Economist-Insider

Wer fürchtet sich vor Donald Trump?

An der Wall Street bereitet man sich längst auf einen Sieg von Donald Trump vor. 
An der Wall Street bereitet man sich längst auf einen Sieg von Donald Trump vor. Imago / Elijah Nouvelage
  • Drucken

Nach derzeitigem Stand rechnet die Wall Street mit Trump als Wahlsieger. Das kann schon Sorge bereiten. Aber nicht aus den Gründen, die stets auf- und abgeschrieben werden.

             

Stefan Riecher
Economist-Korrespondent in New York

Stefan Riecher
 

Guten Morgen aus New York,

Joe Biden will bei der TV-Debatte also bloß einen schlechten Tag gehabt haben und im Rennen bleiben. Ich bitte Sie! Niemand, der Biden im letzten Jahr regelmäßig zugehört hat, kann ernsthaft glauben, dass es sich nur um einen schlechten Tag gehandelt hat. Es ist ein Versagen der Medien, allen voran der „New York Times“, dass sie Bidens Zustand monatelang zu verbergen versucht haben. Als das „Wall Street Journal“ — meiner Meinung nach die beste US-Zeitung — schon Wochen vor der Debatte ein ausführlich recherchiertes Stück zum geistigen Zustand des US-Präsidenten publizierte, denunzierten das linksliberale Medien als republikanische Propaganda. Das ist eine Schande für die Medienlandschaft, übrigens auch für die deutschsprachige, die immer brav von „New York Times“ und „CNN“ übersetzt und andere Quellen gerne ignoriert.

An der Wall Street, wo man sich etwas gewissenhafter informiert und nicht nur die Überschriften liest, bereitet man sich indes längst auf einen Sieg von Donald Trump vor. Denn die Demokraten stecken in der Bredouille. Wenn Biden abtritt, würden sie womöglich Kamala Harris — kaum besser und noch unbeliebter — ins Rennen schicken. Sollten sie doch noch zur Vernunft kommen und einen ganz anderen Kandidaten nominieren, müsste wohl ein Großteil der eingesammelten Spenden zurücküberwiesen werden. Eine komplizierte Angelegenheit, aber nicht unmöglich. Wie auch immer. Nach derzeitigem Stand rechnet die Wall Street mit Trump als Wahlsieger.

Das kann schon Sorge bereiten. Aber nicht aus den Gründen, die stets auf- und abgeschrieben werden, etwa der Ansage, dass Trump Europa den Russen zum Fraß vorwerfen würde. Das hat er so nie gesagt. Vielmehr sagte er, dass die Nato-Mitglieder ihren vereinbarten Beitrag leisten müssen, um weiterhin auf US-Unterstützung bauen zu können. Wenn Trump Europa fallen lässt, dann aus dem Grund, dass die Nato-Mitglieder ihre finanziellen Vereinbarungen seit Ewigkeiten nicht erfüllen. Hört man nicht gerne in Europa, viel lieber sieht man sich in der Opferrolle. 

Was die Märkte momentan mehr beschäftigt als irgendwelche Weltuntergangs-Prophezeiungen (kennen wir bestens aus 2016) ist die Gefahr eines weiteren Anstiegs der US-Verschuldung. Eine Faustregel besagt, dass die Schulden rasant ansteigen, wenn die gleiche Partei das Weiße Haus und beide Kongresskammern kontrolliert. Das werden wohl künftig die Republikaner sein, sofern die Demokraten nicht noch ein Ass aus dem Ärmel holen. Die Zeiten, in denen die Konservativen als diszipliniert in Budgetfragen galten, sind leider längst vorbei — immerhin das haben Österreich und die USA noch gemeinsam.

Trump hat in seiner ersten Amtszeit bewiesen, dass er sich nicht um das Defizit schert. Unter Biden hat sich die Lage verschlimmert, das Defizit steht bei sechs Prozent, die Gesamtverschuldung bei mehr als 100 Prozent der Wirtschaftsleistung. Geht es so weiter, wird irgendwann an der Zahlungsfähigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft gezweifelt werden. Zudem befürchten die Börsianer, dass Trump Fed-Chef Jerome Powell austauschen und durch jemanden ersetzen wird, der die Zinsen schneller senkt. Das würde die Inflation möglicherweise wieder steigen lassen.

Am besten spiegeln sich diese Sorgen in der Rendite für langfristige US-Staatsanleihen wider. Sie ist nach der TV-Debatte rasant gestiegen. Im Gegenzug fallen die Kurse, weil künftig höhere Schulden mit mehr Neuemissionen finanziert werden müssen. Höheres Angebot lässt die Kurse fallen und die Renditen steigen. Das „Wall Street Journal” spricht vom „Trump-Trade” an der Wall Street. Der Trend könnte sich verstärken, wenn Trump gewinnt und mit dem Kongress im Rücken völlige Handlungsfreiheit hat. Wie die USA dann aus dem Finanzschlamassel wieder rauskommen wollen, steht in den Sternen. 

Das ist in der Tat ein Grund zum Fürchten.

Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche nächste Woche.

Stefan Riecher

stefan.riecher@diepresse.com

Hier können Sie alle Newsletter der „Presse“-Redaktion kostenlos abonnieren.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.