Konzertreigen

Lido Sounds Festival: Ein Heimspiel und ein Wildberry Lillet

Vor der zweiten, der kleineren Bühne, wird es leider schnell voll
Vor der zweiten, der kleineren Bühne, wird es leider schnell vollAPA / Tobias Steinmaurer
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Am Freitag blieb am Lido Sounds der Regen aus, Gossip kränkelten und Parov Stellar fordern den Linzer Bürgermeister heraus. Der Samstag war der „jüngste Tag“ des Linzer Festivals: mit Entertainerin Nina Chuba und den politischeren Kraftklub und K.I.Z.

Nach dem sanften „Infinity Opening-Day“ ging es am Freitag richtig los am Lido Sounds Festival am Urfahranermarkt an der Linzer Donaulände, nun auf beiden Bühnen und mit 23.000 Besuchern. Ein bisschen stand der Tag, an dem es doch nicht wie befürchtet regnete, im Zeichen der lokalen Musikgrößen: Texta eröffneten schon am frühen Nachmittag, holten sich Attwenger als Gäste, Parov Stelar standen am Schluss auf dem Programm. Der erwartete energetische Höhepunkt des Nachmittags fiel flacher aus als erwartet: Man sei krank, entschuldigte sich Beth Ditto, Sängerin der Discorockband Gossip, und man hörte es ihrer Stimmgewalt an. Beim finalen „Heavy Cross“ erklomm sie kaum die Höhen. Das Publikum aber auch nicht. Zum Glück lebt die Band nicht von Dittos Energie allein, auch die Rhythmusfraktion Hannah Blilie ist nicht zu verachten.

Zwischendurch trank Beth Ditto Tee
Zwischendurch trank Beth Ditto TeeAPA / APA / Tobias Steinmaurer

Nebenan ließ Marc Rebillet oben ohne in seiner schrillen One-Man-Show die Bässe wummern – auf der kleineren Bühne, benannt „Ahoi! Pop Summer Stage“ nach jenem Festival, aus dem das Lido hervorging. Vergangenes Jahr war diese in einem Zelt, heuer Open Air und der Donau zugewandt. Der Zuschauerraum ist eher breit als lang, und erstaunlich schnell voll. Bei Rebillet wurde – wie öfter im Verlauf des Festivals – der Zugang gesperrt.

Hozier: eher ein Sitzkonzert

Auf der Hauptbühne stand nach Benjamin Clementine (mit seiner Mischung aus Soul, Pop und Poesie Mercury-Preisträger) Hozier auf der Bühne – und enttäuschte etwas. Für ein Festival legte der Ire seine Show zu verspielt an, trotz großer Band – bestehend aus fünf Männern und fünf Frauen – und für Euphorie tauglichem Material, etwa „Too Sweet“ aus seinem guten aktuellen Album „Unreal Unearth: Unheard“ und dem Überhit „Take Me To Church“. Dass dieser nicht zufällig als Protestsong genutzt wird, stellte er live unter Beweis, indem er eine politische Brandrede auf demokratische Rechte hielt. Kategorie: Sitzkonzert.

Schönes Konzert, aber nicht energetisch genug: Hozier
Schönes Konzert, aber nicht energetisch genug: HozierAPA / APA / Tobias Steinmaurer

„Habt ihr genug Energie für eine Deichkind-Show?“, frage Hamburger Hip-Hop-Formation, Headliner der kleineren Bühne (wieder wurde der Zugang beschränkt). Das Trio Kryptik Joe, DJ Phono und Porky, live um drei Musiker/Tänzer erweitert, ist bekannt für seine exzessiven Auftritte, so auch hier. Kostüme in Pastellfarben, weiße Masken, es gab einen Ritt auf einer gigantischen Chanel-Handtasche, einen auf einer Tonne durchs Publikum.

Immer eine große Show: Deichkind
Immer eine große Show: DeichkindAPA / APA / Tobias Steinmaurer

Klug konzipiert ist diese Show (das macht DJ Phono): In der ersten Hälfte führen sie durch neues Material, in der zweiten – nach Umbauphase – liefern sie die großen Hits ab. Gute Livebands wechseln geschickt zwischen intensiveren Songs und langsameren Passagen ab, bis zum Höhepunkt, gern der große Hit. Sie bauen Spannungsbögen auf – wie Filme, Geschichten. Deichkind sind Meister darin.

Heinspiel Parov Stelar

Die große Bühne nahm unterdessen der Lokalmatador ein, bei dem Wunsch nach mehr Anerkennung spürbar wurde: Parov Stelar, mit seinem Electroswing weltweit erfolgreich. Diese Musik wirkt so easy, macht sich aber alles andere als leicht (sonst würden das ja alle tun). „Ihr habt keine Ahnung, wie nervös und aufgeregt wird sind“, sagte Sängerin Elena Karafizi. Bei einem Heimspiel kann der Druck ganz schön groß sein, Parov Stelar meisterten ihres bravourös: Mit dezenten Visuals und Lichtspielen, einer starken Bläsersektion – und sie brachten erstaunlich viele neue Songs, darunter „Acid Blues“ – die sich nahtlos einfügen.

Gegen Ende meldete sich auch Mastermind Markus Füreder selbst zu Wort: Vor 30 Jahren habe man ihm gesagt, das werde nichts mit der Musikkarriere, erzählte er. Und er wäre „nichts ohne meine Band“. Das Publikum fragte er nach der Nummer von Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ). Was will er mit ihm besprechen? Die Klangwolke? Das Lido Sounds 2025 ist jedenfalls schon fix.

