Gesundheit

Houskapreis: Ein Anker für das Immunsystem

Mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung sind von schweren Auto-Immunerkrankungen betroffen. Nun gibt es Hoffnung für die Entwicklung gezielter Medikamente.
Mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung sind von schweren Auto-Immunerkrankungen betroffen. Nun gibt es Hoffnung für die Entwicklung gezielter Medikamente.Imago / Zoonar.com/kasper Ravlo
  • Drucken

Einen echten Heureka-Moment erlebte das Team am Forschungszentrum für Molekulare Medizin, als es Proteine in Immunzellen sichtbar machte. Ein kleines Molekül kann eine überschießende Reaktion hemmen.

Wenn Bakterien oder Viren in unseren Körper ein­drin­gen, beginnt sofort ein ausgeklügelter Abwehrkampf. Eine Armada von Immunzellen versucht die Eindringlinge und die von ihnen befallenen Körperzellen zu eli­mi­nie­ren. An vorderster Front: das angeborene Immunsystem, das von Geburt an Bakterien und Viren finden und bekämpfen kann.

Ein wichtiges Werkzeug der da­ran beteiligten Monozyten, Makrophagen und dendritischen Zellen sind die sogenannten Toll-like-Rezeptoren (TL). Sie können körperfremde Muster, wie virale DNA, erkennen und dann mittels einer Signalkaskade Interferone bilden, die als Immunmodulatoren schließlich eine Entzündung auslösen.

Diese Signalkaskade ist essenziell bei der Abwehr zum Beispiel von Coronaviren. Allerdings kann sie in seltenen Fällen fehlgeleitet sein und sich auch gegen körpereigenes Gewebe wenden. Die Folge sind schwere Auto-Immunerkrankungen wie systemischer Lupus oder rheumatoide Arthritis, von denen mehr als ein Prozent der Weltbevölkerung betroffen sind.

Umfunktionierter Transporter

Ein Forschungsteam unter der Leitung von Giulio Superti-Furga am Zentrum für Molekulare Medizin (Cemm) der Akademie der Wissenschaften fand nun einen Ansatz, diese Immunsignalwege zu regulieren. Die Forschenden untersuchten Faktoren, die schon länger mit Lupus in Verbindung gebracht werden und machten dabei eine überraschende Entdeckung: Ein Protein, das die Struktur eines Membrantransporters hat und Peptide durch die Zellmembran schleust, wurde von der Evolution in einen Membrananker für Signalmoleküle umfunktioniert.

Der Transporter SLC15A4 schleust nun nichts mehr, sondern bindet stattdessen wichtige Signalmoleküle an die Membran, um die Information des TL-Rezeptors an den Zellkern weiterzuleiten. Dort werden schließlich Gene aktiviert, die für die Entzündung und zum Anlocken weiterer Komponenten des Immunsystems essenziell sind.

„Es war ein echter Heureka-Moment, als wir in dem Transporter-Protein eine Struktur gefunden ha­ben, die es so auch in anderen Adapter-Proteinen mit ähnlicher Funktion gibt – das hat seine ungewöhnliche Rolle bestätigt“, sagt Leonhard Heinz, einer der Studienleiter. Nun versuchte das Team Moleküle zu identifizieren, die mit dem Signal-Anker interagieren.

Grundlage für die Entwicklung wirksamer Medikamente

Dazu kollaborierte es mit der gut ausgestatteten Screening-Einrichtung des Cemm. Zehntausende verschiedene chemische Verbindungen wurden darauf getestet, ob sie die Funktion des Transporters in der Signalkaskade beeinflussen können. Und tatsächlich wurde eine Verbindung gefunden: Das Feeblin genannte Molekül blockiert den Transporter in einer inaktiven Konformation und stoppt die entzündungsfördernden Signale.

„Es ist der erste Beweis, dass diese Immunkaskade mit einem kleinen Molekül gehemmt werden kann. Auch wenn die Verbindung selbst nicht sofort im Menschen genutzt werden kann, sind unsere Ergebnisse hoffentlich eine Grundlage für die Entwicklung gezielter und wirksamer Medikamente“, erklärt der Immunologe Manuele Rebsamen, ein Autor der Studie, die kürzlich beim Houskapreis der B&C-Privatstiftung für den therapeutischen Ansatz bei Autoimmunerkrankungen prämiert wurde. Die präzisen Therapien könnten die Behandlung mit Kortison ersetzen – hoffentlich mit mehr direkter Wirkung und weniger Nebenwirkung.

Lexikon

Lupus erythematodes (von lateinisch lupus, der Wolf), ist eine Autoimmunerkrankung, die die Haut, aber auch viele weitere Organe des Körpers befallen kann.

Eine fehlgeleitete Immunreaktion gegen körpereigene DNA führt im Laufe der Erkrankung zu starken Entzündungsreaktionen und unbehandelt zu lebensbedrohlichen Schäden.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.