Am Spieltisch

Die Klimawende im Wohnzimmer

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Statt Ohnmacht endlich handeln. In „e-mission“ bekämpft man als Weltmacht gemeinsam mit anderen den Klimawandel.

Was, wenn wir den Klimawandel stoppen könnten? Im Spiel „e-Mission“ schlüpfen wir in die Rollen von Europa, China, den USA oder des Globalen Südens und haben die Möglichkeit, die Energiewende herbeizuführen – mit vereinten Kräften.

Die Zeit dafür ist knapp. In sechs Runden müssen wir unsere Volkswirtschaften umkrempeln, von der Industrie bis zum Wohnen, sodass nicht mehr CO2 ausgestoßen wird, als Wälder und Meere aufnehmen können – gleichzeitig braucht es ausreichend erneuerbare Energien. Ein großes Spielfeld in der Mitte bildet den gemeinsamen Aktionsradius wie auch die Bedrohungen ab, zudem hat jede Weltmacht ein eigenes Tableau, auf dem nationale Maßnahmen abgehandelt werden.

Am Rundenanfang einigen wir uns zunächst immer auf ein globales Projekt, etwa ein Investitionsprogramm gegen industrielle Emissionen. Dann setzt jeder in seiner Weltregion eigene Maßnahmen. All das funktioniert mit einem einfach Karten-Drafting-Mechanismus. Wir können einerseits Projekte starten, zum Beispiel Wälder aufforsten, Solarparks bauen, Geo-Engineering betreiben oder Krisenfonds einrichten, indem wir Karten ausspielen. Andererseits können wir bereits vorhandene Projekte stärken, indem wir Karten mit den erforderlichen Symbolen darunter legen, um deren Effektivität zu steigern. Bei all den guten Maßnahmen darf auch nicht auf die innenpolitischen Faktoren vergessen werden. Jede Runde steigt der Energiebedarf bei der Bevölkerung, es reicht also nicht, einfach nur „schmutzige Emissionen“ abzubauen.

Seine Gesellschaft, Natur und Infrastruktur muss jede und jeder am eigenen Spielertableau – in Form von Plättchen, die man sammelt – im Auge behalten. Krisen können einfacher überstanden werden, wenn diese Bereiche ausreichend befüllt sind. Ansonsten treten nationale Notstände ein, und der politische Aktionsradius verringert sich – was bedeutet, dass einem weniger Karten mit Projekten und Ressourcen zur Verfügung stehen. Sind die Maßnahmen gesetzt, und dadurch im Idealfall einzelne Wirtschaftsbereiche schon grüner geworden, schlagen die Emissionen zu, die Temperatur steigt, und Krisen, wie Hitzewellen oder Wasserverschmutzung, folgen. Im schlimmsten Fall werden Kipppunkte überschritten. Je nachdem, wie hoch die Temperatur ist, muss der Kipppunkte-Würfel mehr oder weniger oft gerollt werden. Arktische Eisschmelze, das Auftauen der Permafrostböden, die Versauerung der Meere oder die Zerstörung anderer sensibler Ökosysteme zerstören dann Wälder und Meere – die auch in Form von Plättchen ausliegen. Kann allerdings alles in der Phase der Emissionen alles CO2 gebunden werden, ist der Wendepunkt erreicht, und wir sind knapp davor, die Welt zu retten. Gelingt das nicht, scheitern wir spätestens in Runde Sechs, wenn die Erde sich um zwei Grad erwärmt hat, dann ist Schluss.

Der US-Amerikaner Matt Leacock, der „e-Mission“ gemeinsam mit seinem Landsmann Matteo Menapace entwickelt hat, zählt zu den einflussreichsten Spieleautoren der Gegenwart. Mit dem 2008 erschienenen „Pandemie“ erfand er das kooperative Spiel neu. Darin sind zwei bis vier Mitspielende in unterschiedlichen Rollen, zum Beispiel als Ärztin oder Krisenmanager, mit Seuchen konfrontiert, die sich rasend schnell über den Globus ausbreiten. Städte müssen abgeriegelt, Quarantänen verhängt und Impfstoffe entwickelt und verteilt werden. Wie nah an der Realität dieses Spiel in einigen Zügen ist, zeigte uns die Covid-Pandemie. Die Brettspiel-Pandemie erhielt zahlreiche Ableger und der Trend, dass man als Gruppe gegen das Spiel antritt, anstatt gegeneinander, ist bis heute ungebrochen.

Trotz der Einfachheit der Regeln schafft „Pandemie“, das im Grunde über eine Arbeiter-Einsatz-Mechanik funktioniert, eine enorme Spieltiefe. Ähnlich, nur mit anderen Spielemechanismen, ist auch „e-Mission“ rasch erlernbar und bildet aber trotzdem eine komplexe globale Situation ab. Das Steigen der Bedrohung ist eine Parallele zwischen den beiden Spielen – bei „Pandemie“ durch die kartengesteuerte Ausbreitung und den Ausbruch von Seuchen, und bei „e-Mission“ durch den Anstieg der Temperatur – dessen Ausmaß davon abhängt, wie hoch die Emissionen sind, und ob diese von den vorhandenen Meeren und Wäldern gebunden werden können.

Das Clevere an „e-Mission“, das zum Kennerspiel des Jahres nominiert ist: Alle Maßnahmen und Krisen fußen auf Fakten, die über QR-Codes auf den Spielkarten abrufbar sind. „e-Mission“ will zwar keine Simulation realer Verhältnisse sein, wie man im Regelheft betont, doch bisher hat kein Brettspiel das Thema Klimawandel so produktiv und informativ aufgegriffen. Die eigentliche Stärke des Spiels liegt darin, dass der Kampf gegen den Klimandel richtig viel Spaß macht.

Matt Leacock, Matteo Menapace

e-Mission

1–4 Personen,
120 min, € 75 (Schmidt Spiele)

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