Praxis

Maßgeschneiderte Therapie für die kranke Seele

Insgesamt gibt es in Österreich 23 anerkannte Therapiemethoden.
Insgesamt gibt es in Österreich 23 anerkannte Therapiemethoden.iStockphoto/Stockrocket/Getty Images
  • Drucken

In Salzburg gibt es seit Kurzem eine Uni-Ambulanz für Psychotherapie. Hier wird empirisches Wissen über die Wirkung unterschiedlicher Psychotherapiemethoden gesammelt.

Verhaltenstherapie, Psy­cho­dra­ma, Gestalttherapie, Existenzanalyse und Logotherapie, systemische Familientherapie, Einzel- oder Gruppentherapie: Die Psychotherapie ist ein weites Feld mit vielen unterschiedlichen Richtungen und Ausprägungen. Doch während man bei Angst- oder Schlafstörungen recht zielsicher zur Verhaltenstherapie greift, ist es bei anderen psychischen Diagnosen meist eine Sache des Zufalls, bei welcher Methode die Hilfesuchenden landen.

Lieber zu zweit

„Die Zuweisung ist oft intuitiv“, sagt Thomas Probst, seit Jahresanfang Professor für Psychotherapie und Psychotherapieforschung an der Universität Salzburg. Er leitet auch die hier neu gegründete Universitätsambulanz für Psychotherapie. „Die meisten Ärztinnen und Ärzte verweisen Menschen mit Bedarf an Psychotherapie zu Therapeutinnen und The­ra­peu­ten, die sie kennen oder die schnell freie Kapazitäten haben. Zu­dem wollen die meis­ten Menschen in Einzelpsychotherapie, obwohl Gruppen auch sehr effektiv sind.“

Die in der neuen Uni-Ambulanz behandelten Fälle sollen dazu beitragen, die Forschung über Psychotherapie und ihre Methoden zu verstärken. „Unsere zentrale Frage ist, welche Therapieform bei welcher Kombination aus psychischer Störung und Persönlichkeitsmerkmalen am besten wirkt“, erklärt Probst. Obwohl sehr naheliegend, gibt es darauf nämlich bisher noch relativ wenige empirisch gestützte Antworten.

Typisch österreichische Therapierichtungen

Wichtig ist dem Forscher, dass in der Ambulanz Kolleginnen und Kollegen möglichst vieler psychotherapeutischer Richtungen ihre Leistungen anbieten und damit die gesamte Breite des Fachs abgebildet wird. „Insgesamt gibt es in Österreich 23 anerkannte Therapiemethoden, die man in vier übergereihte Cluster einordnet“, berichtet er. Das sind die Verhaltenstherapien, das systemische Cluster und das – historisch älteste – psychoanalytisch-psychodynamische Cluster. Der in Österreich größte Bereich ist das humanistische Cluster mit Methoden wie Existenzanalyse und Logotherapie, personzentrierte Psychotherapie oder Psychodrama.

„In anderen Ländern gibt es diese Richtungen gar nicht, weil die Evidenz über ihre Wirksamkeit noch nicht auf dem Stand ist wie bei anderen Therapierichtungen“, sagt Probst. Evidenz könne aber nur entstehen, wenn diese Richtungen auch beforscht werden. Deshalb sei Österreich mit seiner großen psychotherapeutischen Tradition mit Größen wie Sigmund Freud oder Viktor Frankl für die Forschung so interessant.

»Unsere zentrale Frage ist, welche Therapieform bei welcher Kombination aus psychischer Störung und Persönlichkeitsmerkmalen am besten wirkt.«

Thomas Probst,

Psychotherapieforscher, Uni Salzburg

Alle Einzel- und Gruppentherapien an der Ambulanz sollen in wissenschaftliche Projekte einfließen. Dazu gibt es vor Beginn und während der Therapie immer wieder kurze elektronische Befragungen der Patientinnen und Patienten zu Symptomen, Wohlbefinden und individuell erlebten Fortschritten. Die Befragungen dienen auch der Qualitätssicherung. Im Herbst starten an der Ambulanz beispielsweise Gruppenpsychotherapien zu postpartaler Depression, zum prämenstruellen Syndrom und eine kreative Gruppe mit Kunstschwerpunkt.

In vielen Bereichen des Gesundheitssystems sei eine Personalisierung von Behandlungen und Medikamenten mittlerweile selbstverständlich. Auch in der Psychotherapie würde der Behandlungserfolg stei­gen, wenn die Therapie der Seele ähnlich wie in der Präzisionsmedizin auf die individuellen Charakteristika eines Menschen abgestimmt werde.

Kosten verringern

„Wir fragen uns nicht nur, welche Therapie bei welcher Störung am besten wirkt. Wir möchten uns auch anschauen, wie bestimmte Persönlichkeitsmerkmale mit möglichen Therapieformen interagieren“, erläutert der Psychologe. „Wir wissen in der Psychotherapieforschung noch zu wenig darüber, wer von einer bestimmten Methode am meisten profitiert.“ Als langfristiges Ziel schweben Thomas Probst und seinem Team empirisch gestützte Behandlungsempfehlungen für bestimmte Diagnosen und Persönlichkeitsprofile vor.

Bewahrheitet sich die Annahme, dass personalisierte Psychotherapie besser wirkt, dann könnte das letztlich die Behandlungszeit und damit auch die Kosten verringern, mutmaßt Probst. Doch bis es so weit ist, wird es noch dauern. Im Endausbau sind über 100 Therapieplätze das Ziel, um die für die Forschung notwendigen Fallzahlen zu erreichen. Gleichzeitig soll die Einrichtung als Lehrambulanz fungieren. Damit ist Salzburg auch für das ab 2026 an den Universitäten angesiedelte Psychotherapiestudium gut gerüstet.

In Kürze

Thomas Probst leitet die Psychotherapieforschung an der Uni Salzburg. Ziel der neuen Ambulanz für Psychotherapie sind maßgeschneiderte Behandlungen bei seelischen Leiden.

www.plus.ac.at/psychotherapie

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.