Mein Freitag

Was der QR-Code mit unseren Erinnerungen macht

Denke ich mir auch manchmal: Ein schönes, festes Ticket, bitte. Nicht nur einen Code.
Denke ich mir auch manchmal: Ein schönes, festes Ticket, bitte. Nicht nur einen Code. Reuters / Lee Smith
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Natürlich, die erratischen Muster machen vieles leichter. Echte Tickets fehlen dennoch: als Erinnerungen.

Es passiert, wenn man alte Taschen wieder hervorkramt. Jacken aus dem Keller holt. Oder wenig genutzte Schubladen öffnet. Ein Griff hinein ist auch einer in die Untiefen der Erinnerung. Alte Einkaufszettel tauchen auf und offenbaren, dass man doch immer die gleichen Dinge braucht – oder lassen an vergangene Leidenschaften denken. Geldreservoire entlocken ein Lächeln. Und Tickets zeigen, wo man sich im Sommer vor drei Jahren vergnügte. Diese unfassbar lange Rutsche in Kärnten, von der man noch wochenlang Schleifspuren auf der Haut trug. Ein Theaterstück, das so langweilig war, dass man sich nach der ersten Hälfte davonstahl. Oder ein Konzert, das begeisterte.

Ein besonderer Fundplatz sind bei mir Bücher, denn herkömmliche Lesezeichen (verwendet die eigentlich jemals jemand?) kommen mir nicht zwischen die Seiten. Die sind stattdessen gefüllt mit kleinen Ereignissen, mit Einladungen zu Hochzeiten oder Taufen, mit goldgefassten Tickets für eine Veranstaltung, blassen Kinokarten oder Fahrscheinen für den Zug nach Irgendwo. Sobald das Buch aufgeschlagen wird, flattern mir also Erinnerungen zu. Sie liegen ganz vorne, wenn das Buch ausgelesen ist. Oder zeigen sie mir, wo ich stecken geblieben bin. Und irgendwie ergibt es eine schöne Einheit, Kafka und das Innviertel, Identitti und „Alles steht Kopf“.

Nun kann man allerlei sagen über elektronische Tickets. Vor allem, dass sie das Leben viel leichter machen, natürlich, sofern der Akku nicht gerade schwächelt. Ein erratischer QR-Code (können wir eigentlich kein besseres Wort dafür finden?) auf dem Handy, und es öffnen sich die Türen. Die Kontrolleure sind zufrieden gestellt, aber der Wunsch nach Erinnerungen freilich nicht. All das steckt jetzt im Mobiltelefon, das uns ja ohnehin immer mit besonderen Momenten von vor einem, zwei oder fünf Jahren überschwemmen will. Nur leider zu den unpassendsten Zeiten. Und es fehlt, was Erinnerungen so sinnlich macht: das Unverhoffte.

E-Mails an: rosa.schmidt-vierthaler@diepresse.com

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