Interview

Frequentis-Chef Haslacher: „Künstliche Intelligenz wird in der Flugsicherung noch lange kein Thema sein“

„In Asien sollen in den nächsten zehn Jahren 300 neue Flughäfen entstehen“, so der Frequentis-Chef.
„In Asien sollen in den nächsten zehn Jahren 300 neue Flughäfen entstehen“, so der Frequentis-Chef. B. Aichinger
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Der Faktor Mensch sei in der Kommunikation zwischen Piloten und Fluglotsen entscheidend, sagt Frequentis-Chef Norbert Haslacher. Die hohen Lohnsteigerungen machen auch dem Hightech-Unternehmen große Sorgen. Von der nächsten Regierung wünscht er sich eine „kooperative Außenpolitik“.

Die Presse: Die österreichische Wirtschaft stagniert heuer, vor allem der Industrie geht es schlecht. Wie betrifft diese allgemeine Schwäche ein Hightech-Unternehmen wie Frequentis?

Norbert Haslacher: Unser Geschäftsmodell ist ja so, dass die Kunden in der Regel Behörden oder behördennahe Organisationen sind, die nationale sicherheitskritische Infrastrukturen betreiben. Und diese sind von makroökonomischen Einflüssen relativ unabhängig, weil diese Infrastruktur immer laufen muss. Bei uns ist das Wachstum also intakt. Wir hatten im Vorjahr das erste Mal einen Auftragseingang von einer halben Milliarde Euro. Denn drei Megatrends sind bei unserem Geschäft entscheidende Treiber. Erstens steigt das Sicherheitsbedürfnis weltweit. Zweitens erhöht sich auch das Mobilitätsbedürfnis. Denn selbst wenn es in Europa aufgrund der CO2-Diskussion im Flugbereich vielleicht etwas weniger Mobilität gibt, wird das in Asien oder den USA zehnfach aufgeholt. Allein in Asien sollen in den nächsten zehn Jahren 300 neue Flughäfen entstehen. Und das dritte ist die Technologie, vor allem bei der Flugsicherung. Hier versuchen die großen Hubs in Asien oder im Nahen Osten mehr Durchsatz auf dem gleichen Raum zu schaffen. Dafür brauchen sie mehr Digitalisierung und Automatisierung. Und daher sind wir in den letzten Jahren doppelt so schnell wie der Markt gewachsen.

Hat die wirtschaftliche Situation in Österreich auf Sie andere Auswirkungen? Ist es etwa leichter geworden, Ingenieure zu bekommen?

Das mit Sicherheit. Aber nicht nur in Österreich, sondern auch in Osteuropa. Vor allem durch die Probleme in der Automobilindustrie werden derzeit viele IT-Technikerinnen und -Techniker frei. Wir suchen ja immer global nach Mitarbeitern und haben an unserem Standort in Wien 34 Nationen beschäftigt. Hierbei wäre es für uns wichtig, dass es nicht so viele administrative Hürden gibt, wenn man Leute aus weiter entfernten Ländern holt.

Es gab ja eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte. Haben Sie hier eine positive Veränderung gespürt?

Nicht wirklich. Aber bei uns gibt es auch ganz andere Herausforderungen. So haben wir manchmal auch Leute aus Asien hier, um sie zu schulen. Die haben dann einen Aufenthalt von ein paar Monaten. Und auch hier gibt es regelmäßig Diskussionen mit dem Finanzamt, warum diese Personen hier arbeiten müssen. Gerade für ein exportorientiertes Unternehmen wie uns mit einer Exportquote von über 90 Prozent ist es jedoch sehr wichtig, dass die Menschen, die unsere Produkte in ihren Ländern verkaufen, auch gut dafür ausgebildet sind.

Stichwort Export: Durch die hohe Inflation und die darauf folgenden hohen Lohnabschlüsse sind die Lohnstückkosten in Österreich wesentlich stärker gestiegen als in anderen europäischen Ländern. Senkt das auch Ihre Wettbewerbsfähigkeit?

