Sprachlabor

Woher stammt die „Grande Nation“?

Ein Volk, das Brot so ernst nimmt, wie es die Franzosen tun, kann einfach nur groß sein.
Ein Volk, das Brot so ernst nimmt, wie es die Franzosen tun, kann einfach nur groß sein.Reuters / Stephanie Lecocq
  • Drucken

Die Plattitüde der angeblich großen Nation kennt man in Frankreich nicht: sie ist eine deutsche Erfindung – erst bewundernd, heute latent herablassend.

„Wenn immer ein Deutscher von Frankreich redet, glaubt er sich berechtigt, auch ,die grande nation‘ sagen zu dürfen, und er glaubt damit, einem Bildungswissen zu genügen oder an ein solches zu appellieren.“ Dies schrieb der jüngst verstorbene Sprachwissenschaftler Hans-Martin Gauger 2001 in seinem Essay „‚Grande nation‘ – Über einen groben (sprachlichen) Unfug“. Denn während im deutschsprachigen Raum, also auch in Österreich, und vor allem im Journalismus, und somit auch auf den Seiten dieser Zeitung, die „Grande Nation“ „Frankreich“ ersetzt, hielt Gauger schon 2001 fest, was heute jeder weiß, der Frankreich bereist: die Franzosen kennen und benutzen diese Plattitüde nicht.

Revolutionsfans

Gauger zog das Buch „La Grande Nation – L‘expansion révolutionnaire de la France dans le monde de 1789 à 1799“ des Historikers Jacques Godechot zu Rate, und griff auf weiterführende Recherchen eines seiner Studenten zurück. Ergebnis: Ausländische Bewunderer der Französischen Revolution hatten damals das Lob auf eine (nicht „die“!) „Grande Nation“ angestimmt, 1790 als einer der ersten der Dichter Christoph Martin Wieland.

Bedeutungswandel

Doch mit den antinapoleonischen Befreiungskriegen und der Restauration der Monarchien nach Waterloo wendete sich die Absicht dessen, der nun von der (nicht einer!) „Grande Nation“ schrieb und sprach, gab die Romanistin Margit Eisl (Universität Wien) in „Grande Nation et valses éternelles“ (2010) zu bedenken. Oder, wie Gauger schrieb: „Heute verwenden wir sie ambivalent, bald positiv, nett sein wollend (was schon ein wenig herablassend ist), bald offen herablassend ironisch: „Die ‚grande nation’ hat einmal wieder…“.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.