Politisches aus Ostdeutschland am Samstag

Auf dem Festivalgelände werden dafür auch schon vergünstigte Tickets verkauft. Die Schlangen waren beachtlich – auch am Samstag, den vom Programm her „jüngsten“ Tag mit viel deutschem Hip-Hop. Beziehungsweise österreichischem: Der Wiener Bibiza verwandelte nach dem durchgeschwitzten Mainzer OG Keemo die kleinere Bühne in eine Art Séparée mit rotem Vorhang und Sofa in Lippenform.

Gut gelaunt: Bibiza aus Wien
Gut gelaunt: Bibiza aus WienAPA / APA / Wolfgang Hauptmann

Viel Gefühl bewies Gitarrist Enzo Gaier, viel Enthusiasmus der Bandleader, bürgerlich Franz Bibiza: „Habt ihr Bock zu springen?“ fragte er, und forderte: „Schreit alle ganz laut, wenn man mit Kunst Geld verdienen kann.“ Vielleicht fiel wegen dieses Satzes live besonders auf, wie viele seiner Lieder Status und Money thematisieren. Wiener Schikeria eben, aber immer mit Schmäh.

„Gegen Homophobie, Transphobie, Rassismus“

Auf der größeren Bühne standen hintereinander die drei deutschen Formationen 01099 (sprich: Null-zehn-neunundneunzig), K.I.Z und Kraftklub – und bewiesen Haltung. Alle drei positionierten sich – in unterschiedlichen Abstufungen – gegen den politischen Rechtsaußen-Ruck. 01099 sind aus dem ostdeutschen Dresden, ihr Name ist Postleitzahl eines Stadtteils, Kraftklub aus Chemnitz. Die rechtsextreme AfD war stimmenstärkste Partei in beiden Städten.

Man müsse auf einem Festival, wenn man Mikro in der Hand habe, klar machen, „dass wir gehen Homophobie, Transphobie und Rassismus sind“, sagte etwa Kraftklub-Leadsänger Felix Brummer. Mit ihren Songs wie den Geschlechterstereotype umdrehenden „Randale“ würdige Headliner – die in einem an die Toten Hosen erinnerten: ihrem Appeal für unterschiedlichste Zuhörerschaften,

Aus dem „Görli“ nach Linz

Davor hatten noch K.I.Z einen Querschnitt aus ihrem neuen Album „Görlitzer Park“ eingestreut – benannt nach jenem Berliner Park, dem ein ähnlicher Ruf vorauseilt wie dem Matzleinsdorfer Platz. Das Berliner Trio ist bekannt für Biss und Humor (unter großem Jubel zog sich Maxim Drüner in der Show etwa seine Schuhe aus und zeigte seine „hässlichen“ Füße), zeigt nun aber verstärkt seine politische Seite. „Na klar sind wir für Frieden, doch erst müssen wir gewinn‘n“, heißt es etwa im vielschichtigen „Frieden“.

K.I.Z. beim Lido Sounds in Linz
K.I.Z. beim Lido Sounds in LinzAPA / APA / Wolfgang Hauptmann

Weniger direkt politisch zeigte sich die Headlinerin der zweiten Bühne, Nina Chuba. Erst ein Album („Glas“) hat die 25-jährige bisher herausgebracht, freilich auch den Überhit „Wildberry Lillet“, der als Sommerdrink Mode wurde. Den Hauptslot stemmt Chuba mühelos. Sehrsüchtig erwartet wurde sie im Publikum von vielen Frauen, die mit langen Nägeln und Zöpfen den Stil der Rapperin kopieren.

Live zeigte die Neo-Berlinerin mit ihrer Band, zu der eine Saxophonistin, eine Trompeterin und eine Posaunistin gehörten, eine perfekte Show. Charmant in den Zwischenansagen (Vor dem Konzert sei sie am Pleschinger See gewesen, erzählte sie, und habe gestaunt über die wenigen Menschen dort – so anders als in Berlin). Druckvoll in ihren Songs. Auch die zwei neuen Singles gab sie zum Besten, außerdem ein noch unveröffentlichtes Lied, chansonartig, und eines, das sie sonst nie auf Festivals spiele – weil er „die Stimmung killt“: „Nicht allein“, ein Song über Depressionen. Berührender Kontrapunkt zum sonstigen Set.

Nina Chuba War Headlinerin der kleineren Bühne am Samstag
Nina Chuba War Headlinerin der kleineren Bühne am SamstagAPA / APA / Wolfgang Hauptmann

Zu medial inszeniert war „Glatteis“ über toxische Anziehung: Die aufs Mikro geschnallte Kamera filmte sie und übertrug ihr Gesicht übergroß auf gleich mehrere Screens. Man hätte sich bei der starken Nummer mehr Interaktion gewünscht. Für „Wildberry Lillet“ ließ sie sich bitten, spazierte erst mit Klarinette zu „Alles gleich“ über die Bühne, verabschiedete sich, überlegte nach den „Zugabe“-Rufen lautstark, ob es überhaupt noch etwas gebe, das sie spielen könne. Na klar. Weiß doch jeder. Und ja, „Wildberry Lillet“ schmeckt als Song immer noch, auch jenen, die den Drink zu süß finden.

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