Gericht

Junger Rechtsextremer in Wien zu zwei Jahren Haft verurteilt

Der junge Mann muss sich unter anderem wegen Wiederbetätigung, kriminelle Vereinigung und Verhetzung verantworten.
Der junge Mann muss sich unter anderem wegen Wiederbetätigung, kriminelle Vereinigung und Verhetzung verantworten.APA / Roland Schlager
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Der Anklage zufolge habe der 21-Jährige zu Anschlägen auf Juden und „ethnischer Säuberung“ aufgerufen. Er selbst beteuert, sich von der Neonazi-Gruppierung „Feuerkrieg Division“ abgewendet zu haben.

Ein ehemaliges Mitglied der rechtsterroristischen „Feuerkrieg Division“ (FKD) ist am Montag am Wiener Landesgericht zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Davon sind acht Monate unbedingt. Der mittlerweile 21-Jährige wurde der nationalsozialistischen Wiederbetätigung, der kriminellen Vereinigung, der Verhetzung und der Aufforderung zur mit Strafe bedrohten Handlungen für schuldig befunden. Das Gericht nahm keine besondere Gefährlichkeit bei dem Angeklagten an.

Letzteres hatte zur Folge, dass bei der Strafzumessung der maßgebliche, nach dem Verbotsgesetz heranzuziehende Strafrahmen nicht bei zehn bis 20 Jahren, sondern bei bis zu zehn Jahren lag. Zwei Jahre erschienen dem Schwurgericht täter- und schuldangemessen, im Hinblick auf die geständige Verantwortung und die bisherige Unbescholtenheit des 21-Jährigen wurden ihm davon zwei Drittel unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Zusätzlich wurde Bewährungshilfe angeordnet und dem Mann per Weisung aufgetragen, ein bereits begonnenes Deradikalisierungsprogramm bei einer Beratungsstelle fortzusetzen.

21-Jähriger erleichtert

Der 21-Jährige nahm das Urteil mit hörbarer Erleichterung - er atmete mehrfach tief durch - an. Der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab. Die Entscheidung ist somit nicht rechtskräftig. Sollte das Urteil in Rechtskraft erwachsen, wäre der 21-Jährige unter Anrechnung der U-Haft spätestens mit Ende des Sommers wieder ein freier Mann.

Er legte ein Geständnis ab und verlas ein von ihm vorbereitetes schriftliches Statement. Danach verweigerte er die Aussage. Er wolle keine Fragen beantworten, erklärte der Absolvent einer Wiener HTL, der zuletzt an einer FH studiert hatte. Der Angeklagte hatte sich im Alter von 17 der gewaltaffinen, rechtsterroristischen Neonazi-Gruppierung angeschlossen. Europaweit umfasste diese bis zu 70 junge, oft noch jugendliche Männer. Die Gruppierung propagierte einen „Rassenkrieg“ und „weißen Jihadismus“ und befürwortete Attentate auf Synagogen und Moscheen.

Trotz antisemitischer Einstellung jüdische Einrichtungen gesichert

Ungeachtet seiner in Chats belegten antisemitischen Einstellung war der Bursch im Rahmen eines mehrmonatigen Assistenzeinsatzes beim Bundesheer zum Objektschutz bei jüdischen Einrichtungen in Wien-Leopoldstadt abgestellt. Wie aus einem Bundesheer-Bericht hervorging, den der Richter am Ende der Verhandlung verlas, sicherte der junge Rechtsextreme, dem von der Anklage auch die Leugnung des Holocaust vorgeworfen wird, zwischen 4. und 31. Juli 2022 mit einer geladenen Waffe im Auftrag der Republik unter anderem eine jüdische Volksschule, einen jüdischen Kindergarten sowie Gebäude der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG). Während seines Assistenzeinsatzes gehörte der Angeklagte der Kaderpräsenzeinheit (KPE) Garde an.

