Nachhaltigkeit

Fünf Kehrtwenden: Österreich kann bis 2050 erfolgreich sein

Erneuerbare Energien sind ein wichtiger Punkt auf dem Weg zur Nachhaltigkeit - aber bei weitem nicht der einzige.
Erneuerbare Energien sind ein wichtiger Punkt auf dem Weg zur Nachhaltigkeit - aber bei weitem nicht der einzige.APA / Harald Schneider
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„Zu wenig und zu spät“, oder doch ein „Riesensprung nach vorn“? Noch stehen beide Möglichkeiten offen, meinen Wissenschaftler, die am Montag eine Untersuchung über echte Nachhaltigkeit präsentieren.

„Earth 4 All“: Darum geht es, nicht erst seit heute. Aber es geht auch um Österreich – und die beiden Größenordnungen der Betrachtungsweise haben sehr viel miteinander zu tun. Deshalb hat das Austrian Chapter des „Club of Rome“ im Herbst 2023 die Initiative gestartet, um die nachhaltige Entwicklung in Österreich auf den Prüfstand zu stellen.

Auf mehr als 100 Seiten haben vor allem Wissenschaftler und Wirtschaftsdenker, aber auch Vertreter aus Zivilgesellschaft, Industrie und Verwaltung, ihre Erkenntnisse zusammen getragen. Ermittelt wurden sie nicht nur aus vorhandenen Studien, sondern die Bewertung der Fülle von vorliegendem Material erfolgte in mehreren Workshops

Gelingt ein „giant leap“?

Quintessenz: Österreich kann sämtliche Nachhaltigkeitsziele bis 2050 erreichen, allerdings müssten dazu fünf Kehrtwendungen eingeleitet und vor allem vollzogen werden. Österreich stehe, so heißt es in „Earth4All Austria“, vor der entscheidenden Weggabelung: „Giant Leap“ oder „too little too late“ – also Riesensprung nach vorne oder „zu wenig, zu spät“.

Fünf Themenbereiche stehen im Mittelpunkt: die Beseitigung der Armut, die Verringerung der Ungleichheit, die Stärkung der Selbstbestimmung, die Umgestaltung der Nahrungsmittelsysteme und die Umgestaltung des Energiesystems. In all diesen Sektoren ist eine echte Nachhaltigkeit bis 2050 möglich. Dabei wird Nachhaltigkeit so definiert, dass die menschlichen Aktivitäten keine dauerhaften Schäden im Gleichgewicht des Ökosystems anrichtet, die irreparabel sind.

Der Bericht startet nicht von ungefähr mit der Ungleichheit, weil Erfolg in diesem Sektor bedeutet, dass der grundlegende Konflikt zwischen Klimapolitik und sozialer Gerechtigkeit vermieden wird. Das österreichische Chapter des Club of Rome nennt hier Steuergerechtigkeit, Umverteilung, Mitsprache und Chancengleichheit als Stichworte. Es bedürfe eines „Paradigmenwechsels“.

Gesunde Ernährung ist einer der Schlüssel

Eng mit der sozialen Gerechtigkeit ist oft auch die gesunde Ernährung verbunden, weil der ärmeren Bevölkerung häufig das Geld fehlt, um sich gesund zu ernähren. Und sehr oft auch die Informationen, was gesunde Ernährung konkret zu bedeuten hat. Gesünderes Essen bedeutet mehr Klimaschutz, weniger Umweltbelastung und ein besseres Tierwohl.

In Klimapolitik und Kreislaufwirtschaft ist der wesentliche Hebel Energie. Das Wissen zu diesem Thema sei vorhanden, die Praxis hält damit allerdings überhaupt nicht Schritt. So heißt es dazu im Bericht: „Doch für deren Skalierung und Umsetzung fehlt es an einem wirklichen transdisziplinären Ansatz, um den strukturellen und gesellschaftlichen Fragestellungen der Energiewende angemessen gerecht zu werden.“ Es sei vor allem nicht gelungen, den Gedanken des Energiesparens konsequent ins Bewusstsein zu bringen und den dafür notwendigen politischen Rahmen zu setzen.

