Fehlzeiten

Krankenstände steigen und kosten fünf Milliarden Euro im Jahr

GK/„Die Presse“
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Nach Jahren mit vergleichsweise wenigen Krankenständen gab es zuletzt einen deutlichen Anstieg. 15 Tage waren Arbeitnehmer durchschnittlich im Krankenstand. Vor allem die Kurzkrankenstände nehmen zu. Ein Wirtschaftskammer-Funktionär fordert, dass der erste Tag im Krankenstand nicht mehr bezahlt wird.

2023 verbrachten unselbstständig Beschäftigte in Österreich durchschnittlich 15,4 Kalendertage im Krankenstand. Das waren um 4,6 Prozent mehr als 2022 (14,9 Tage). Von 2021 auf 2022 gab es einen sprunghaften Anstieg um 24,6 Prozent. Das zeigt der Fehlzeitenreport, den das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) für die Sozialversicherung erstellt hat.

Laut dem Bericht sind die Krankenstände auf dem höchsten Niveau seit 30 Jahren (siehe Grafik). Der sprunghafte Anstieg der Krankenstände seit der Pandemie ist auf einen statistischen Effekt zurückzuführen: Ab August 2022 wurde Corona als Erkrankung in die Statistik aufgenommen. Davor war man mit Covid per Bescheid abgesondert, die Quarantäne galt nicht als Krankenstand. In den vergangenen beiden Jahren stiegen auch die Krankenstände wegen Grippe stark an. Vergangenen Winter wurden rund 4000 Grippetote in Österreich gezählt.

Während der Pandemie waren die Krankenstände deutlich zurückgegangen, wegen der Schließungen und weil in der Bevölkerung stark auf Hygiene und Abstand geachtet wur­de. Das hat sich seither relativiert. Mit Ende der Maßnahmen seien auch die Infektionserkrankungen zurückgekommen, sagte Andreas Huss, Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse bei der Präsentation des Berichts.

Mehr kurze Krankenstände

Die Krankenstandsquote, die den Verlust der Arbeitszeit durch Krankenstände misst, stieg von 2021 bis 2023 von 3,4 Prozent auf 4,2 Prozent. Im langfristigen Vergleich nehmen vor allem die Kurzkrankenstände zu. Und die Krankenstandsfälle je Versichertem steigen: Die Zahl der Versicherten, die innerhalb eines Jahres mindestens einen Krankenstand meldeten, stieg zuletzt um 3,9 Prozent auf einen neuen Höchststand. Jährlich sind im langfristigen Vergleich etwa sechs von zehn Versicherten mindestens einmal wegen Krankheit oder eines Unfalls als arbeitsunfähig gemeldet, heißt es im Fehlzeitenreport. Der niedrigste Wert wurde 1973 und 1974 gemeldet, da waren es weniger als 53 Prozent. 2023 lag diese „Erkrankungsquote“ bei 71,2 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 1970.

Kurzkrankenstände nehmen zu. „Während 1970 ein Krankenstandsfall im Durchschnitt 18 Tage dauerte, reduzierte sich dieser Wert auf 9,3 Tage im Jahr 2023“, heißt es im Fehlzeitenreport. Gab es im Jahr 2008 noch 358 Kurzkrankenstände je 1000 Versicherte, waren es im Jahr 2023 bereits 680 Fälle.

Auch die Tatsache, dass Atemwegserkrankungen 2023 die häufigste Ursache für Krankenstände waren, spielt eine Rolle für die Zunahme der Kurzkrankenstände: Atemwegserkrankungen fallen mit durchschnittlich 5,4 Tagen relativ kurz aus. Atemwegserkrankungen verursachten im Vorjahr 39 Prozent aller Krankenstandsfälle. Gefolgt von Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes. Psychische Erkrankungen stehen nur für 2,6 Prozent der Krankenstandsfälle, sie dauern aber lang: durchschnittlich 37 Fehltage pro Fall.

Verschärfung gefordert

Unternehmen wie auch die Volkswirtschaft kommen Krankenstände teuer. Im Jahr 2022 summierten sich die Kosten für Entgeltfortzahlungen der Unternehmen für kranke Mitarbeiter laut Fehlzeitenreport auf 4,3 Milliarden Euro, plus das von der Krankenversicherung ausgezahlte Krankengeld mit einer Milliarde Euro. Zusammen entsprach das 1,2 Prozent des Brutto­in­lands­pro­duk­tes.

Laut einer Schätzung der Wirtschaftskammer kostet ein Tag Krankenstand einen Betrieb im Durchschnitt 250 Euro. In Österreich wird im Krankenstand der Lohn bzw. das Gehalt zunächst weitergezahlt. Die Entgeltfortzahlung ist laut Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer (WKO), aber nicht das größte Problem. Sondern der Verlust an Wertschöpfung und die Tatsache, dass Mitarbeiter für kranke Kollegen einspringen müssten. Das verschärfe den Arbeitskräftemangel zusätzlich.

Für den ersten Tag Krankenstand solle es daher künftig keinen Lohn beziehungsweise kein Gehalt geben, forderte unlängst Peter Buchmüller, Präsident der WKO Salzburg, in den „Salzburger Nachrichten“. Die Wirtschaftskammer Österreich schließt sich der Forderung nicht an: „Wir stellen das System der Entgeltfortzahlung nicht infrage“, sagte Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer, am Dienstag. Man erwarte aber, dass alle Beteiligten das Thema Krankenstände korrekt handhaben. (hie)

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