Ana Marwan

Wann es erlaubt ist zu petzen – und wann nicht

Ich war im Job faul, jahrelang, und dann meinte eines Tages meine Kollegin, sie müsste etwas darüber der Chefin erzählen. Meine Empörung drückte sich angesichts mangelnder Argumente nur in einem simplen Schimpfwort aus: Petze.

Es sprachen in einer Gruppe mit mehreren Teilnehmern zwei Richter und eine Richterin über eine andere Richterin, die es „mit den Regeln nicht so genau nimmt“. Interessant, oder? Sie hatte im Fall eines Autodiebstahls in ihrem Büro eine Frau empfangen, die sich als Mutter der Täterin vorstellte.

Ich möchte hier nicht darüber reden, wie zuerst das Geschlecht durch einige verwunderte Fragen der Gesprächsteilnehmer:innen klargestellt werden musste. Wie schwierig es ist, manchmal auf einen Punkt zu kommen, wenn der Weg dorthin von vielen Rufzeichen gestört wird. Will sagen: Wie schwierig es ist, eine Geschichte neutral zu erzählen, wenn eine Frau da bloß mit ihrem Geschlecht Unruhe stiftet. (Vielleicht wäre es sogar jetzt, in diesem Moment, schlauer gewesen, bloß und Geschlecht mit anderen Worten zu ersetzen. Aber vielleicht hilft mir auch ausgerechnet diese Ablenkung, meinen Punkt zu bestärken.) Lass uns nur bitte so auf die Schnelle diese zwei Sätze vergleichen:

Mein Vater ist ein leidenschaftlicher Schachspieler, manchmal spielt er mit unserem Nachbarn die ganze Nacht durch.

Und:

Meine Mutter ist eine leidenschaftliche Schachspielerin, manchmal spielt sie mit unserem Nachbarn die ganze Nacht durch.

Was war eigentlich mein Punkt? Frauen sollen auch Autos stehlen dürfen, ohne dass man sich wundert, war das mein Punkt?

Eigentlich wollte ich gar nicht darüber reden.
Ich wurde getriggert.

Ich bin unschuldig.

Also. Nach dem Gespräch der Richterin mit der Mutter der Diebin wurde diese freigesprochen.

Die Ähnlichkeit zum richtigen Scherz ist nur formeller Natur

Bevor ich wieder einen Versuch wage fortzufahren, möchte ich anmerken, dass mir die Gravitas der geschilderten Situation völlig bewusst ist, das betrifft sowohl die fragliche Integrität der Richterin als auch den Diebstahl, alles, was als Humorversuch rüberkommen könnte, ist einfach nur ein Symptom meiner Unfähigkeit, mit gravierenden Situationen anderswie zurechtzukommen als durch Essays, die als Scherz anfangen, aber die Ähnlichkeit zum richtigen Scherz ist nur formeller Natur, sie verhalten sich ähnlich wie Sentenzen zur Weisheit, ich versichere es Ihnen.

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