Fußball-EM

Jude Bellingham: England erwartet seine Genieblitze

Jude Bellingham: Bei dieser EM bis auf eine Ausnahme eine große Enttäuschung.
Jude Bellingham: Bei dieser EM bis auf eine Ausnahme eine große Enttäuschung.GEPA pictures / Bildbyran/ Jesper Zerman
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Im Viertelfinale muss sich England gegen die Schweiz beweisen, ansonst ist auch bei dieser EM ein weiterer großer Fußballtraum bei einem Großereignis zerplatzt. Es hängt fast alles am Geschick des Real-Spielers Jude Bellingham, doch der 21-Jährige kommt mit dieser Situation nicht zurecht. Und dann streuen Könner wie Gary Lineker auch noch Salz in die Wunden.

„Ich habe eine Mannschaft gesehen, die wie verlorene Seelen auftritt. Es scheint so, als ob sie nicht wüssten, was sie da machen oder wie sie als Team spielen sollten.“ Englands Fußball-Ikone Gary Lineker ist populär geworden, weil er sich kein Blatt vor den Mund nimmt und selbst vor Konflikten mit der Regierung nicht zurückschreckt. Auch seine Kritik am Auftritt der „Three Lions“ bei dieser Fußball-EM rief Emotionen hervor. England spielt fad und einfallslos, die meisten Spieler treffen nicht. Vier Tore in 390 Minuten sagen alles. Und darum herrscht im „Mutterland des Fußballs“ vor dem Viertelfinale gegen Schweiz eher gedämpfte Euphorie. Lineker kannte kein Pardon: „Wir sehen so verloren aus. England ist nur Außenseiter.“

Fußball kennt in England keinen Schonwaschgang. Die Premier League begeistert die Massen, Klubs aus Liverpool, Manchester und London bewegen Fans und Klubkassiere. Champions-League-Siege, Erfolge in Europa- und Conference-League: Klubs von der „Insel“ sind immer mittendrin. Doch treffen sich diese Spieler im Nationalteam, endet der Aufschwung jäh. Der letzte zählbare Erfolg trägt verstaubte Verklärung, es war die Heim-WM 1966.

Sogar Eriksson und Capello scheiterten

Dass die Mannschaft von Gareth Southgate das EM-Finale 2020 verloren hat – als bessere Mannschaft, die 85 Minuten lang überlegen war – passt in das englische Stillleben auf dem Fußballplatz. Enttäuschung ist der zwölfte Mann, mit der alle Stars – ob Lineker, Gascoigne, Beckham oder jetzt Jude Bellingham – umzugehen lernen mussten. Die Misere allein nur den englischen Trainern, von denen gewann noch kein einziger die Premier League (seit 1992), in die Schuhe zu schieben, wäre einfach und auch falsch. Mit Sven-Göran Eriksson und Fabio Capello scheiterten auch zwei Welttrainer am Vorhaben, diesem Nationalteam Erfolg beizubringen.

Reicht ein Treffer zur Glückseligkeit? England freut sich, man leidet - man braucht mehr Tore von Jude Bellingham.
Reicht ein Treffer zur Glückseligkeit? England freut sich, man leidet - man braucht mehr Tore von Jude Bellingham.APA / AFP / Ina Fassbender

Am Samstag (18 Uhr) geht es im Viertelfinale von Düsseldorf jetzt also gegen die Schweiz, die ebenfalls noch ohne Niederlage ist und zuletzt Titelverteidiger Italien verdient mit 2:0 besiegte. England ist beunruhigt, man sucht wie immer Stützen und Halt. Man reibt sich an Southgates Starre und Einfallslosigkeit und klammert sich an Real-Star Jude Bellingham. Er enttäuschte zwar rundum bei diesem Turnier, weil er der Rolle als Spielgestalter davongelaufen war und sich in der Masse gekonnt versteckt, doch seit seinem Fallrückzieher gilt er doch wieder als (einziger) Erlöser der gequälten Fußballseele.

Arrogant, kein Leader

Er ist 21 Jahre alt, kommt aus dem beschaulichen Stourbridge und spielt seit 2020 im Nationalteam. Fußballerisch ist der Champions-League-Sieger und Klubkollege von David Alaba über jeden Zweifel erhaben. Das Problem, das Beobachter allerdings nicht ausblenden wollen: er wird von vielen als „arrogant“ empfunden. Und das zeige er auch im Spiel. Mit Worten, oder plumpen Gesten und Griffen, etwa in Richtung der eigenen Genitalien.

Sein Aufstieg via Dortmund und Madrid wurde mit Applaus in England bedacht, doch mit größer werdendem Druck und näher rückender Ernüchterung bei einem Großereignis beginnt auch er sich abzuschotten. Dabei, er ist längst mehr als nur ein Fußballer. Unterwäschemodel für Reality-TV-Star Kim Kardashian und Adidas-Model, bei real mit der Nummer 5 (die gehört Zinedine Zidane!) gesegnet. Und für einen Fallrückzieher wird er als Held gefeiert, der gegen die Eidgenossen tunlichst seiner Vorhersehung Folge leisten möge.

(dpa/gua/fin)

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