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Diskussion

Der Tourismus ist eine Sehnsuchtsbranche

Gudrun Peter, Geschäftsführerin „Im weißen Rössl am Wolfgangsee“, Walter Osztovics, Managing Partner Kovar and Partners, Ulrike Rauch-Keschmann, Leiterin der Sektion Tourismus im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, und Manuel Resch, Geschäftsführer Zell am See-Kaprun Tourismus GmbH (v. l. n. r.), diskutierten unter der Leitung von Esther Reiserer, „Die Presse“.
Gudrun Peter, Geschäftsführerin „Im weißen Rössl am Wolfgangsee“, Walter Osztovics, Managing Partner Kovar and Partners, Ulrike Rauch-Keschmann, Leiterin der Sektion Tourismus im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, und Manuel Resch, Geschäftsführer Zell am See-Kaprun Tourismus GmbH (v. l. n. r.), diskutierten unter der Leitung von Esther Reiserer, „Die Presse“. Roland Rudolph
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Gerade im Gastgewerbe stöhnt man aufgrund des Fachkräftemangels. Dennoch bieten Jobs im Tourismus eine Menge an Möglichkeiten und die Branche sei besser als ihr Image, stellte eine Expertenrunde bei einer Diskussion in der „Presse“ fest.

Der Sommer ist nicht nur an den hohen Temperaturen spürbar, sondern auch an der steigenden Zahl von Nächtigungen, denn die Menschen wollen verreisen. Für den Tourismus hat die Sommersaison eine ganz besondere Bedeutung und es sind eine Menge an qualifizierten Fachkräften nötig, um auf die Bedürfnisse der Gäste einzugehen. Das Zukunftspotenzial des Tourismus öffnet zahlreiche Karrieremöglichkeiten und die Branche bietet gute Arbeitsverhältnisse. Weshalb Jobs im Gastgewerbe eine blendende Zukunft vor sich haben, erörterten Ulrike Rauch-Keschmann, seit 2018 Leiterin der Sektion Tourismus im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, Manuel Resch, Geschäftsführer Zell am See-Kaprun Tourismus GmbH, „Im weißen Rössl am Wolfgangsee“-Eigentümerin Gudrun Peter und Walter Osztovics, Managing Partner Kovar and Partners, im Rahmen eines Expertentalks unter der Leitung von Esther Reiserer vom Ressort Management und Karriere „Die Presse“.

Das legendäre „Im weißen Rössl am Wolfgangsee“ steht seit mehr als 500 Jahren für Gastfreundschaft an einem der schönsten Seen Österreichs. Gudrun Peter, die „Rösslwirtin“, leitet das Hotel bereits in fünfter Generation und kann auf eine lange und erfolgreiche Geschichte zurückblicken. Sie weiß über die Bedürfnisse der Gäste, aber auch jene der Mitarbeitenden, Bescheid. In den Jahrzehnten im Gastgewerbe hat sie viele Veränderungen und neue Herausforderungen von Führungskräften erlebt. „Ich glaube unsere Branche war immer einem Wandel unterzogen, da sich auch die Gesellschaft gewandelt hat. Dadurch haben sich die Bedürfnisse der Mitarbeiter und der Gäste dramatisch verändert und sind immer weiter gestiegen“, umreißt Peter die aktuelle Situation. „Auf beides muss ein Unternehmer achten, denn die Mitarbeiter sind, neben dem Wissen über die Gäste, das größte Kapital, über das wir verfügen.“ Mitarbeiter fänden in der Branche Freiheiten und vielfältige Möglichkeiten vor: „Egal, ob man Voll- oder Teilzeit arbeiten möchte, alles ist möglich. Nachdem unsere Branche 24/7 funktioniert, gibt es alle Kombinationsmöglichkeiten. Das macht es attraktiv für den Arbeitnehmer.“

