Fernerkundung

Arten-Monitoring: Mit Notizblock und Kamera geht’s nur noch selten ins Gelände

Infrarotbilder helfen dabei, fotosynthetische Aktivität zu registrieren. Das Signal wird schwächer, wenn Pflanzen wegen Trockenheit, Hitze, schlechter Böden oder Schädlingsbefall ihre Fotosyntheseaktivität verringern.
Infrarotbilder helfen dabei, fotosynthetische Aktivität zu registrieren. Das Signal wird schwächer, wenn Pflanzen wegen Trockenheit, Hitze, schlechter Böden oder Schädlingsbefall ihre Fotosyntheseaktivität verringern.Ute Woltron
  • Drucken

Künstliche Intelligenz soll helfen, den Artenreichtum in Österreichs Wiesen und Wäldern zu erhalten. Bilder aus der Luft, aufgenommen von Drohnen und Satelliten, liefern dafür die Daten.

Dem Erhalt der Biodiversität hat sich ein Team der steirischen Forschungsgesellschaft Joanneum Research verschrie­ben: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln Tools, die es ermöglichen, den Pflanzen- und Tierbestand in überwachten Gebieten wesentlich genauer als bisher zu beobachten und zu dokumentieren. „Damit können wir rechtzeitig und punktgenau erkennen, wenn die Artenvielfalt irgendwo in Gefahr gerät, und wir können den Entscheidungsträgern eine Datengrundlage zum Ergreifen von sinnvollen Gegenmaßnahmen an die Hand geben“, sagt Manuela Hirschmugl vom Institut Digital. „Unsere Arbeit trägt also dazu bei, die Lebensgrundlage des Menschen zu sichern. Denn der Rückgang der Artenvielfalt und der Klimawandel sind nicht entkoppelt. Wir dürfen es nicht riskieren, dass das Klima noch mehr aus dem Gleichgewicht gerät und die Nahrungskette kippt.“ Zudem erlauben diese Tools ein Monitoring gesetzlich vorgeschriebener Renaturierungsmaßnahmen, so wie sie in der kürzlich beschlossenen EU-Verordnung verankert sind.

Die Forscherinnen und Forscher setzen dabei auf künstliche Intelligenz (KI). Sie soll anhand von Daten aus unterschiedlichen Quellen unter anderem bestimmen, wie artenreich Wiesen sind, wie sich der Baumbestand in Wäldern zusammensetzt oder wie es um Vegetationsdichte und -struktur steht. Beim Sammeln jener Informationen, mit denen die Algorithmen gefüttert werden, hilft modernste Technologie: „Wir erheben die Daten mittels Fernerkundung“, erklärt Hirschmugl. „Das heißt, wir verwenden Bilder von Satelliten, und wir nutzen Laseraufnahmen, die von Drohnen oder Flugzeugen aus gemacht werden. Mit Notizblock und Kamera ins Gelände, so wie das früher üblich war, schicken wir nur noch gezielt, um Kosten zu sparen.“

Satellitenbilder erlauben Rückschlüsse

Die Satellitenbilder stammen aus dem Erd­beobachtungsprogramm Sentinel-2. Die Aufnahmen aus knapp 800 Kilometern Höhe sind nicht scharf genug, um einzelne Pflanzen zu identifizieren, liefern mit ihrem Zehn-mal-zehn-Meter-Raster aber genügend Informationen, damit die mit Tausenden Beispielbildern trainierte KI Aussagen über die Artenvielfalt ableiten kann. „Insbesondere lassen sich aus diesen Fotos Rückschlüsse auf die Spezieszusammensetzung und auf die Vitalität des Pflanzenbewuchses ziehen“, sagt die Forsche­rin. Dabei sind unter anderem Infrarotbilder hilfreich. „Dieses Licht im nicht sichtbaren Bereich registriert fotosynthetische Aktivität. Das Signal wird schwächer, wenn Pflanzen wegen Trockenheit, Hitze, schlechter Böden oder Schädlingsbefall ihre Fotosyntheseaktivität verringern. Sogar ein Borkenkäferbefall ist damit festzustellen.“

»Die KI lernt also beispielsweise aufgrund der Laserdaten, ob es einen Unterwuchs gibt, den man aus dem Weltall nicht sieht, oder wo eine natürliche Verjüngung entsteht.«

Manuela Hirschmugl, 

Joanneum Research

Die ergänzenden Laserdaten lassen aus dem, was die Satellitenkameras als Draufsicht ablichten, ein dreidimensionales Bild entstehen. „Die Laufzeit des Laserpulses, die Rückstrahlungskurve und andere Merkmale weisen auf die Höhen der Pflanzen hin und geben Einblicke in die Struktur der Vegetation. Die KI lernt also beispielsweise aufgrund der Laserdaten, ob es einen Unterwuchs gibt, den man aus dem Weltall nicht sieht, oder wo eine natürliche Verjüngung entsteht.“

Die Sentinel-2-Satelliten liefern in Abständen von jeweils fünf Tagen Bilder eines bestimmten Gebiets. „Da zudem eine Drohnenbefliegung jederzeit durchführbar ist, kann man anhand von Zeitreihen mit kurzen Intervallen Entwicklungen in der Biodiversität gut erkennen und rasch auf negative Veränderungen reagieren“, hebt die Wissenschaftlerin hervor. Bei Joanneum Research, bei dem das Institut ­Digital mit der Universität Graz, dem Umweltbundesamt und dem Klagenfurter ECO – Insti­tut für Ökologie zusammenarbeitet, befassen sich mehrere Projekte mit speziellen Aspekten des Monitorings. So geht es unter anderem um die Klassifizierung von Wiesentypen, um das Beobachten des Artenreichtums in den österreichischen Nationalparks oder um die Auswirkungen unterschiedlicher Mähzeitpunkte auf die Qualität der Mahd als Tierfutter. „Wir haben jetzt gute Tools, um dem Rückgang der Artenvielfalt, den wir bereits erleben, effektiv zu begegnen“, schließt Hirschmugl.

In Zahlen

4 Millionen Hektar Fläche sind in Österreich von Wald bedeckt. Das sind 48 Prozent der Staatsfläche. In den vergangenen zehn Jahren hat die Waldfläche täglich um sechs Hektar zugenommen.

2,4 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche sind in Österreich Grünland, also Wiesen und Weiden. Das entspricht 29 Prozent der Staatsfläche.

786 Kilometer über der Erdoberfläche kreist der Satellit Sentinel-2A um unseren Planeten, Sentinel-2B ist in 784 Kilometern Höhe unterwegs. Die von ihnen gelieferten Bilder und Daten sind unter www.coperni­cus.eu frei zugänglich.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.