Ungleichheit und damit auch Armut in Österreich selbst zu bekämpfen, ist nicht nur eine innerösterreichische Notwendigkeit. Die Autoren des vorliegenden Berichts setzen dieses Thema auch in einen globalen Kontext. Armut zu verringern ist einer der wesentlichen Hebel, der nicht nur aufgrund der ökologischen Notwendigkeiten unerlässlich ist, sondern auch aufgrund der Menschenrechte. „Darum ist es die Verantwortung und zugleich die Chance Österreichs, eine Armutskehrtwende umzusetzen, was in Kombination mit den anderen Kehrtwenden leichter möglich wird.“

Schließlich geht es auch um die Stärkung der Selbstbestimmung (Empowerment, Ermächtigung), was zu mehr Partizipation, Gleichberechtigung, insbesondere für Frauen, und einer lebenslangen Bildung für alle führe. Der „Club of Rome“ meint. Dass es bei diesen Herausforderungen „nicht an positiven Konzepten“ fehle, und glaubt: „Deren Umsetzung kann eine tiefgreifende transformative Wirkung auf individueller und kollektiver Ebene haben, sodass wir eine inklusive, faire, zukunftsfitte Gesellschaft im Jahr 2050 erreichen.“

„Zusammenwirken ist entscheidend“

„Eine starke und vorhersehbare Politik erhöht die Wirksamkeit politischer Veränderungen, wobei im österreichischen Kontext der Sozialpartnerschaft eine wesentliche Rolle zukommt. Transparenz der Maßnahmen und ein effektives Monitoring ihrer Wirkungen erhöhen die Akzeptanz in der Bevölkerung“, meint Friedrich Hinterberger, Vizepräsident des österreichischen Chapters des Club of Rome. Er hat die Erstellung des Berichts wissenschaftlich begleitet. „Entscheidend ist, dass Klima-, Wirtschafts- und Verteilungspolitik zusammen wirken können und müssen, um die erforderlichen Veränderungen zu erreichen“, ergänzt Hannes Swoboda, Präsident des österreichischen Chapters.

Der Club of Rome setzt auf eine breite Unterstützung: Denn die Vorschläge, die in diesem Bericht gemacht werden würden, so heißt es in der Aussendung zu dem Bericht, von Österreichern stark unterstützt – eine Umfrage der „Ipsos“ Marktforschung bei 1000 Österreichern zeige, dass 65 Prozent der Befragten die Notwendigkeit rascher Maßnahmen in diesem Jahrzehnt erkennen, um die Menschen vor Klimawandel und anderen Umweltrisiken zu schützen.

Mitmachen bei der Weltrettung

Der globale Bericht des Club of Rome ist 2022 erschienen – und schließt an den 1972 erschienenen Welt-Bestseller „Die Grenzen des Wachstums“ und „Planetare Grenzen“ an. Die deutsche Ausgabe von „Earth4All – Ein Survivalguide für unseren Planeten“ ist im Münchner oekom-Verlag (249 S.) erschienen.

Nun wird eine Österreich-Ausgabe vom Club of Rome veröffentlicht (https://www.clubofrome.at/projekt-earth4all-oesterreich/) Demnächst publiziert wird zudem „Earth4All“ Deutschland, in der – analog der österreichischen Ergänzung – die Situation in Deutschland betrachtet wird.

Das Austrian Chapter des Club of Rome Interessierte ein, an der Umsetzung der Maßnahmen zur erfolgreichen Nachhaltigkeit im Jahr 2050 teilzunehmen. Möglich ist dies, indem bis zum Herbst Kommentare abgegeben werden können; dies ist auf dieser Site möglich: https://www.clubofrome.at/earth4all-austria-kommentare/

oekom-Verlag

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