Viele Vorteile für Mitarbeiter

Den geänderten Ansprüchen der Arbeitnehmer trägt man „Im weißen Rössl am Wolfgangsee“ Rechnung. So dürfen Mitarbeiter selbstverständlich die gleichen Annehmlichkeiten nutzen wie Gäste. „Aber es gibt viel mehr spannende Themen“, so die Hotelbetreiberin. „Der Wolfgangsee konnte sich mit einer ,Work the Lake‘-App sehr schön positionieren. Damit stehen Mitarbeitern zahlreiche Vorteile offen, sei es in der Freizeit oder während des Berufsalltags.“ Dazu zählen das Kennenlernen anderer Betriebe, die Nutzung der Annehmlichkeiten der Region und Vergünstigungen beim Einkaufen und Feiern. „Die Mitarbeiter brauchen diese Flexibilität und die Zuversicht, dass ihre Bedürfnisse abgedeckt sind, sie sich auf den Arbeitgeber verlassen und planen können“, weiß Peter aus der Praxis.

Attraktiver Arbeitgeber

In der Region Zell am See-Kaprun sind Schwierigkeiten offene Stellen, vor allem in der Gastronomie und Hotellerie, mit Fachkräften zu besetzen nicht unbekannt. „Jeder kämpft mit dem Fachkräftemangel. Wir, als Tourismusorganisation, sehen es als unsere Aufgabe einen gewissen Rahmen zu schaffen, um die Betriebe zu unterstützen“, erläutert Manuel Resch, Geschäftsführer des Zell am See-Kaprun Tourismus. „Wir sehen uns als Arbeitgebermarke, deshalb haben wir ein eigenes Format, ,Von Alpen das beste Team‘, ins Leben gerufen.“ Mit der Plattform möchte man sich als attraktive Arbeitgeberregion vermarkten, bietet eine Jobbörse und Benefits für Betriebe. Resch: „Wir tun unser Bestmögliches, um es den Betrieben zu erleichtern, dass sie bei der Gewinnung von Mitarbeitern perfekt positioniert sind. Hier versuchen wir immer, ein First Mover zu sein. Wir haben eine Jobbörse eingerichtet, bei der jeder Betrieb, also nicht nur Gastronomie und Hotellerie, die Möglichkeit hat, sich zu positionieren und offene Stellen auszupreisen. Es hängen ja viele Branchen vom Tourismus ab.“ Zu den Aufgaben zähle es ebenfalls, die Bewusstseinsbildung bei Eigentümern und Führungskräften zu fördern, damit sich Mitarbeitende wohlfühlen und beste Rahmenbedingungen vorfinden.

Gestiegene Kosten

Die Agentur Kovar and Partners betreut auch Kunden im Bereich des Tourismus und hat sich, gemeinsam mit der österreichischen Hoteliervereinigung, in der Studie „Die Zukunft des Tourismus: Veränderungen gestalten“ aktuellen Fragestellungen gewidmet. Walter Osztovics, Managing Partner bei Kovar and Partners, erkennt einen Strukturwandel, der bereits voll im Gange ist. „Die Schere zwischen dem Top-Segment, den Luxusherbergen und den preisgünstigen Herbergen geht immer weiter auf. Der Personalmangel ist dabei nur einer der Treiber“, umreißt Osztovics die Situation. „Die Studie stammt aus dem Jahr 2023, als die Situation noch viel schlimmer war. Das hat sich etwas gebessert. Die gestiegenen Personalkosten sind allerdings durch den Personalmangel geblieben. Andere Kosten sind ebenfalls gestiegen, etwa für Energie und Lebensmittel. Es gibt Betriebe, die diese Kosten an die Kunden in Form von höheren Preisen weitergeben können, da sie eine zahlungskräftige Klientel haben, der es auf ein paar Hundert Euro nicht ankommt. Dann müssen sie aber entsprechend mehr an Qualität, an Erlebnis und an Betreuung bieten.“ Preiserhöhungen im günstigeren Segment seien problematisch, denn wenn sie zu stark steigen, bleiben die Gäste weg. Die Konsequenzen kennt Osztovics: „Dort versucht man zu optimieren und den Personaleinsatz zu verringern. Dann ist etwa die Rezeption nur bis 20.00 Uhr besetzt oder es gibt beim Frühstück kein Service, sondern nur noch Selbstbedienung. Es gibt bereits auch Modelle mit einem Opt-out beim Roomservice, bei dem das Zimmer nicht jeden Tag gereinigt und der Preis dadurch günstiger wird. Das ist ein Strukturwandel, der bereits sichtbar ist. Wir gehen davon aus, dass er sich fortsetzen wird.“

