Luftfahrt

EU gibt grünes Licht: Lufthansa darf italienische Airline ITA übernehmen

Die AUA-Mutter Lufthansa darf die staatliche italienische Fluggesellschaft ITA übernehmen. 
Die AUA-Mutter Lufthansa darf die staatliche italienische Fluggesellschaft ITA übernehmen. Reuters / Isabel Infantes
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In einem ersten Schritt bekommt die AUA-Mutter zunächst 41 Prozent der Anteile an der ehemaligen Alitalia. Die Wettbewerbshüter aus Brüssel setzen jedoch eine Reihe von Bedingungen voraus.

Die AUA-Mutter Lufthansa darf die staatliche italienische Fluggesellschaft ITA übernehmen. Dazu muss das deutsche Traditionsunternehmen aber eine Reihe von Bedingungen erfüllen, wie die EU-Kommission bekanntgab. Die Wettbewerbshüter aus Brüssel machen etwa zur Voraussetzung, dass die Partner Start- und Landerechte in Mailand-Linate abgeben sowie neuen Wettbewerbern auf der Mittel- und Langstrecke Starthilfe geben. Dafür soll es auch Verhandlungen mit Konkurrenten geben.

In einem ersten Schritt bekommt der Konzern zunächst 41 Prozent der Anteile an der ehemaligen Alitalia. Im Laufe der nächsten Jahre könnte es dann auch zur kompletten Übernahme kommen. Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr sprach bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der italienischen Seite in Rom von einem „Tag mit vielen Gewinnern“. Dazu gehöre auch Europa, das starke Fluggesellschaften brauche, um mit der weltweiten Konkurrenz mithalten zu können.

Flughafen Rom-Fiumicino soll Lufthansa-Drehkreuz werden

Spohr kündigte nach der Erlaubnis durch die EU-Kommission an, den italienischen Hauptstadt-Flughafen Rom-Fiumicino zu einem weiteren Drehkreuz für die Lufthansa auszubauen. „Das wird es uns erlauben, mehr Verkehr in die südliche Hemisphäre zu bringen“, sagte der Konzernchef. Von den neuen Verbindungen würden auch die Kunden der Lufthansa und der ITA profitieren. Für die deutsche Fluggesellschaft sei die Genehmigung durch Brüssel ebenfalls ein Gewinn. „ITA wird uns unterstützen, unsere Position als Nummer 1 in Europa weiter auszubauen.“ Offen ließ Spohr, wer künftig ITA leiten werde. „Es ist noch zu früh, um Namen zu nennen“, sagte er.

Die Verhandlungen und Prüfungen um den Einstieg des umsatzstärksten Luftverkehrskonzerns Europas bei der bisherigen italienischen Konkurrenz ziehen sich schon seit mehr als einem Jahr hin. Die Italia Trasporto Aereo (ITA) ging 2020 aus der staatlichen Fluglinie Alitalia hervor, die immer wieder in schwere Turbulenzen geraten war. Zurzeit hat das Unternehmen noch etwa 4500 Beschäftigte.

Zum Vergleich: Der Lufthansa-Konzern zählt aktuell fast 99.000 Beschäftigte und hat in der Vergangenheit mit Swiss, Austrian Airlines (AUA) und Brussels Airways bereits drei frühere Staatsairlines integriert. Die Marken wie auch die Drehkreuze in den Heimatländern Schweiz, Österreich und Belgien blieben erhalten. Die ITA ist nicht offizielle Rechtsnachfolgerin der Alitalia, hat sich aber die Rechte an dem legendären Namen gesichert, der laut Konzernkreisen bald wieder belebt werden könnte.

Spohr hatte sich zuletzt optimistisch gezeigt, zügig die Genehmigung aus Brüssel zu bekommen. Die Lufthansa verschafft sich mit der Übernahme Zugang zum italienischen Markt, der vor allem wegen der engen Beziehungen in die USA sehr lukrativ ist. Dass mit der ITA eine weitere Airline der von Air France dominierten Allianz „Sky Team“ gebrochen wird, ist ein erwünschtes Nebenergebnis.

Billigflieger verdrängen ITA am Heimatmarkt

Nach Meinung vieler Experten könnte ITA allein nicht überleben. Im Heimatmarkt wurde sie von Billigfliegern wie Ryanair und Easyjet in die zweite Reihe gedrängt. Auf den gewinnbringenden Strecken über den Atlantik tut sie sich schwer, gegen die Macht der sehr viel größeren US-Anbieter anzukommen. Das ist in einem starken Verbund wie mit der Lufthansa erheblich einfacher, wie auch die EU-Kommission anerkannt hat

Gerade an diesem Punkt hatten die EU-Wettbewerbshüter Bedenken angemeldet, weil Lufthansa über dem Nordatlantik in einem Joint Venture auch Absprachen mit United und Air Canada trifft. Auf dem lukrativsten Luftverkehrsmarkt der Welt sind aber auch sämtliche anderen US-Carrier sowie die europäischen Lufthansa-Konkurrenten IAG um British Airways und Air France-KLM aktiv. Die Kommission war im März überzeugt, dass der von anderen Fluggesellschaften ausgehende Wettbewerbsdruck auf Strecken zwischen Italien und den USA sowie von und nach Kanada sowie Japan vernachlässigbar sei.

