Atomkraft

Atom-Staubsauger, Atom-Auto und eine Atomkraftgegnerin, die 90 ist

Das tschechische Atomkraftwerk Temelín.
Das tschechische Atomkraftwerk Temelín.IMAGO/Daniel Scharinger
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Gegen Atomkraft zu sein ist in Österreich salonfähiger als anderswo. Aber dass jemand mit 90 nach wie vor eine glühende Atomkraftgegnerin und als solche auch aktiv bleibt, ist auch hier ungewöhnlich.

Als Maria Urban zur Welt kam, da gab es die Atomindustrie noch nicht. Das war Ende Juni 1934. Es sollte noch Jahrzehnte dauern, ehe der erste Atommeiler Strom lieferte und mit Schlagworten wie „Atoms for Peace“ die PR-Maschinerie für Atomkraftwerke in Gang gesetzt wurde.

Als 1956 in der damaligen Sowjetunion in Obninsk das erste Atomkraftwerk und Monate später unter Beisein von Queen Elisabeth II in Calder Hall im englischen Lake District das nächste, war Maria Urban gerade einmal 22 und verfolgte diese Nachrichten so gut wie nicht.

Und so musste an ihr vorübergehen, dass in der Euphorie der 1950er die Fürsprecher der Atomkraft vom Anbruch eines atomaren Zeitalters träumten, in dem niemand zweifelte, dass es einmal einen atombetriebenen Staubsauger geben werde. Von Atomkochern war da ebenso die Rede wie von einem Atomauto. So sah das Konzeptauto „Ford Nucleon“ 1958 vor, dass das Fahrzeug durch einen kleinen Reaktor betrieben wird, der zwischen die Hinterräder gehängt werden solle.

Atombomben für den Suez-Kanal

In Serie ging dieses Auto nie, doch hatte die Atomkraft noch immer einen weitestgehend untadeligen Ruf, zumal Havarien und schlimme Unfälle streng geheim gehalten und kritische Fragen nicht gestellt worden sind. Etwa die nach dem Atommüll, den Folgen von Unfällen und Materialschwächen oder der Kostenwahrheit. Und so wurde „Operation Plowshare“ in den USA hemmungslos vorangetrieben. Demnach hätten Hunderte von Atomexplosionen den Suez-Kanal erweitern und ein Kanalsystem in die Wüste Negev bomben sollen.

Derartige Ideen hielten sich bis weit in die 1970er Jahre, in denen Österreich längst auch beschlossen hatte, ins Atomzeitalter einzusteigen. Das rot-weiß-rote Atomprogramm wurde in der ÖVP-Alleinregierung Ende der 1960er Jahre entwickelt. Atommeiler sollten in Zwentendorf (NÖ), in St. Pantaleon-Stein an der ober- und niederösterreichischen Grenze sowie in St. Andrä im Lavanttal in Kärnten errichtet werden. Zunächst gab es den Widerstand in Form von Zehntausenden Unterschriften von Gegnern in St. Pantaleon-Stein. Österreichweit entfachte sich die Debatte allerdings dann rund um Zwentendorf. Es war die Gründungsstunde der österreichischen Anti-Atomkraft-Bewegung, die die Basis legen sollte für die Ablehnung der Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf und der Planungen für die anderen Atomkraftwerke. „Zwentendorf ist an mir vorüber gegangen“, berichtet Maria Urban heute. Sie war Alleinerzieherin, unterrichtete in einer Volksschule „und deshalb hatte ich kein ,Fuzerl’ Zeit.“

Ein paar Jahre später sollte dies anders sein: Nach der verheerenden Explosion im Atomkraftwerk Tschernobyl, als Sandkisten ausgebaggert wurden, Gemüse verstrahlt war (und Pilze auch heute noch sind) wollte Urban nicht mehr unbeteiligt bleiben.

Und so kam sie mit zwei Frauen ins Gespräch, die am Stephansdom standen, um gegen Atomkraft zu demonstrieren. Ein wenig später war auch sie zur Stelle, um zu demonstrieren; allerdings war für Urban der stille Protest bald zu wenig. Sie gründete selbst eine Anti-AKW-Gruppe und begann, was sie auch heute noch tut: Informationstische, Politikergespräche, Überzeugungsarbeit. So entstand die „Wiener Plattform Atomkraftfrei“.

„Mehr denn je: Es ist notwendig“

Maria Urban war keine Atomkraftgegnerin der ersten Stunden, aber immerhin der vergangenen 38 Jahre - und sie ist jetzt, mit 90, immer noch aktiv.

Maria Urban (rechts im Bild) und Gleichgesinnte in Aktion.
Maria Urban (rechts im Bild) und Gleichgesinnte in Aktion. privat

Urban ist in einem Alter, in dem sie ihre Aktivitäten zurückschrauben könnte, niemand nähme es ihr übel. Tut sie aber nicht, sie ist nach wie vor aktiv. „Mehr denn je: Es ist notwendig. Wir erleben gerade, dass es wieder mehr Befürworter von Atomkraft gibt, es werden wieder die gleichen Geschichten erzählt. Und das obwohl keiner der Gründe, die gegen Atomkraftwerke sprechen, verschwunden wäre.“

Auf der Ford-Homepage erinnert wenig an die atomaren Ideen des Autokonzerns.

Atombomben für einen breiteren Suez-Kanal

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