Anschuldigungen

Nach Mobbingvorwürfen: Kommt Keersmaeker zu Impulstanz?

Zwei Stücke von Anne Teresa De Keersmaeker stehen auf dem Spielplan des Impulstanz-Festivals.
Zwei Stücke von Anne Teresa De Keersmaeker stehen auf dem Spielplan des Impulstanz-Festivals.Anne Van Aerschot
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Toxische Arbeitsatmosphäre, autoritärer Führungsstil und Body-Shaming: Das sind unter anderem die Vorwürfe gegen die international gefeierte Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker.

Über vier Jahrzehnte erstreckt sich das Œuvre der flämischen Tänzerin und Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker. Doch schon seit einiger Zeit werfen schwere Vorwürfe einen Schatten über die international gefeierte Künstlerin, die mit zwei Stücken beim Impulstanz-Festival in Wien angesagt ist. „De Standaard“ machte die Anschuldigungen öffentlich. Die belgische Zeitung berichtete unlängst von einer „toxischen Atmosphäre“ und unschönen Szenen hinter den Kulissen von Rosas, jener Compagnie, die Keersmaeker 1983 gegründet hat und deren künstlerische Leiterin sie noch immer ist.

In einem langen Artikel ist von einer unsicheren Arbeitsatmosphäre während der Pandemie und Beschwerden über „psychologischen Missbrauch“ durch Keersmaeker die Rede. Neben Cynthia Loemij, die seit 1991 mit dabei war, hätten seit 2022 „mindestens sieben“ Mitglieder die Compagnie verlassen, weil sie nicht mehr auf einer täglichen Basis mit Keersmaeker arbeiten konnten oder wollten, schreibt „De Standaard“. Auch im Mitarbeiterstab habe es Abgänge gegeben, dazu kamen Zerwürfnisse mit dem Management.

„Das Gefühl, wertlos zu sein“

Das Problem dürfte schon länger bekannt sein. Bereits 2022 habe es wegen Beschwerden über Keersmaeker eine anonyme Befragung von Mitarbeitern gegeben, berichtet die Zeitung. Die Klagen reichten von „unzureichende psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz“ (Keersmaeker soll Covid-Regeln und Sicherheitsmaßnahmen ignoriert und Erkrankten die Schuld an der Infektion gegeben haben) über verletzende und übergriffige Bemerkungen bis hin zu Bodyshaming und einer „Kultur des Schweigens“. Keersmaeker sei von Tänzern als passiv-aggressive, autoritäre und unvorhersehbare Führungsperson beschrieben worden. Ein Mitglied der Compagnie wird mit den Worten zitiert: „Keersmaeker konnte einem wirklich das Gefühl geben, wertlos zu sein.“

Auf der Website der Compagnie wurde kurz nach Erscheinen des Artikels ein „Statement on Wellbeing at Rosas“ veröffentlicht. Keersmaeker, das Management und die Direktoren von Rosas seine „überzeugt, dass künstlerische Arbeit in einer sicheren und respektvollen Umgebung entstehen muss“, heißt es da. Man nehme das „sehr ernst“ und habe nach Bekanntwerden der Vorwürfe im direkten Dialog mit Keersmaeker nach Lösungen gesucht. Unter anderem arbeite man mit externen Experten und Psychologen zusammen, um das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu gewährleisten. In dem Statement ist auch von einem „großen finanziellen Defizi 2022“ die Rede – laut „De Standaard“ belief sich der Verlust in diesem Jahr wegen der Corona-Absagen und der Inflation auf beinahe 400.000 Euro.

Keersmaeker selbst hat seit der Veröffentlichung kein Statement abgegeben. Sie stehe derzeit nicht für Interviews zu Verfügung, heißt es.

Keersmaekers enge Verbindung nach Wien

Zu Wien hat Anne Teresa De Keersmaeker eine enge Verbindung. Als diszipliniert, kompromisslos und konzentriert auftretende Künstlerin wird sie vom Publikum hoch geschätzt. 2015 wurde sie auch offiziell geehrt – mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Allein beim Impulstanz-Festival war Keersmaeker bereits mit mehr als 30 Produktionen zu Gast. „Kaum eine andere Choreografin hat den zeitgenössischen Tanz so geprägt wie sie“, schreibt Impulstanz-Intendant Karl Regensburger in einem Statement, das der „Presse“ vorliegt und in dem er auf die nun laut gewordenen Vorwürfe gegen Keersmaeker reagiert. Deren Compagnie wurde heuer mit zwei Produktionen zum Festival eingeladen – „Il Cimento dell‘Armonia e dell‘Inventione“ sowie der Lecture Performance „Vocabularium“. Noch bevor die Vorwürfe bekannt geworden seien.

Im Ö1-Morgenjournal am Donnerstag äußerte sich Regensburger in der Causa gewohnt diplomatisch. Es sei wohl ein „enormer Druck, immer erfolgreich sein zu müssen“. Das bringe Macht, aber auch sehr viel Verantwortung mit sich. Keersmaekers Umgang mit der Pandemie sei „hinterfragenswert“. Sie sei „ein Genie, eine große Künstlerin“, aber das heiße nicht, dass das alles zu akzeptieren sei.

Karl Regensburger: Performances von Rosas finden statt

In seinem Statement bekennt sich Regensburger dazu, die geplanten Performances von Rosas nicht abzusagen. „Die bereits gesetzten Schritte von Rosas und die Ernsthaftigkeit, mit der sie sich diesen Themen und Vorwürfen annehmen, hat uns schlussendlich überzeugt“, heißt es da. Man nehme die Auseinandersetzung „sehr ernst“ und sei sich der dahinterliegenden Probleme bewusst. Man arbeite daran, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern. „Sowohl bei Rosas als auch im gesamten Kunst- und Kultursektor.“

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