zum zweiten Mal wurde der ehemalige Verfassungsschützer Egisto Ott aus der Untersuchungshaft entlassen. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien gab am Mittwoch einer Haftbeschwerde Otts Folge. Es bestehe nämlich zwar weiterhin bezüglich gewisser Vorwürfe ein dringender Tatverdacht, doch liege kein Haftgrund gegen Ott mehr vor, urteilte das OLG. Der ehemalige Verfassungsschützer befand sich am Mittwoch bereits wieder auf freiem Fuß.

Es ist die nächste Wendung in einem Strafverfahren, das an Wendungen ohnehin schon reich ist. Auch wird die Entscheidung wohl Debatten auslösen, immerhin drehte sich Österreichs Innenpolitik im Frühling wochenlang um Otts mutmaßliche Spionage und politische Verbindungen. Innenminister Gerhard Karner meinte, angesprochen auf Otts Enthaftung: „Ich habe relativ wenig Verständnis dafür, wenn dem so sein soll.“ Otts Verteidiger, Jürgen Stephan Mertens, konterte: „Auch oberste Polizeibehörden haben Entscheidungen der unabhängigen Justiz zu akzeptieren.“ Dass seiner Haftbeschwerde Folge gegeben wurde, sei nicht überraschend.

Jahrelange Vorwürfe

Gegen Ott wird seit Jahren wegen Vorwürfen, er habe für Russland spioniert, ermittelt. Ott hat dies stets bestritten. Erste Vorwürfe tauchten 2017 auf, sie wurden von einem Partnerdienst an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) weitergeleitet. Ott arbeitete damals als Verfassungsschützer für die Behörde. Laut diesen Hinweisen soll er Geheiminfos von seiner dienstlichen an seine private Mailadresse weitergeleitet haben – und möglicherweise russischen Diensten verraten haben. Er wurde in der Folge suspendiert, diese Suspendierung wurde aber vom Bundesverwaltungsgericht 2018 aufgehoben.

Ott kam allerdings nicht ins BVT zurück, sondern arbeitete letztlich an der Sicherheitsakademie des Innenministeriums weiter. Als im Jahr 2020 der Wirecard-Skandal in Deutschland aufflog, wurden neue Vorwürfe gegen den Beamten bekannt. Demnach soll Ott Geheimnisse aus dem Staatsschutz an Wirecard verkauft haben, in weiterer Folge sollen die Daten möglicherweise an russische Geheimdienste geflossen sein.

Ott wurde festgenommen und im Jänner 2021 die U-Haft über ihn verhängt. Allerdings sollte sie nicht lang dauern, im Februar wurde er nach einer Haftbeschwerde vom Oberlandesgericht Wien enthaftet. Es bestehe zwar ein dringender Tatverdacht, jedoch würden keine Haftgründe vorliegen, hielt das Gericht auch damals fest. Eine Tatbegehungsgefahr sei nämlich nicht mehr gegeben, da das BVT mittlerweile aufgelöst worden sei und Ott auch nicht mehr im Verfassungsschutz arbeite.

Vertrauter tauchte unter

Kurzzeitig festgenommen wurde im Jänner 2021 ebenfalls der damalige Abteilungsleiter Martin Weiss. Er gilt als Vertrauter von Ott und soll dessen Geheimnisse aus dem Staatsschutz an Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek weiterverraten haben. Marsalek, der offenbar bereits während seiner Zeit bei Wirecard bei russischen Geheimdiensten angeheuert hat, soll diese dann den Russen gesteckt haben. Weiss wurde nach seiner Einvernahme auf freien Fuß gesetzt. Er tauchte in Dubai unter und ist seither nicht mehr für die heimische Justiz greifbar.

Ott soll auf freiem Fuß in Österreich weiterhin spioniert und Straftaten begangen haben, so zumindest sehen es die Ermittler. Diese erhielten Material von einem britischen Dienst, der ebenfalls gegen eine mutmaßliche russische Spionagezelle in Großbritannien ermittelt. Die bei diesen Ermittlungen sichergestellten Chatprotokolle wiesen auf weitere mögliche Spionagetätigkeiten Otts hin.

So wird Ott vorgeworfen, er habe verschlüsselte Sina-Laptops mit möglicherweise brisantem Material über einen EU-Mitgliedstaat dem russischen Geheimdienst verkauft. Und zwar am 19. November 2022 in Wien, also lang nach seiner ersten U-Haft. Ebenfalls soll er bereits zuvor, am 10. Juni 2022, die Diensthandys von drei Spitzenbeamten des Innenministeriums ebenfalls an russische Dienste übergeben haben. Dabei soll er im Auftrag Marsaleks gehandelt haben. Kurz nach seiner ersten U-Haft soll er zudem, am 24. März 2021, die Meldedaten des bulgarischen Journalisten Christo Grozev, der in Österreich lebte und den Russen mit seinen Enthüllungen ein Dorn im Auge ist, abgefragt und an Marsalek weitergeleitet haben.

Die zweite U-Haft

Am 29. März 2024 wurde Ott dann erneut festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Doch urteilte das Oberlandesgericht nun in seinem Beschluss zur zweiten Enthaftung, dass keine Haftgründe gegen Ott vorliegen würden. Die U-Haft wurde gegen Ott einerseits wegen Verdunkelungsgefahr verhängt – dadurch soll etwa verhindert werden, dass der Beschuldigte auf freiem Fuß Beweise vernichtet. Dieser Haftgrund rechtfertigt die U-Haft jedoch nur für die Dauer von zwei Monaten. Diese Frist ist abgelaufen.

Fluchtgefahr war kein Haftgrund, jedoch wurde bei Ott andererseits auch Tatbegehungsgefahr angenommen – also dass er auf freiem Fuß wieder Straftaten begeht. Dieser Haftgrund erlaubt auch eine längere U-Haft. Allerdings: Das OLG Wien urteilte entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft und des Landesgerichts für Strafsachen Wien. Es gebe keine Hinweise, dass Ott nach seiner letzten U-Haft „hafttragende Delikte“ begangen hätte und eine Tatbegehungsgefahr vorliege.

„Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte nach einer früheren Untersuchungshaft Anfang des Jahres 2021 weitere Straftaten verübt hat. Die Fakten, auf die sich der dringende Tatverdacht bezieht, liegen vor der seinerzeit verhängten Untersuchungshaft“, fasste das Gericht seine Entscheidung in einer Aussendung zusammen. Das OLG sei zum Schluss gekommen, dass gegen Ott „kein ausreichendes Tatsachensubstrat“ vorliege, „das die U-Haft rechtfertigt“, meinte dessen Verteidiger, Mertens. Die Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs, geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs und Verletzung des Amtsgeheimnisses gegen Egisto Ott laufen weiter. Der Ex-Verfassungsschützer dementiert sämtliche Vorwürfe.

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