Parlamentswahl

Die meisten Einzelstimmen: Warum Frankreichs Rechtspopulisten trotzdem nicht gewonnen haben

Jordan Bardella ist Parteichef des Rassemblement National, jener rechtspopulistischen Partei, die einst Marine Le Pen gegründet hatte.
Jordan Bardella ist Parteichef des Rassemblement National, jener rechtspopulistischen Partei, die einst Marine Le Pen gegründet hatte.APA / AFP / Dimitar Dilkoff
  • Drucken

Das Rassemblement National ist die klar stimmenstärkste Fraktion - doch im Parlament nur die drittgrößte Fraktion. Das liegt am Mehrheitswahlrecht, bzw. an Absprachen und taktischen Rückzügen des linken und des Regierungslagers in der zweiten Wahlrunde.

Der rechtspopulistische Rassemblement National hat auch bei der zweiten Runde der Parlamentswahl in Frankreich mit Abstand die meisten Stimmen bekommen. Etwa ein Drittel der Wahlberechtigten machte ihr Kreuz beim RN, der aber trotzdem nur Dritter wurde. Sowohl das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront als auch das Regierungslager von Emmanuel Macron haben weniger Stimmen, aber mehr Abgeordnete in der Nationalversammlung, wie aus Zahlen des Innenministeriums hervorgeht.

Das liegt unter anderem am französischen Wahlsystem. In Frankreich gilt, im Gegensatz zu Österreich und den meisten anderen europäischen Ländern, nämlich kein Verhältnis- sondern ein Mehrheitswahlrecht. Das bedeutet, dass jene Kandidatin oder jener Kandidat, der in einem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommt, auch das Mandat erhält. Die Stimmen, die für die Kandidaten der unterlegenen Parteien abgegeben werden, verfallen. Die Abstimmung entspricht somit 577 Einzel-Wahlen (eine für jeden Wahlkreis, Anm.) statt einer großen einheitlichen (wie in Österreich, Anm.). Jeder Wahlkreis entscheidet selbst über seinen Abgeordneten.

Wahlsystem bevorzugt große Parteien und Wahlbündnisse

Dieses System bevorzugt große Parteien und Wahlbündnisse, die sich auf einen Kandidaten einigen, um dessen Chancen, gewählt zu werden, zu maximieren. Nach der ersten Runde der Parlamentswahlen, die der RN deutlich gewann, schlossen das Linksbündnis und das Regierungslager eine informelle Übereinkunft. In etwa 200 Wahlkreisen zog sich jeweils jenes Lager zurück, das in der ersten Runde weniger Stimmen bekam. Das Kalkül: Gibt es in der Stichwahl nur einen Gegenkandidaten zur extremen Rechten, bekommt dieser auch die Stimmen jenes Lagers, das sich aus dem Rennen verabschiedet hat.

Dieser als „republikanische Front“ bezeichnete Zusammenschluss hat den RN klar dezimiert und ihn zu einem der großen Verlierer des Wahlsonntags gemacht. Wurden der Rechtspartei nach dem ersten Wahlgang sogar Chancen auf eine absolute Mehrheit eingeräumt (289 Sitze), erhält man nach Wahlgang zwei nur 143 Mandate. Eine Zusammenarbeit „der Parteien der Schande“ nannte das RN-Spitzenkandidat Jordan Bardella. Parteichefin Marine Le Pen sprach von einem „aufgeschobenen“ Sieg ihrer Partei. „Die Flut steigt. Sie ist dieses Mal nicht hoch genug gestiegen, aber sie steigt weiter“, sagte sie dem Fernsehsender TF1. Ihre Partei habe nur wegen der taktischen Absprachen ihrer Gegner verloren. (APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.