Gastkommentar

Verbrenner-Aus, aber wo laden?

Wenn das E-Auto der neue Verbrenner sein soll, muss Laden folgerichtig auch das neue Tanken sein.

In Deutschland und Österreich dominierte in den Wochen vor der Europawahl der Widerstand gegen das Verbrenner-Aus die nationalen verkehrspolitischen Debatten, abgelöst nun von den Strafzöllen für chinesische E-Autos. Dabei wird eine ganz wesentliche technische Frage ausgespart: Wie ist es denn um den Ausbau der Ladeinfrastruktur bestellt? Das deutsche Bundesministerium für Digitales und Verkehr hat im Mai 2024 einen Referentenentwurf zur Tankstellen-Versorgungsauflage vorgelegt, mit dem große Tankstellenbetreiber verpflichtet werden sollen, ab Jänner 2028 eine Schnellladeinfrastruktur an jeder Tankstelle sicherzustellen. Verstöße dagegen sollen zukünftig mit Geldbuße geahndet werden.

Auf Eis gelegt

Der Treppenwitz ist dabei, dass das deutsche Verkehrsministerium gerade mit Blick auf ein beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anhängiges Verfahren den längst überfälligen Ausbau der Schnellladeinfrastruktur an deutschen Autobahnraststätten auf Eis gelegt hat. Eigentlich waren die Konzessionsverträge mit dem Hauptbetreiber vor zwei Jahren um die Notwendigkeit der Errichtung von Ladesäulen ergänzt worden. Dagegen hatten aber der niederländische Ladestationen-Betreiber Fastned und der E-Auto-Hersteller Tesla geklagt. Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wurde die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Vertragsänderungen dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.

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Ein nachhaltiges Eigentor dürfte der Europäischen Kommission dabei deren eigener Wissenschaftlicher Dienst geschossen haben. Dieser meldete im Luxemburger Verfahren Zweifel an der Rechtmäßigkeit der deutschen Vertragsänderungen an und reduzierte damit die Wahrscheinlichkeit einer Kursänderung der Bundesregierung auf null  – was wiederum den Zielen der Kommission für ein nachhaltiges, klimaneutrales Europa zuwiderläuft.

„Big Oil“ und „Big Energy“

Dies schadet nicht nur der Kohärenz des Unionshandelns, sondern befeuert auch die desintegrative Debatte um das Verbrenner-Aus. Denn die logische Konsequenz dieser Auffassung wäre eine Welle neuer Ausschreibungen, die den Ausbau der Ladeinfrastruktur noch weiter lähmt. Neue Ausschreibungen setzen erfolglose Bieter, die derzeit über Konzessionen für den Betrieb von Autobahnraststätten verfügen, in unmittelbare Konkurrenz mit den erfolgreichen neuen Betreibern von Ladestationen. Es ist zumindest fraglich, ob die Kommission bei der Umsetzung des europäischen Grünen Deals einen Wettlauf um Profitabilität zwischen „Big Oil“ und „Big Energy“ in Kauf nehmen wollte.

In Kürze dürfte vor dem EuGH die mündliche Verhandlung über die Frage des Ausbaus von Ladestationen auf Autobahnraststätten stattfinden. Die Beantwortung der Vorlagefrage wird dabei zum bedeutenden Wegweiser für die rechtliche Umsetzung des europäischen Grünen Deals und der Nachhaltigkeitsziele der Union. Wenn das E-Auto der neue Verbrenner sein soll, muss Laden folgerichtig auch das neue Tanken sein. So es nicht gelingt, die Herstellung einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur zügig voranzutreiben, wird die Rücknahme des Verbrenner-Aus zwangsläufig auch über die Europawahl und das tagespolitische Kleingeld hinaus diskutiert werden müssen. Neu evaluieren dürfte man dann auch den Bedarf an Strafzöllen.

Markus P. Beham ist außerordentlicher Professor, Verfassungs- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht in Passau.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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