Tage der deutschsprachigen Literatur

Eröffnungsrede zum Bachmannpreis: „Was ist das für eine Krise, wenn immer alles weitergeht?“

Ferdinand Schmalz am Mittwoch Abend bei der Eröffnung der „48. Tage der deutschsprachigen Literatur
Ferdinand Schmalz am Mittwoch Abend bei der Eröffnung der „48. Tage der deutschsprachigen Literatur" in Klagenfurt.APA / APA / Gerd Eggenberger
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Der österreichische Autor Ferdinand Schmalz legte seine Rede zur Literatur als Hymne auf die echte Krise an – gegen „Krisengelaber“ und reflexhaften Alarmismus.

Nicht „nur“ um Literatur soll es gehen, nein, auch um eine gesellschaftliche Bestandsaufnahme: Das ist bei der sogenannten Rede zur Literatur, der Eröffnungsrede zum Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt, Tradition. Der vor allem durch Theaterstücke bekannte österreichische Autor Ferdinand Schmalz erfüllte am Mittwoch Abend die Erwartungen, auch wenn es anfangs den Anschein hatte, das Thema seiner Rede sei die Erfahrung einer Schreibkrise (im Angesicht der Aufgabe, diese Rede zu schreiben). Doch aus dieser bitter-humoristischen Zustandsbeschreibung wurde ein Lob der Fähigkeit zur echten Krise – im Schreiben wie in der Gesellschaft. Gute Texte würden ihre Schreibkrisen beinhalten, von ihnen geformt, meinte Schmalz – dem genau das heute gesellschaftlich fehlt. Zwar gebe es jede Menge „Krisengelaber“, „Alarmismus“ und „reflexhaften Sofortismus“, aber kein „längelang am Fußboden liegen“ und „das Rad mal anhalten“. Es brauche den wirklichen „Nullpunkt“: „Was ist das denn für eine Krise, wenn immer alles weitergeht?“

Gleich mehrere Musikerinnen und Spoken-Word-Künstler

Glaubt man also Schmalz, wären die besten Texte, die von Donnerstag bis Samstag auf der ORF-Bühne in Klagenfurt zu hören sind, die, hinter denen schwere Schreibkrisen liegen. Acht Autorinnen, fünf Autoren und eine sich als nonbinär bezeichnende Person lesen diesmal Texte vor. Eine Auswahl, die wie üblich stark von der siebenköpfigen Jury bestimmt ist: Jedes der Mitglieder (diesmal erstmals unter dem Vorsitz des Grazer Literaturwissenschaftlers und Langzeitjurors Klaus Kastberger) durfte zwei Texte vorschlagen. Neben der Wahlwienerin Tamara Štajner treten drei Österreicherinnen an: Kaśka Bryla, Ulrike Haidacher und Johanna Sebauer. Außer dem mit 25.000  Euro dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis locken noch vier weitere Preise, unter anderem der Publikumspreis – sie alle werden am Sonntag vergeben.

Wenn man im Voraus eine Tendenz beim diesjährigen Wettlesen sucht, kann man eine Neigung zu originellen Namensgebungen finden. Einer hat das Buch „Es hat 18 Buchstaben und neun davon sind Ypsilons“ geschrieben, der andere „Tierchen Unlimited“, die Dritte ist in der Band Cruise Ship Misery etcetera. Da ist aber auch eine überdurchschnittlich hohe Musikaffinität: Gleich drei der acht Autorinnen sind auch Musikerinnen. Die aus Slowenien stammende, aber seit 2006 in Wien lebende Tamara Štajner ist diplomierte Bratschistin und setzt ihre Musik auch bei ihren Auftritten als Performerin ein. Unter anderem als Sängerin und Songwriterin tritt die Deutsche Olivia Wenzel auf, deren Roman „1000 Serpentinen Angst“ 2020 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises gestanden ist. Die Schweizerin Sarah Elena Müller performt ihre Texte mit bereits der oben genannten „Spoken-Pop“-Band Cruise Ship Misery. Apropos: Zwei Spoken-Word-Künstler sind heuer auch noch dabei. Der eine, Henrik Szanto, ist mit Finnisch, Ungarisch und Englisch aufgewachsen, erst ab dem Alter von sieben Jahren mit Deutsch. Er wohnte zwischendurch in Wien und kurz als H.-C.-Artmann-Stipendiat in Salzburg, heute lebt er in Hannover. Aus der Schweiz kommt außerdem Jurczok, einer der Pioniere der dortigen Spoken-Word-Kunst.

Nachhören auf ORF Sound

Dass dieser in den ganzen deutschsprachigen Raum ausstrahlende Literaturwettbewerb – „Tage der deutschsprachigen Literatur“ nennt er sich offiziell – heuer zum 48. Mal erfolgt, kann an sich schon als Ereignis gewertet werden. Zum ersten Mal werden die Lesungen und Jurydiskussionen heuer auch via ORF Sound zum Nachhören angeboten. Wie üblich gibt es den Livestream auf bachmann­preis.ORF.at, und der Fernsehsender 3sat überträgt zunächst die Lesungen und Diskussionen (Donnerstag und Freitag von zehn bis 15.30 Uhr, Samstag von zehn bis 14.30 Uhr), am Sonntag um elf Uhr schließlich die Preisverleihung.

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