Er sei der „Feuerkrieg Division“ beigetreten, weil er sich alleine gefühlt hätte und an seiner Schule gemobbt wurde, trug der Angeklagte den Geschworenen vor. Er habe Anerkennung gesucht. In Nazi-Kreisen reiche es dafür, ein paar Mal „Heil Hitler“ zu sagen. Was er in Chats mit seinen rechten Gesinnungsgenossen an „abwertenden, ungustiösen Dingen“ geschrieben hätte, sei ihm heute „peinlich“ und er schäme sich dafür, so der Angeklagte. „Es tut mir sehr leid. Am Liebsten würde ich den Kopf in den Sand stecken“, stellte der 21-Jährige fest. Er habe inzwischen sämtliche Kontakte „zum rechtsradikalen Personenkreis eingestellt“. Bis zu seiner Inhaftierung hätte er sich auf sein Studium und seine nebenberufliche Beschäftigung konzentriert. Mit der Urteilsverkündung dürfte nach 14.30 Uhr zu rechnen sein.

Aufruf zu „ethnischer Säuberung“

Bei einer Hausdurchsuchung im Mai 2023 waren bei dem jungen Mann aus Wien-Favoriten neben einschlägigem Propagandamaterial und NS-Devotionalien auch Schusswaffen, eine schusssichere Weste, ein Messer und eine Gasmaske sichergestellt worden. Laut Anklage rief er von Dezember 2019 bis zum Februar 2020 in Chats zu Anschlägen gegen jüdische Einrichtungen und Minderheiten und „ethnischen Säuberungen“ in Europa auf, verbreitete Anleitungen zum Bombenbauen und Herstellen von Schusswaffen. Er verherrlichte auch den rechtsextremen Attentäter von Christchurch, der im März 2019 mit Schusswaffen insgesamt 51 Menschen getötet hatte.

Selbst ein terroristisches Attentat geplant zu haben, warf der Staatsanwalt dem Angeklagten nicht vor. Entsprechende Indizien ließen sich nicht nachweisen. Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hatte den Angeklagten im Vorjahr in einer eingehenden Analyse allerdings als Gefährder eingestuft. Der 21-Jährige sei in der rechtsextremen Ideologie „tief verwurzelt“, hieß es dort. Dem jungen Mann wurden eine „ausgeprägte Waffenaffinität“ und „Gewalt- und Allmachtsfantasien“ bescheinigt. Der bisher Unbescholtene befindet sich wegen Tatbegehungsgefahr auch in U-Haft. Vom Angeklagten gehe „immer noch eine Gefahr aus“, sagte der Staatsanwalt.

Verteidiger: Keine „besondere Gefährlichkeit“

Die Verhandlung „geht weit über eine durchschnittliche Verbotsgesetz-Verhandlung hinaus“, betonte der Staatsanwalt. Die - mittlerweile zerschlagene - „Feuerkrieg Division“ sei eine „schwer terroristische rechtsextremistische Vereinigung“ gewesen, deren Mitglieder hätten online „massive Tathandlungen zumindest besprochen“. Der Angeklagte, der sich habe sein Wissen als abgehender Medientechniker und seine Ideen eingebracht und sich engagiert.

„Die Sachen hat er g‘schrieben, das ist so. Da fährt die Eisenbahn drüber“, sagte Verteidiger Peter Kraus. Sein Mandant habe mit 17 Probleme in der Schule und „keinen Anschluss gehabt“. Bei seinem Mandanten sei aber keine „besondere Gefährlichkeit“ gegeben. Die Gefährdungseinschätzung der DSN sei „nicht richtig, weil sie sämtliche entlastenden Umstände auslässt“, urgierte Kraus.

Von sich aus aus Division ausgetreten

Das ist insofern von Bedeutung, als bei einer vom Gericht angenommenen besonderen Gefährlichkeit eine Verurteilung nach dem Verbotsgesetz eine Mindeststrafe von zehn Jahren zu verhängen wäre. Der Verteidiger hob in diesem Zusammenhang hervor, der 21-Jährige habe nach der ersten Hausdurchsuchung von sich aus den Austritt aus einer rechten Burschenschaft erklärt und sämtliche Kontakte zu Gesinnungsgenossen abgebrochen. Er sei zurück zu seinen Eltern gezogen, habe seine Telefonnummer gewechselt und sich freiwillig einem Deradikalisierungsprogramm unterzogen. Der 21-Jährige habe außerdem während eines Assistenzeinsatzes beim Bundesheer Einrichtungen der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) geschützt: „Mit geladener Waffe. Wenn er Anschlagspläne gehabt hätte, wäre es ein leichtes gewesen, die umzusetzen. Hat er nicht gemacht“, sagte Weiss.

