Interview

Pariser Politologin: „Macron scheint sich verrechnet zu haben“

Präsident Macron überraschte und schockierte viele mit seiner Neuwahl-Ankündigung.
Präsident Macron überraschte und schockierte viele mit seiner Neuwahl-Ankündigung. Imago / Patrick Bernard / Bestimage
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Die Pariser Politologin Hélène Miard-Delacroix erklärt, warum der französische Präsident diese hochriskante Wahl-Wette eingeht. Sie spricht über die Gefahren für die EU, die Finanzen, den Ukraine-Krieg – und die Sicherheit auf Frankreichs Straßen. Und sie verrät, warum der Präsident so unbeliebt ist.

Die Presse: Was hat sich Präsident Macron gedacht, als er diese riskante vorgezogene Parlamentswahl ansetzte?

Hélène Miard-Delacroix: Darüber wird in Frankreich heftig diskutiert. Ein Grund war sein Bedürfnis, die Machtverhältnisse zu klären. Macron hat in der Nationalversammlung keine Mehrheit, jede Gesetzesvorlage muss verhandelt werden, jedes Mal droht ein Drama samt Gebrüll. Wichtige Gesetzesvorschläge, wie Budget oder Pensionsreform, verabschiedete er dank Artikel 49.3 (per Dekret). Und immer hieß es dann, er regiere am Volk vorbei. Jetzt gibt er die Verantwortung den Franzosen zurück. Geplant hat er die Neuwahl seit Wochen, aber niemand hat jetzt damit gerechnet. Von diesem Schock will er profitieren.

Laut letzten Umfragen geht das Kalkül nicht auf: Macrons Parteibündnis Ensemble droht an dritter Stelle und somit gar nicht in die Stichwahl zu kommen.

Es ist eine riskante Wette zu einem heiklen Zeitpunkt, kurz vor den Olympischen Spielen, wenn die ganze Welt auf Frankreich schaut. Ja, er scheint sich verrechnet zu haben: Er hatte nicht erwartet, dass sich das zerstrittene linke Lager in so kurzer Zeit zusammenschließt. Und er hoffte auf die Unterstützung der (konservativen) Republikaner, die nun teilweise mit (Marine Le Pens rechtspopulistischem, Anm.) Rassemblement National zusammenarbeiten. 

Hat der Präsident Rassemblement National unterschätzt? Die Partei war ja Siegerin der EU-Wahl und führt in Umfragen.

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