Gastkommentar

Einspruch, um der Ehre der heiligen Maria

Kritische Anmerkungen zur Mariendarstellung als gebärende Frau im Linzer Dom.

Die „Enthauptung“ einer Statue, die die Mutter Jesu, Maria, im Zustand des Gebärens ihres Kindes darstellen soll, ist ein Akt des Vandalismus und, auch wenn man dieser Darstellung kritisch oder ablehnend gegenübersteht, ein absolutes No-Go. Auf diese Weise wird zwar entschiedener Protest zum Ausdruck gebracht, jedoch der nötige Respekt gegenüber der Künstlerin und ihren Mitarbeiterinnen gröblich missachtet.

Zerstörungsakte gegenüber Kunst oder dem, was dafür gehalten wird, sind Ausdruck eines Fundamentalismus, der entweder aus Hilflosigkeit oder aus Prinzip auf Argumente verzichtet. Wenn man versucht, die besagte Darstellung der gebärenden Maria von einem anthropologischen und christlichen Standpunkt aus einzuordnen, ergeben sich durchaus kritische Anfragen:

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Der Geburtsvorgang ist etwas Heiliges und verdient daher Respekt und einen Raum des Schutzes. Wenn für eine Frau die Stunde des Gebärens gekommen ist, hat sie ein Recht auf den Beistand des Kindesvaters und auf fachgerechte ärztliche und pflegerische Betreuung. Grundsätzlich gibt es kein Recht, „von außen“ – gleichsam voyeuristisch – den Geburtsvorgang beobachten zu dürfen oder die Frau in ihrer Nacktheit und in der charakteristischen Position des Gebärens einer neugierigen oder gar lüsternen Öffentlichkeit auszusetzen. Wer wollte es denn akzeptieren, dass zum Beispiel ein Video in den sozialen Medien kursiert, in dem die eigene Frau oder Freundin oder auch die eigene Mutter im Zustand des Gebärens dargestellt wird?

Die Künstlerin mutet dies den betrachtenden Personen dennoch zu – mit Hinweis auf eine ansonsten angeblich männerdominierte Darstellung Marias in der Kunst. Ein neuer feministischer Blick solle zeigen, dass das Gebären etwas Normales sei und sich eine Frau dessen nicht zu schämen brauche, heißt es. Ja, es ist „normal“, und die Frau braucht sich nicht zu schämen. Dies aber öffentlich zu zeigen, verletzt dennoch die Würde der betroffenen Frau und offenbart einen unsensiblen Umgang mit dem Thema.

Eine normale Geburt?

Die christliche Perspektive nimmt insbesondere jene Frau in den Blick, die gläubige Menschen als Jungfrau und Gottesmutter verehren, eben die heilige Maria. War denn die Geburt Jesu eine Geburt wie jede andere? Indem der Versuch ihrer künstlerischen Darstellung auf eine derart direkte Weise unternommen wird, wird das mit der Jungfrauengeburt verbundene Glaubensgeheimnis rationalistisch aufgelöst und das Geschehen als solches banalisiert. Kann man es glaubenden Menschen verübeln, wenn sie sich in ihrer religiösen Überzeugung infrage gestellt und in ihren „religiösen Gefühlen“ verletzt empfinden und dann protestieren (hoffentlich nicht mit Gewalt)? Der Einspruch gegen die konkrete Darstellung wird durch den Umstand verstärkt, dass es sich um eine Präsentation in einem Haus des Gebets – dem Linzer Mariendom – handelt. Wer selber meint, dass ihn dies nicht irritiert, und den eigenen Glauben nicht infrage stellt, der sollte Verständnis haben für jene „Kleinen und Schwachen“, denen die besondere Zuwendung Jesu gegolten hat und denen gegenüber Ärgernisse jedenfalls zu vermeiden sind. Der jeweilige Linzer Bischof trägt kraft seines Amtes die Letztverantwortung für das, was im Dom geschieht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit dieser Form von Kunst einverstanden ist.

Josef Spindelböck, Dr. theol. habil., ist Priester der Diözese St. Pölten und ao. Prof. für Moraltheologie und Sozialethik an der kath. Hochschule ITI Trumau.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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