Die heimischen Verfassungsschützer waren 2020 auf den damals 17-Jährigen aufmerksam geworden. Die Ausforschung des Angeklagten gestaltete sich schwierig, da er aufgrund seiner Ausbildung seine elektronischen Spuren gekonnt durch Verschlüsselung zu verschleiern vermochte. Auf die Spur des „Feuerkriegers“ kam man erst nach umfassenden, Länder übergreifenden Ermittlungen, dank internationaler Kooperationen und detaillierter Analysen von Chatinhalten. Die wesentlichste Rolle spielte jedoch ein Fehler, der dem HTL-Schüler unterlief. Er hatte sich mit seinem Handy in der Schule einige Mal ins öffentliche WLAN eingeloggt.

„Dreckige Muslime“

„Er teilte mehrere Dateien, die eine rechtsextreme Radikalisierung, Waffenbau, Fallenbau, Unterlagen zu Guerilla-Kriegen sowie Anleitungen zum Aufbau und zur Führung von paramilitärischen sowie nichtmilitärischen Organisationen zum Thema hatten. Darüber hinaus wurden Anleitungen für Waffenmodifikationen mittels 3D-Drucker mit den radikalen FKD-Mitgliedern geteilt“, heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht 2023 über den Angeklagten.

Chats machen das Gewaltpotenzial deutlich, das zumindest im Tatzeitraum in dem jungen Mann steckte. „Soll ich mit den dreckigen Muslimen beten oder mich unter die Juden mischen, wenn sie eines ihrer Treffen abhalten, und ihm eine explosive Wendung geben?“, fragte er einen seiner Gesprächspartner. An einer anderen Stelle riet er: „Oder du mixt einfach Bleiche mit Ammoniak in einer Flasche, schüttelst es ein bisschen und wirfst es in eine Gruppe von Juden.“ Bei der Mischung wird tödliches Chlorgas freigesetzt. An einer anderen Stelle fantasierte der junge Mann, bald werde „die Zeit kommen“, um „die Juden in die Schranken zu weisen“.

Die Auswertung der bei ihm sichergestellten Datenträger ergab, dass er Informationen über rechtsterroristische Anschläge, Amokläufe, Attentäter, Waffen und Schießtrainings regelrecht gesammelt und sich zudem eine Sturmhaube, einen flammenhemmenden Overall, taktische Ausrüstung sowie militärische Kleidung besorgt hatte.

„Ich glaube an den Scheiß nicht“

Nach seiner Festnahme hatte der junge Mann den Ermittlern in einer Einvernahme versichert, er habe nie daran gedacht, das in die Tat umzusetzen, was er in den Chats von sich gegeben hatte: „Ich glaube an den Scheiß nicht.“ An das würden nur „Kinder, geistig Zurückgebliebener und Versager im Leben“ glauben. Als er mitbekommen hätte, dass ein FDK-Mitglied namens „Commander“ - es handelte sich dabei um einen erst 13 Jahre alten estnischen Buben - tatsächlich eine Bombe platziert hatte, die nicht explodierte, habe er mit der Bewegung abgeschlossen.

Aus dem aktuellen Verfassungsschutz geht übrigens auch hervor, dass der Angeklagte an Treffen der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) teilgenommen hatte. Im August 2020 war er bei einem sogenannten Stammtisch der von Martin Sellner gegründeten Nachfolgeorganisation „Die Österreicher DO5“ dabei. Als dieser von Linken angegriffen wurde, soll der Angeklagte ein Messer bzw. einen messerähnlichen Gegenstand gezogen und die Angreifer damit abgewehrt haben. (APA)

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