Ich muss ehrlich sagen: Ich hoffe nicht. 2023 haben wir es ganz gut hinbekommen, Teile dieser massiven Lohnerhöhungen an die Kunden weiterzugeben. Jetzt gibt es dieses Jahr jedoch erneut eine Erhöhung der Ist-Gehälter von knapp acht Prozent. Unsere Hauptkonkurrenten sitzen in den USA und Spanien, haben also wesentlich geringere Inflations- und Lohnsteigerungen.

Aber bedeutet das nun, dass Sie bereits Aufträge verlieren, weil Sie zu teuer sind?

Bis jetzt noch nicht, aber so etwas zeigt sich ja erst mit der Zeit. Wir haben dann 16 Prozent Gehaltserhöhungen in zwei Jahren gehabt. Die Projekte, die jetzt abgearbeitet werden, wurden ja noch mit alten Preisen verhandelt. Wirklich sagen können werden wir es wahrscheinlich erst in ein bis zwei Jahren.

Eine andere Folge der Inflation waren die stark angehobenen Zinsen. War das ein Thema für Frequentis?

Nein, das ist eigentlich eher positiv für uns, weil wir ein sehr cashreiches Unternehmen sind. Wir haben am Ende eines Jahres meist 80 bis 100 Mio. netto Cash in unserer Bilanz. Bisher haben wir dafür kaum Zinsen erhalten, jetzt erhalten wir welche.

Frequentis ist ein forschungsintensives Unternehmen. In der Tech-Branche ist derzeit künstliche Intelligenz das große Thema. Welche Rolle spielt KI in der Flugsicherung?

Operativ spielt künstliche Intelligenz bis jetzt noch keine große. Denn bei sicherheitskritischen Bereichen muss immer klar rückverfolgbar sein, wie Fehler entstanden sind. Das ist bei KI nicht möglich, da die Entstehung der Entscheidungen noch schwer nachvollziehbar ist. Wo KI bereits zur Anwendung kommt, ist bei der Unterstützung der Kommunikation. Oft ist der Funkverkehr zwischen Lotsen und Piloten schwer verständlich – auch weil das Englisch teils sehr schlecht ist. Hier kann KI helfen, die Qualität zu verbessern. Bis KI auch bei Entscheidungen im Flugverkehr eingesetzt wird, wird es noch viele Jahre dauern.

Aber ist es vorstellbar, dass irgendwann nur mehr die KI im Tower sitzt?

Das kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Denn wenn man einen Piloten fragt, was das wichtigste System ist, dann wird er sagen, dass es die Verbindung mit dem Boden ist. Dass er dort mit jemandem reden kann. Denn selbst wenn alle anderen Systeme ausfallen, kann ihm die Person am Boden immer noch sagen, ob etwas in der Nähe ist, was gefährlich werden könnte. Ich glaube also, dass KI hier zumindest die nächsten 20 bis 30 Jahre kein Thema sein wird.

Ein anderes großes Thema in der Luftfahrt sind Drohnen. Spätestens der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass diese massive Veränderungen bringen. Was bedeutet das für den zivilen Bereich?

Im zivilen Bereich ist die Regulierung in der EU Jahre hinten. Es gibt immer mehr Anwendungsgebiete für den Drohneneinsatz in einem kontrollierten Luftverkehr, aber die dafür nötige Regulierung fehlt oft noch.

Zum Abschluss noch eine Frage zur österreichischen Wirtschaftspolitik: Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung nach den Wahlen im Herbst?

Für uns als exportorientiertes Land ganz wichtig ist, dass Österreich eine kooperative Außenpolitik und keine polarisierende Außenpolitik hat. Das ist vor allem für ein Unternehmen wie uns entscheidend, weil unsere Kunden Behörden sind und diese einer ausländischen Regierung unterstehen.

Zur Person

Norbert Haslacher (* 1970) ist seit 2018 Vorstandschef von Frequentis. Frequentis ist auf die Produktion der Soft- und teils auch Hardware für Flugsicherung spezialisiert und beschäftigt rund 2200 Mitarbeiter.

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