Zwei-Klassen-Tourismus

Diese Entwicklung kann auch Gudrun Peter beobachten. „Wir werden à la longue Verhältnisse sehen, wie sie in Skandinavien bereits seit zwanzig Jahren üblich sind“, erkennt die Hotelbetreiberin eine Spaltung der Branche. „Es gibt einerseits einen hohen Anspruch an Qualität, Dienstleistungen und Service, was sehr viel Geld kosten wird. Alles andere ist dann auf Selbstbedienungsbasis, mit Robotik oder KI-unterstützt. Das wird sich die breite Masse leisten können. Das Mittelstück wird herausbrechen. Das wird auch die Entwicklung in Österreich sein, wenn sich Dinge nicht massiv verändern.“

Der Mangel an Fachkräften im Tourismus hat sich im Vergleich zum Vorjahr etwas entspannt, die Zahl der offenen Stellen ist um 16 Prozent gesunken. Einen Grund zur Entwarnung sieht Ulrike Rauch-Keschmann vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft nicht: „In der jetzigen Situation kann sich niemand zurücklehnen. Wir sehen einen Rückgang bei den offenen Stellen. Es gelingt uns also wieder, mehr Menschen für den Tourismus zu begeistern. Aber wir haben einen deutlich höheren Bedarf an Arbeitskräften in diesem Segment. Das ist auf die generelle Dienstleistungsintensität zurückzuführen. In der Top-Hotellerie geht es um die persönliche Begegnung und Betreuung des Gastes, die kann nicht an Maschinen oder die KI ausgelagert werden.“

Derzeit ist ein Beschäftigungsniveau wie vor der Coronapandemie erreicht, dennoch sind etwa 12.000 Stellen unbesetzt. Um neue Mitarbeiter zu finden, seien alle Stakeholder gefordert. „Auf der betrieblichen Ebene müssen attraktive Rahmenbedingungen für Mitarbeitende geschaffen werden und hier gibt es viele erfolgreiche Beispiele, wie Initiativen ganzer Regionen, die sich als attraktiver Arbeitsort positiv positionieren. Gerade in der jungen Zielgruppe der möglichen Beschäftigten konkurrieren wir mit den verschiedensten Branchen“, so Rauch-Keschmann. „Es gibt durch den demografischen Wandel einfach viel weniger junge Menschen und sie können aus viel mehr Arbeits- und Ausbildungsangeboten wählen. Hier stellt sich für uns als Branche und auf nationaler Ebene die Frage, wie wir den Tourismus so attraktiv wie möglich machen können.“

Politik muss Kosten senken

Ein Faktor, Jobs im Tourismus für Österreicher attraktiver zu gestalten, sei die Politik. Die Rahmenbedingungen müssen verbessert werden, wozu etwa die Senkung der Lohnnebenkosten und steuerliche Aspekte für Unternehmer zählen, aber auch Arbeitszeitregelungen auf nationaler Ebene, hört man immer wieder aus der Tourismusbranche.

