„Isotype“

Otto Neuraths „Wiener“ Methode der Bildstatistik

Bildsprache. Auch der Wandel der Städte war eine Entwicklung in der Moderne, die Otto Neurath in klaren Bildern darstellt.
Bildsprache. Auch der Wandel der Städte war eine Entwicklung in der Moderne, die Otto Neurath in klaren Bildern darstellt.
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Es ist gar nicht so kompliziert, wenn man eine klare Sprache spricht: wie jene visuelle, die Otto Neurath einst formulierte.

Doch ich war gestern im Kino. war schon immer viel zu viel Welt für zu wenig kognitive Kapazität. Dem Menschen schien seine Existenz schon immer recht komplex. Zumindest seitdem er über sie überhaupt nachdenkt. Auch nach dem erssadfsadfasdf ten großen Krieg des 20. Jahrhunderts waren die Verhältnisse alles andere als einfach. Vor allem, weil sie sich allmählich „global“ um die Erdkugel spannten. Damals erfand der Wiener Otto Neurath eine „Wiener“ Methode der Bildstatistik, „Isotype“ nannte er sie. Das „Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum“ gründete er auch in Wien. Und 99 Jahre später kündigt sich allmählich das große Jubiläum im nächsten Jahr an. Mit Büchern etwa. Oder mit einer Ausstellung im September. Als kleiner Vorgeschmack auf das Otto-Neurath-Jahr und die großen Ausstellungen, die es begleiten werden. Gleichzeitig als Rückschau darauf, wie Neurath begann, die Welt zu erklären. In seiner eigenen klaren Sprache, mit Piktogrammen als Bild-Vokabular. Demokratisierung der Information, so beschreiben Historiker heute Neuraths Intention. Und das in einer Zeit, als Diktaturen allmählich begannen, nicht nur das Weltgeschehen zu bestimmen, sondern auch das, was sie als Fakten verkauften.

1939 hatte die Welt schon wieder ganz andere Sorgen, als über sich selbst nachzudenken. Und doch erschien in jenem Jahr das Buch „Modern Man in the Making“ von Otto Neurath. Darin stellte er in einer visuell-universellen Sprache die Weltlage dar, den „modernen Menschen“, der damals hauptsächlich als „Man“ rezipiert wurde. Und die technologischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen, die alles so weit kommen ließen. Der Architekt, Designer und Kurator Theo Deutinger war fasziniert davon. Schon als er vor vielen Jahren zum ersten Mal im Buchantiquariat in Rotterdam darin blätterte.

Bestandsaufnahme. „Modern Man in the Making“ erschien ursprünglich 1939. Und jetzt wieder bei Lars Müller Publishers.
Bestandsaufnahme. „Modern Man in the Making“ erschien ursprünglich 1939. Und jetzt wieder bei Lars Müller Publishers.

Verbalisieren oder visualisieren

Das Bild ist die klarste Sprache. Und mit vielen kleinen Bildern hatte Otto Neurath eine Art „Weltsprache“ erfunden, ist Deutinger überzeugt. In einer Welt, die sich irgendwann schließlich doch auch als „Welt“ selbst wahrnahm. „Ich bin mir sicher, dass Neurath ein Anhänger des Universalismus war“, sagt Deutinger. Die Welt hatte Neurath als „Ganzes“ verstanden – und das „Ganze“ und wie es sich verteilt, ist es auch, was Deutinger seit Langem versucht, visuell, grafisch und inhaltlich mit verschiedenen Projekten darzustellen. In einem seiner letzten knüpft er direkt an Otto Neurath und sein „Modern Man in the Making“ (erschienen bei Lars Müller Publishers) an. Darin erklärt Neurath die Pest und wie Völker um die Erde wandern. Aber auch wie sich Städte entwickeln, die Rohstoffquellen und die tägliche Arbeitszeit des Menschen, die Kartoffelernte und die Stahlproduktion.

Weitergedacht. „Joy and Fear“ von Theo Deutinger knüpft an die visuelle Sprache Neuraths an, Verlag Lars Müller Publishers.
Weitergedacht. „Joy and Fear“ von Theo Deutinger knüpft an die visuelle Sprache Neuraths an, Verlag Lars Müller Publishers.

Doch der „Modern Man“ war auch nur eine Etappe. Die Postmoderne beginnt für Deutinger ohnehin schon bald nach der Erstveröffentlichung, in jenem Jahr, in dem die Atombombe die Zukunft für immer veränderte. Und so fängt auch Deutingers Buch, das an Neurath anschließt, mit dem „Manhattan Project“ an. In „Joy and Fear“ (ebenfalls erschienen bei Lars Müller Publishers) zeichnet Deutinger die Kurven, Entwicklungslinien weiter, die sich bei Neurath als implizite Prognosen mehr als nur angedeutet haben. Es ist der Weg von der Industrie- zur Digitalgesellschaft. „Das Faszinierende dabei ist ja auch, den statistischen Verläufen zu folgen“, sagt Deutinger. Also jenen visuellen „Figuren“, die 1939 schon die Zukunft vorweggenommen haben, ohne dass es Neuraths Intention gewesen wäre. Formuliert hat Deutinger seine eigene Bestandsaufnahme der Postmoderne und Gegenwart mit dem gleichen visuellen Werkzeug wie Neurath. „Ich habe mich möglichst an das Bild-Vokabular gehalten. Was nicht einfach war, wenn man sich gestalterisch zurücknehmen muss“, sagt Deutinger. Wenn die Fakten die laute Stimme bekommen. Und nicht der individuelle Ausdruck des Informationsdesigners.   

Tipp

Ausstellung. Zu Otto Neurath im Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum, Vogelsanggasse 36, 1050 Wien, ab 10. September.

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