Public Viewing

Österreich vs. Türkei: Bilanz einer lauten Nacht

Beim Public Viewing vor dem Hauptbahnhof kam es zu einem Großeinsatz der Polizei.
Beim Public Viewing vor dem Hauptbahnhof kam es zu einem Großeinsatz der Polizei. APA / Roland Schlager
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Obwohl es Festnahmen und auch 18 Verletzte gab, zog die Wiener Polizei eine „positive Bilanz“.

Als in der Nacht auf Mittwoch der Traum der österreichischen Fußballnationalmannschaft und jener ihrer Fans platzte, waren allein in den offiziellen Public-Viewing-Zonen in Wien 18.000 Menschen versammelt. Massenausschreitungen am Rande des Spiels „Österreich–Türkei“ blieben aus, etliche punktuelle Einsätze der Exekutive waren aber notwendig.

Insgesamt kam es zu drei Festnahmen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt (Strafdrohung: bis zu fünf Jahre Haft). Bei einer dieser Amtshandlungen wurde ein Polizist leicht verletzt. Insgesamt 18 Anzeigen wegen strafbarer Handlungen, eben wegen Körperverletzung oder Widerstands gegen die Staatsgewalt, wurden vorerst gezählt. Weitere 27 verwaltungsrechtliche Anzeigen gab es wegen verschiedener Formen der Störung der öffentlichen Ordnung.

Polizei zog trotz allem: „Positive Bilanz“

Insgesamt zählte man während des in Leipzig ausgetragenen EM-Achtelfinalspiels (es endete bekanntlich 2:1 für die Türkei) im Bereich der Wiener Public-Viewing-Zonen 18 Verletzte. Dennoch sprach die Landespolizeidirektion am Tag danach von einer „positiven Bilanz“. Angesichts der großen Zahl an Fußballanhängern, die auf den Rathausplatz (größte Fanzone, Kapazität: 14.500 Personen), in den Prater oder vor die Monitore am Hauptbahnhof-Areal geströmt waren, sei dies weniger dramatisch, als es auf den ersten Blick wirke. Fazit: Die weitaus meisten Menschen haben sich an Provokationen, Beschimpfungen oder Handgreiflichkeiten nicht beteiligt.

Brisant war die Lage vor dem Bahnhof. Als der Platzsprecher erfolglos zu beruhigen versuchte, probierte es ein Kollege auf Türkisch. Es gebe einige wenige hier, die andere provozierten, hieß es danach wieder auf Deutsch, „aber die beachtet man nicht. Weil was passiert dann? Dann verstummen sie. Wir sind hier wegen des Spiels. Lasst euch nicht durch einzelne Personen alles kaputt machen.“ Großer Jubel. Wenig später schritt die Polizei ein, um zwei Rädelsführer aus der Menge zu holen.

Unübersichtliche Lage

Das Publikum war klar gespalten zwischen den großteils türkischen Fans und jenen, die Österreich unterstützten. Wobei die Lager auf den ersten Blick gar nicht so offensichtlich waren. Denn vor allem die syrische und irakische Community schien die österreichische Mannschaft mit Fahnen und Geschrei anzufeuern.

Klar ist aber auch: Der Schlusspfiff brachte keine Entspannung. Vor allem in der Public-Viewing-Zone beim Bahnhof wurde es hitzig. „Türkiye, Türkiye“, rief die Menge. Türkische Fahnen wurden geschwenkt. Ein Teil der Zuseher, vor allem diejenigen, die Kinder dabei hatten, verließen rasch den Bahnhofsvorplatz.

Aus gutem Grund. Keine fünf Minuten später geriet die erste Gruppe Männer aneinander. Flaschen und Dosen flogen durch die Luft. Die Polizei rannte mit ihren Einsatzhelmen im Gänsemarsch durch die Menge, um die Streithähne zu trennen. Da brach an einer anderen Stelle schon das nächste Handgemenge aus: Rufe, Geschrei und Menschen, die plötzlich losrannten. Wer nicht aufpasste, wurde gestoßen.

Vor der Veranstaltung hatte es Appelle zur Mäßigung gegeben. Die Türkische Kulturgemeinde (TKG) hatte die in Österreich lebenden Türken bereits im Vorfeld zu „Mäßigung und Empathie“ aufgerufen. „Österreich ist unsere zweite oder neue Heimat, und deshalb darf es nach dem Spiel heute Abend keine Ausschreitungen, kein inakzeptables Verhalten, keine Taten und Worte auf den Straßen, kein übertriebenes Hupen auf den Straßen geben.“

Flucht vor Scharmützeln

Nach Spielende drohte die Situation dennoch zu eskalieren. Unorganisiert sammelten sich Grüppchen zusammen, immer wieder rannten Menschen auf dem noch vollen Platz los, um sich vor kleineren Scharmützeln oder der Polizei in Sicherheit zu bringen. Denn die war schnell mit Verstärkung aufgefahren und bildete immer wieder Kreise und Linien, um Personengruppen zu trennen. Fünf bellende Polizeihunde an vorderster Front dienten der Abschreckung.

Dabei war selten klar, worum es genau ging. Nur so viel: „Die Türkei und Österreich hatten eine ganz normale Veranstaltung. Aber es sind dann syrische, irakische und kurdische Gruppierungen gekommen, mit terroristischen Flaggen der PKK. Sie haben ,Syrien‘ und ,PKK‘ geschrien, und es ist zu Provokationen gekommen“, erklärte ein junger Mann seine Sichtweise. Da mischten sich prompt zwei andere Männer ein. „Ich komme aus Syrien, und das sind keine Syrer. Die haben nichts mit Syrien zu tun“, erklärte einer.

Spontane Party in Innerfavoriten

Der Großteil der Fans vor dem Hauptbahnhof verlagerte sich nach Abpfiff in Richtung Innerfavoriten. Dort feierten spontan um die tausend Personen im Bereich zwischen „Hotspot“ Reumannplatz und Keplerplatz den Sieg der türkischen Nationalmannschaft.

Ab Mittwochmorgen sorgte dann jene Geste für Debatten, die der türkische Spieler Merih Demiral auf dem Spielfeld gezeigt hatte: den – in Österreich verbotenen – Wolfsgruß, das Zeichen der türkisch-ultranationalistischen Grauen Wölfe (mehr dazu hier). Grünen-Gemeinderätin Berivan Aslan hatte auf der Plattform X Demiral wegen dessen Geste als „klaren Verlierer“ kritisiert.

Der FPÖ-Parteiobmann von Favoriten, Stefan Berger, kündigte an, der Polizei Bilder zu übermitteln, auf denen der Wolfsgruß zu sehen sei. Die Polizei erklärte am Mittwoch, dass es vorerst diesbezüglich noch keine Ermittlungen gebe.

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