„Wir sehen, dass wir mit österreichischen Arbeitskräften nicht mehr das Auslangen finden. Bereits jetzt stammen mehr als die Hälfte der Beschäftigten aus dem Ausland, sowohl aus der EU als auch aus Drittstaaten“, erläutert Rauch-Keschmann. „Hier konnten in den letzten Monaten schon deutliche Fortschritte erzielt werden, wie Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Card, aber auch erleichterte Zugänge für Saisonniers. Es wird aber auch in den kommenden Jahren viel zu tun sein.“ Ähnlich sieht Gudrun Peter die Situation, die sich noch zu verschlechtern droht: „Die Mitarbeiter kosten zu viel, verdienen aber zu wenig. Das ist die ganz große Stellschraube, wo die Politik gefordert ist und wo sich einiges tun muss.“

An Attraktivität haben Jobs im Tourismus allerdings nicht verloren, weiß Walter Osztovics, doch Betriebe müssen nicht nur für die Kunden attraktiv sein, sondern auch für die Mitarbeiter. „Grundsätzlich ist der Tourismus ein attraktiver Arbeitgeber. Man arbeitet an einem schönen Ort, man hat mit Menschen zu tun, die die glücklichsten Wochen des Lebens dort verbringen, und es ist eine sehr internationale Branche. Wenn jemand eine Qualifikation im Hotelmanagement hat, kann er auf der ganzen Welt arbeiten, von Oslo bis Hawaii“, umreißt der Berater die Entwicklungschancen. Die Schattenseiten der Branche seien aber immanent, so Osztovics, denn Jobs im Tourismus sind bekannterweise keine „9 to 5“-Berufe: „Wenn jemand am Abend heimgehen und am Wochenende frei haben möchte, dann ist das nicht die richtige Branche. Gerade in der Ferienhotellerie kommt dazu, dass man nicht daheim ist und nicht bei der Familie wohnt. Das ist für junge Menschen eher kein Problem, aber wenn man eine Familie gründet, ist das vielleicht ein Nachteil.“ Alle diese Aspekte sollten für junge Menschen sichtbar gemacht werden, rät der Experte, die Vorteile müssen hergezeigt, die Nachteile nicht verschwiegen und die Probleme gelöst werden.

Innere Motivation vorleben

Ein relativ neuer Faktor bei der Berufswahl ist Sinnstiftung, denn um das Gehalt allein geht es nicht. Deshalb müssen sich Tourismusbetriebe dementsprechend positionieren. „Aktuell stellen sich vor allem junge Menschen die Warum-Frage. Hier ist es wichtig, dass der Arbeitgeber und die Betriebe Sinnstiftendes vermitteln“, weiß Manuel Resch. „Die innere Motivation muss Tag für Tag gelebt und das Warum immer wieder hinterfragt werden. Das erzeugt eine immense Strahlkraft nach außen.“ Dem pflichtet Walter Osztovics bei. „Es ist ansteckend zu sehen, wie viel Freude es macht, anderen Menschen eine Freude zu bereiten“, so der Berater. Im Miteinander von Führungskräften und Mitarbeitenden sieht Gudrun Peter einen weiteren Weg zum Erfolg: „Das Salzkammergut ist ein bisschen wie ein gallisches Dorf. Sie müssen den Österreicher genauso integrieren wie den Mitarbeiter, der aus einem anderen Land kommt. Das ist immer der gleiche Prozess. Mit dem Gefühl, Menschen eine Freude bereiten zu wollen, will man den Mitarbeiter anstecken.“ Aber könnte nicht moderne Technik einen Teil des Arbeitskräftemangels abfedern und wären Servierroboter „Im weißen Rössl am Wolfgangsee“ vorstellbar? Gudrun Peter winkt ab: „Wir haben sehr viele Stufen. Also wenn Roboter einmal über Stiegen steigen können, könnte das vielleicht irgendwann ein Thema werden. Wir haben uns vor einigen Jahren dazu entschlossen, uns als Begegnungsort zu definieren und nicht als Hotel. Das impliziert, dass es ein Mensch ist, der eine Dienstleistung erbringt und kein Roboter.“

Information

Die Diskussion fand in Kooperation mit „Die Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.

www.bmaw.gv.at


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