Zudem hatten die EU-Beamten Bedenken, dass sich bei der Lufthansa auch auf Kurzstrecken zwischen Italien und mitteleuropäischen Ländern zu viel Marktmacht konzentrieren könnte. Konkurrenz gebe es zwar - in erster Linie durch Gesellschaften wie Ryanair - solche Billigfluggesellschaften starteten aber oft von abgelegenen Flughäfen. Lufthansa ist auch seit Jahren mit der eigenen Regionalgesellschaft Air Dolomiti in Norditalien aktiv.

Nachteile für Verbraucher befürchtet

Die EU-Kommission befürchtete vor allem Nachteile für Verbraucher. Denn wenn es nur wenig Konkurrenz auf Strecken gibt und sich viel Marktmacht bei einem Anbieter konzentriert, kann dieser theoretisch Preise über dem marktüblichen Niveau verlangen. Kundinnen und Kunden können dann nicht oder nur eingeschränkt auf günstigere Wettbewerber umsteigen. Auch deswegen gibt es in der EU strenge Wettbewerbsregeln.

Italiens Rechts-Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mutmaßte zwischenzeitlich, dass andere Konkurrenten die Übernahme in Brüssel ausbremsen wollten. Aus Rom gab es auch offene Vorwürfe in Richtung Frankreich und Air France.

Ähnlich wie bei der 2007 übernommenen Swiss handelt es sich bei der ITA um ein saniertes Unternehmen, das schmerzhafte Sparrunden bei Flotte und Personal hinter sich hat. Mit dem gemeinsamen Einkauf und besserer Planung könnte sie schnell operativ Gewinne einfliegen, meinen die Lufthansa-Experten. Und für 2027 sah der gemeinsame Businessplan von Lufthansa und römischem Finanzministerium aus dem Vorjahr bereits einen Umsatz von 4,1 (2022: 1,6) Milliarden Euro vor.

Italienischer Staat bleibt zunächst an Bord

325 Millionen Euro sollen als erste Rate für 41 Prozent der Anteile in das Eigenkapital der Airline mit 71 tiefblau lackierten Flugzeugen fließen. Der italienische Staat, angesichts der schnellen Regierungswechsel durchaus ein Risikofaktor, bleibt zunächst noch an Bord. Ab 2025 kann Lufthansa unter genau definierten Bedingungen die Option für weitere 49 Prozent ziehen und unter Umständen sogar alleiniger Eigentümer der Airline werden. Für die Übernahme der restlichen zehn Prozent vom Staat muss noch die geschäftliche Entwicklung bewertet werden.

Als neuer ITA-Chef ist Lufthansa-Strategiechef Jörg Eberhart im Gespräch, der bereits knapp acht Jahre lang die in Norditalien aktive Regionaltochter Air Dolomiti geleitet hat. Er könnte mit einem weiteren Lufthanseaten in den fünfköpfigen ITA-Verwaltungsrat einziehen. (APA/dpa)

Das Übernahmekarussell in Europas Luftfahrt

2004 – Die französische Air France und die niederländische Fluggesellschaft KLM fusionieren zu Air France-KLM. Auch die KLM-Tocher Transavia wird Teil der Gruppe.

2005Lufthansa erwirbt eine Minderheitsbeteiligung an Swiss Airlines. Die Übernahme wird 2007 abgeschlossen.

2009Lufthansa erhält grünes Licht zum Kauf von Austrian Airlines (AUA) aus Österreich. Zugleich beteiligt sich Lufthansa an der belgischen Brussels Airlines, die sie 2017 ganz übernimmt.

2011 – Der britisch-spanische Luftfahrtkonzern IAG wird gegründet, nachdem British Airways die spanische Iberia geschluckt hat.

2012 – Die Lufthansa kann mit EU-Billigung den Verkauf von British Midland Airways an IAG abschließen.

2013IAG übernimmt 90 Prozent der Anteile am Billigflieger Vueling mit Sitz in Barcelona.

2014 Etihad Airways aus den Vereinigten Arabischen Emiraten übernimmt 49 Prozent von Alitalia, der chronisch defizitären Vorgängerin von ITA Airways.

2015 – Die irische Aer Lingus wird Teil von IAG.

2017 – Die zweitgrößte deutsche Airline Air Berlin geht pleite. Teile von ihr übernehmen Lufthansa und Easyjet.

2020 – Die italienische Regierung verstaatlicht Alitalia, nachdem die Fluggesellschaft 2009 privatisiert worden war.

2023 – Die dänisch-schwedische Fluggesellschaft SAS kündigt einen Rettungsplan an, um ihr Insolvenzverfahren in den USA zu beenden: Der Finanzinvestor Castlelake übernimmt 32 Prozent, Air France-KLM 20 Prozent und der dänische Staat 26 Prozent.

2024 – Die EU-Kommission prüft noch die Übernahme von Air Europa durch IAG in Spanien.

2024 – Portugals Staatsairline TAP soll privatisiert werden. Air France-KLM, IAG und Lufthansa sind interessiert. TAP hält die Beteiligung eines Finanzinvestors für sinnvoll.

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