Gastkommentar

Und irgendwann ist die Mitte weg

Eine neue Studie bestätigt, dass eine Minderheit aus Mittelstand und Mittelschicht die Mehrheit im Land trägt.

Eine aktuelle Studie von ECO Austria belegt durch professionelle statistische Auswertungen, was die Lobby der Mitte schon seit 2008 angeprangert und sich bis heute weiter verschärft:

1.   Die kleiner werdende Mitte der Gesellschaft stützt die wachsende Mehrheit der Sozialleistungsempfänger: Von 4,1 Millionen österreichischen Haushalten sind nur 1,7 Millionen (42% Nettozahler. 58% der Haushalte sind Nettoempfänger von Sozialleistungen oder sonstigen Einkommen aus staatlichen Quellen.

2. Die kleiner werdende Mitte muss ein halbes Jahr für staatliche Umverteilung arbeiten: Die Nettozahler-Haushalte – vorwiegend unternehmerischer Mittelstand und angestellte Mittelschicht – zahlen mit ihren Steuern rund die Hälfte ihres Bruttoeinkommens für öffentliche Leistungen ein. Genau genommen finanzieren sie bis 28. Juni des Jahres andere und können erst danach etwas für sich und ihre Ausgaben erwirtschaften.

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Das soll Umverteilung sein?

Es ist unverantwortlich und gefährlich, dass unser Wohlfahrtsstaat nicht von einer breiten Solidargemeinschaft getragen wird, sondern durch wachsende Ausbeutung der sich längst als Minderheit wiederfindenden Leistungsträger geschaffen wird. Fast ein Drittel aller Arbeitnehmer arbeitet Teilzeit; rund die Hälfte aller steuerpflichtigen Erwerbsfähigen zahlt weder Lohn- noch Einkommensteuern; 1,9 Millionen erhalten sogar eine „Negativsteuer“. Nur 10 % aller Steuerzahler zahlen 60 % der Lohn- und Einkommensteuern. Gleichzeitig stehlen sich viele Superreiche und Konzerne aus der Steuerpflicht, während die KMU und Vollzeitbeschäftigten gnadenlos zur Kasse gebeten werden – bis auch diese nicht mehr in der Lage sind, sich Eigenkapital und Existenz aufzubauen.

So wird die jahrelang von der „Lobby der Mitte“ vermutete Umverteilung von der Mitte zu Arm und Reich zur Gewissheit. Weil die Superreichen mit ihren monopolistischen Organisationen relativ weniger Steuern zahlen als die Mitte. Weil sie als Kapitalgesellschaften, Steueroasen Nutzende und politisch Privilegierte ihre Vorsprünge ausbauen. Weil die Politik für überbordende Sozialleistungen lieber die greifbare Mitte ausbeutet. Was notwendige Investitionstätigkeit, Nachhaltigkeit und Lebensqualität, letztlich unsere Freude an Arbeit, unsere Existenz in Österreich gefährdet.

Das entspricht genau jener schrecklichen Schieflage im Verhältnis der Mitte zu den großen Lobbys, welche die Fäden des Staates in der Hand haben. Aufgezeigt in meiner letzten „Lobby der Mitte“-Repräsentativ-Umfrage, laut der KMU und Mittelstand das höchste Ansehen als „Voranbringer“ genießen, weit vor Politik, Konzernen und Globalfinanz. Gleichzeitig wird ihnen nur eine minimale Lobby-Durchsetzungskraft zugebilligt, weit hinter den Konzernen und dem Rest. Dramatischer kann die Machtverteilung in diesem Land nicht dokumentiert werden.

In der „Schachfigurengesellschaft“ werden der monopolistisch-plutokratische Kopf und der überdimensionierte Bauch, nämlich die mit „Brot und Spielen“ sozial versorgten „Working Poor“, immer größer, während der Hals der Schachfigur, die Mitte, immer dünner wird. Wenn aber die Mitte einmal zerstört ist, werden Österreich und die EU aufgefressen werden – von fleißigen Diktaturen und raffinierten Monopolisten. Nur wenn es der Mitte gut geht, geht es uns allen gut.

Wolfgang Lusak ist Gründer der unabhängigen „Lobby der Mitte“ und Auftraggeber aller zehn bisherigen Mittelstandsbarometer-Umfragen.

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