Ukraine

Orbán fordert Selenskij auf, „einen schnellen Waffenstillstand in Betracht zu ziehen“

Viktor Orbán (li.) zu Besuch bei Wolodymyr Selenskij (re.) in Kiew.
Viktor Orbán (li.) zu Besuch bei Wolodymyr Selenskij (re.) in Kiew.Reuters / Valentyn Ogirenko
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Erstmals seit Kriegsbeginn in der Ukraine reist der ungarische Regierungschef Orbán nach Kiew. Der Anlass: Ungarn hat mit 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Es ist kein Zufall, dass russische Medien ausführlich über Orbáns Eintreffen in Kiew berichteten.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ist am Dienstag in der Ukraine eingetroffen. Als Orbán das letzte Mal Kiew besuchte, war noch der später nach Russland geflohene Viktor Janukowitsch als Präsident im Amt - und die Krim war noch nicht von Russland annektiert. Das war 2015. Es ist also der erste Besuch des ungarischen Politikers in der Ukraine seit neun Jahren – und damit auch der erste seit Beginn des russischen Großangriffs. Es ist eine EU-Aufgabe, die Orbán nach Kiew führt: Ungarn hat zu Wochenbeginn den EU-Vorsitz übernommen.

Orbán wurde zunächst in der ungarischen Botschaft in Kiew in Empfang genommen. Später traf er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij zu Gesprächen zusammen. Orbán und Selenskij sprachen auch über Möglichkeit für einen Frieden mit Russland und aktuelle Fragen der ungarisch-ukrainischen Beziehungen. Bei der anschließenden Pressekonferenz bat Orbán den ukrainischen Präsidenten, einen „schnellen Waffenstillstand“ in Betracht zu ziehen, der die Friedensgespräche beschleunigen könnte. Orbán sagte auch, dass Ungarn gerne bessere bilaterale Beziehungen zur Ukraine hätte und sein Land bereit sei, sich an der Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft zu beteiligen.

Budapest gibt sich Ukraine-kritisch

Die Beziehungen zwischen beiden Staaten sind seit langem angespannt. Budapest kritisiert den Schutz der ungarischen Minderheit in der Ukraine als unzureichend. In dieser Frage sehe Orbán nach dem Gespräch mit Selenskij eine „Chance auf Fortschritt“. Orbán hat Kiew in der Vergangenheit immer wieder mit Kreml-freundlichen Aussagen und einer demonstrativen Nähe zu Wladimir Putin verärgert. Zuletzt hatte der ungarische Ministerpräsident erklärt, dass nur Donald Trump als neuer US-Präsident den Ukraine-Krieg beenden könnte. Orbán gehört zum Lager der Rechtspopulisten und Rechtsnationalen, das sich für Verhandlungen mit Russland einsetzt und dabei wohl auch Gebietsverluste der Ukraine in Kauf nehmen würde. Auch auf EU-Ebene hat Ungarn in der Vergangenheit Handlungen gesetzt, die einer Stärkung der Ukraine zuwiderlaufen. So hat Budapest die Auszahlung von finanziellen Hilfen zeitweilig blockiert und sich gegen weitere Sanktionspakete gegen Russland ausgesprochen.

Dabei ist es ausgerechnet eine EU-Aufgabe, die Orbán nun nach Kiew führt. Am 1. Juli hat Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. In der Vorwoche kam es am Rande des EU-Gipfels in Brüssel zu einem kurzen persönlichen Austausch zwischen Selenskij und Orbán. Indem Orbán als EU-Ratspräsident nach Kiew fährt, hält er formal das EU-Protokoll ein, und versucht gleichzeitig in der Öffentlichkeit Punkte für sein Szenario eines Ausstiegs aus dem Krieg zu machen. Es ist kein Zufall, dass russische Medien ausführlich über Orbáns Eintreffen in Kiew berichteten. Realpolitisch bergen direkte Gespräche auch die Chance einer Normalisierung der Beziehungen zwischen der Ukraine und Ungarn.

Ukrainische Militärflughäfen im Visier Moskaus

Im Krieg gegen die Ukraine hat Russland indes nach eigenen Angaben am Dienstag bei einem Raketenangriff auf dem Flugplatz Myrhorod in der zentralukrainischen Region Poltawa fünf ukrainische SU-27-Kampfjets zerstört. Zwei weitere Jets seien beschädigt worden, teilt das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Eine Videoaufnahme, die das Geschehen zeigen soll, wurde in prorussischen Telegram-Kanälen veröffentlicht. Ein früherer Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte bestätigte auf Facebook den Angriff, relativierte allerdings den Schaden: „Es gibt bestimmte Verluste, allerdings nicht in dem Ausmaß, wie der Feind sich zuschreibt.“ Eine offizielle Stellungnahme gab es bisher nicht.

Zuletzt hat Moskau seine Angriffe auf ukrainische Militärflughäfen verstärkt. Die Ukraine erwartet im Juli die Lieferung von F-16-Kampfjets. Die russischen Luftattacken werfen die Frage nach der sicheren Verwahrung der kostbaren Kampfjets auf. Die Ukraine könnte gezwungen sein, den Standort der Flugzeuge zu rotieren, erläutern Experten. (Reuters/som)

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