Sportgerät

Suunto Wing: Freie Ohren für freies Sporteln

Tom Rottenberg
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„Open Ear“-Kopfhörer kapseln das Ohr nicht ab, sondern lassen Umweltgeräusche an der Musik „vorbei“. Das ist beim Sport ein Beitrag zur Sicherheit. Suunto brachte nun einen Kopfhörer mit Warnblinkanlage und Bewegungs-Aktivierung auf den Markt.

Eines ist der „Wing“ nicht: laut. Das heißt nicht, dass man mit dem finnischen Kopfhörer nicht ordentlich Musik hören kann – aber so richtig gehörsturzbegünstigend-schädeldeckensprengend-ohrenbetäubend laut wird es mit dem „Wing“ eben nicht. Das ist aber kein Fehler, sondern gut so. Denn Sinn und Zweck sogenannter „Open Ear“-Kopfhörer ist es, ihre Nutzer (und natürlich Nutzerinnen) nicht von der Um- und Außenwelt hermetisch (schall)isoliert in ihrer eigenen Welt unterwegs sein zu lassen, sondern – ganz im Gegenteil – das Ohr freizuhalten.

Nicht nur physisch, weil da eben weder ein „Plug“ im oder eine Kapsel über dem Ohr Reize und Geräusche von außen ausblendet, sondern auch akustisch: Mit Open-Ear-Kopfhörern hört man nicht via Trommelfell, sondern (vereinfacht gesagt) über den Backenknochen. Darum sitzt der eigentliche Kopfhörer-Teil der übers Ohr gehängten und mit einem Bügel im Nacken gehaltenen Geräte auch nicht am oder im Ohr, sondern liegt knapp vor der Ohrmuschel plan auf dem Backenknochen auf. Bei Unkundigen weckt das mitunter nicht grundlos Assoziationen zu Hörgeräten: „Knochenschall“, also die Übertragung von Schallwellen über den Schädelknochen, ist in der Hörgerätetechnik ja seit langem bekannt und gängig.

Lebensversicherung an der Backe

Seit ein paar Jahren hält diese Technik auch im (sportlichen) Alltag von Personen ohne Hör-Einschränkung Einzug. Und das mit gutem Grund: Ein offenes, nicht zugepapptes Ohr ist beim Laufen, aber noch mehr am Rad, wichtig: Zu hören, ob, wer und was sich da von wo (!) nähert, kann man getrost als „Lebensversicherung“ bezeichnen: Auch der von seinen Herstellern als „offen“ beworbene In-Ear-Pod schluckt sogar ausgeschaltet immer noch Schall und irritiert als Fremdkörper die Orientierung zumindest minimal. Ein Open-Ear-Gerät dagegen ist – ausgeschaltet – für das Gehör schlicht nicht da. Eingeschaltet, also aktiv, kommen Umgebungsgeräusche immer noch unverfälscht ins Ohr.

Freilich: Darüber, wie sinnvoll es ist, sich ständig zu beschallen, ob es dumm ist, auf dem Rad – noch dazu im Verkehr – mit Musik (egal mit welchem Gerät) den „akustischen Rückspiegel“ in seiner Funktion zu beeinträchtigen, könnte man lange diskutieren. Fakt ist aber: Immer mehr Menschen sind so unterwegs. Aber WENN sich etwas schon nicht vermeiden lässt, ist das WIE nicht unwichtig. Etwa mit Kopfhörern, die das Ohr eben NICHT abdichten … (Ganz abgesehen davon, dass man sie - im Gegensatz zu „Plugs“ - auch nicht verlieren kann.)

Sogar unter einem Integralhelm benützbar

Doch da ist noch etwas: So ein Kopfhörer hat – gerade auf dem Fahrrad – auch Vorteile. Weil das Smartphone (oder die Uhr oder der Radcomputer) nicht nur Musik, sondern auch Trainingsanweisungen und Navigationshinweise gibt. Manchmal – etwa bei eingeschaltetem Fahrrad-Rückblick-Radar – auch Sicherheitswarnungen: Da nicht auf ein Display schauen zu müssen, macht Fahren sicherer. Das – nur nebenbei – auch auf dem Motorrad: Earplugs und Integralhelme sind immer ein bisserl „tricky“, ein Open-Ear-Bügel aber unproblematisch. Man kann damit, so der Wind nicht zu sehr pfeift, sogar während der Fahrt telefonieren.

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Open-Ear-Kopfhörer. In der Regel gilt, dass die billigen nicht lange halten, oft Verbindungsprobleme und kurze Batterielaufzeiten haben und mäßige Tonqualität bieten. Die Benchmark für „sehr gut“ stellt der unangefochtene Marktführer „Shokz“ dar. Genauer: stellte. Denn seit zu Sommerbeginn das traditionell für Sportuhren bekannte finnische Label Suunto den „Wing“ auf den Markt brachte, ist das Rennen offen.

Nicht in Trage- oder Klangqualität, Verlässlichkeit, Bedienerfreundlichleit und Connectivität: da liegen die Geräte gleichauf. Auch dass man zwei Quellen gleichzeitig (z. B. Laptop+Uhr oder TV-Gerät+Handy) mit einem Kopfhörers verbinden kann, ist längst Standard.

Bedienung durch Nicken und Kopfschütteln

Doch mit ein paar kleinen Features setzt Suunto neue Impulse. Da wäre etwa das rote (Blink-)Licht hinter dem Ohr: Bei Tag kaum zu sehen, ist das – abschaltbare – Blinken abends ein weiterer Puzzleteil für mehr passive Sicherheit. Ebenso wie die Option, eingehende Anrufe durch Kopfnicken oder Kopfschütteln anzunehmen oder abzulehnen. Oder durch zweimaliges Kopfschütteln beim Musikhören einen Track weiter zu hüpfen. Dass man da beim Links-Rechts-Links schauen vor dem Queren von Straßen mitunter zum nächsten Lied kommt, ist verkraftbar. Das von Suunto als „revolutionär“ beschriebene Wind-Noise-Cancelling bis 30 km/h ist im direkten Vergleich zwar hörbar, aber nicht so sehr, dass es kaufentscheidend wäre. Ein weiteres Asset der Suunto-Headphones: Sie kommen mit einer Dockingstation, die auch Powerbank ist. Eh fein, aber wer nimmt die beim Sporteln mit?

Was die Usability am Gerät - also Knöpfe am Bügel – angeht, liegt der „Wing“ mit dem Platzhirschen wieder gleichauf: Es ist (systemimmanent) schon meist eine Fiddelei, die kleinen Buttons genau zu erwischen. Das lässt sich – die Bügel sollen ja schmal sein – kaum vermeiden.

Einzig was das Design angeht, merkt man, dass Shokz schon länger auf diesem Markt unterwegs ist als Suunto: Der 199€ teure „Wing“ ist klobiger als die gleich teuren Geräte des Mitbewerbers. Einmal angelegt merkt respektive sieht man das aber nicht.

Beinahe: Suuntos „Wing“ gibt es derzeit nur in einer Größe. Die passt zwar allen, wer aber keine Frisur unter oder über dem Bügel zu „verstauen“ hat, schätzt den engeren, also festeren Sitz anderer Open-Ear-Geräte im Nacken mitunter doch, obwohl man auch lockerer sitzende Geräte nie verliert.

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