Sozialgeschichte

Der Faschist und die Opernsängerin

Hochzeit 1926. Links neben der Braut Lilliana Weinman steht Trauzeuge Mussolini, rechts Bräutigam Attilio Teruzzi.
Hochzeit 1926. Links neben der Braut Lilliana Weinman steht Trauzeuge Mussolini, rechts Bräutigam Attilio Teruzzi.AKG/FAF Toscana
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Eine faszinierende Analyse des italienischen Faschismus aus der Perspektive eines Ehedramas und des Kampfs einer Frau um ihre Ehre.

Mussolini zeigte sich ergriffen: Er sollte als Duce im Juni 1926, im Jahr IV der faschistischen Ära, einer Eheschließung vorstehen, ganz nach den Ritualen der neuen, der großen Zeit. Seinem treuen Gefolgsmann Attilio Teruzzi war zu gratulieren: Die Braut, Lilliana Weinman, war Amerikanerin jüdischer Abstammung, mit reichen Eltern gesegnet, die aus dem ehemals österreichischen Galizien stammten, und sie war eine gefeierte Opernsängerin. Teruzzi, Berufsoffizier in der italienischen Armee, war in die Politik gewechselt und einer der aufsteigenden Sterne im faschistischen Einparteien-Staat, einer der virilen, markigen „Neuen Männer“, die beim Marsch auf Rom dabei gewesen waren.

Die Hochzeit musste eine veritable Staatsangelegenheit, ein Aushängeschild werden, mit dem Duce selbst und dem Dirigenten Tullio ­Serafin als Trauzeugen für das schöne Paar. Die Schwarzhemden, bekannt als notorische Rowdys, wollten zeigen, dass sie auch in der Gesellschaft ganz oben angekommen waren und den Respekt bürgerlicher Kreise verdienten. In der Tat berichtete sogar die „New York Times“ über die „faschistische Hochzeit“, den Liebesknoten zwischen Liktorenbündel und Stars and Stripes.

Drei Jahre später, im März 1929, sagte sich Teruzzi unter schwersten Anschuldigungen der Untreue von seiner Ehefrau los. Sie war ihm gleichgültig geworden, und er wollte nur raus aus dieser Ehe. 18 Jahre kämpfte er für eine Scheidung der auch kirchlich geschlossenen Ehe, seine Frau stellte sich in einer grandiosen juristischen Auseinandersetzung entgegen, auch, als er eine neue Familie, wieder mit einer Jüdin, gründete, mit der er ein Kind hatte, die er aber nicht heiraten durfte. Der Vatikan erlaubte es nicht. Der Bündnispartner, das nationalsozialistische Regime in Berlin, zeigte sich befremdet über den hochrangigen Faschisten mit zwei jüdischen Partnerinnen.  

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