Literatur

Wie man im 19. Jahrhundert Emojis machte

Guillaume Apollinaire, fotografiert von Pablo Picasso im Jahr 1910.
Guillaume Apollinaire, fotografiert von Pablo Picasso im Jahr 1910.PVDE Succession Picasso/DACS,London/Bridgeman Images/Imago
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Guillaume Apollinaires „Briefe an Lou“, erstmals in deutscher Sprache erschienen, sind eine verspätete Trouvaille.

Ja, meine lieben Kinder und Zeitgenossen der KI, in einer fernen Vergangenheit, irgendwo zwischen der Schlacht im Teutoburger Wald und dem Siegeszug des Big Mac, gab es Briefe, in denen nicht bloß zur Ablesung des Stromzählers aufgefordert oder zum Kauf eines Lotterieloses eingeladen wurde und die anstelle von Emojis und einer Stummelsprache lange, kunstvolle Sätze enthielten. Eine Untergattung dieser Kommunikationsform war der Liebesbrief. Liebesbriefe hat Franz Kafka an Felice Bauer und an Milena Jesenská geschrieben, Marc Chagall an seine Frau Bella, Frida Kahlo an die geliebten Männer ihres Lebens, und Viktor Schklowski hat solche an Alia, die spätere Elsa Triolet, zu einem der schönsten Romane des 20. Jahrhunderts komponiert: „Zoo oder Briefe nicht über die Liebe“. Auch der wahrscheinlich ergreifendste erdichtete Liebesbrief stammt aus der russischen Literatur: Tatjanas Brief an Eugen Onegin in Puschkins Poem und in Tschaikowskis Oper. Einer der bedeutendsten Avantgardisten der französischen Literatur, Guillaume Apollinaire, war, wie sein Zeitgenosse Paul Éluard (Ehemann von Gala Éluard Dalí), ebenfalls Verfasser von Liebesbriefen.

Der schlichte Titel des mehr als 500 Seiten dicken Buchs, das jetzt, fast 106 Jahre nach Apollinaires Tod durch die Spanische Grippe und 55 Jahre nach der französischen Originalausgabe, erstmals in deutscher Übersetzung erschienen ist, lautet schlicht „Briefe an Lou“. Lou – das ist Louise de Coligny-Châtillon, Apollinaires leidenschaftliche Liebe zur Zeit des Ersten Weltkriegs.

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