Expedition Europa

Der Westen redet über Quallen

Portugiesische Galeere. Ihre Tentakel sind bis zu zehn Meter lang. 
Portugiesische Galeere. Ihre Tentakel sind bis zu zehn Meter lang. Steve Trewhella/imageBROKER/FLPA/Imago
  • Drucken

Auf der Azoreninsel Flores, dem westlichsten Punkt Europas, können ein Ukrainer und ein Russe noch Freunde sein. Man trinkt indische Cocktails und verarztet seine Wunden.

Einer der letzten Sehnsuchtsorte, die mir in Europa noch übrig ge­blie­ben sind, ist die bereits auf der nord­ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nen­tal­platte ge­legene, sonst aber europäische Azoreninsel Flores. Das saf­tiggrüne Eiland liegt 1945 Ki­lo­me­ter öst­lich von Amerika (Kap Race, Neufundland) und 1873 Ki­lo­meter west­lich vom eu­ro­pä­i­schen Festland (Cabo da Roca, Por­tu­gal), also mitten im Atlantik.

Flores hat nur 157 Quadratkilometer, Google Maps veranschlagte für die Wan­derung vom am Ostufer gelegenen Flughafen ins westlichste Dorf Eu­ro­pas 5 Stunden und 25 Minuten, es hatte stabil 21 bis 23 Grad, das Klima ist zwar deut­lich regenreicher als im 590 Ki­lometer ent­fernten Os­ten der Azoren, laut Touri-Info sollte das Wetter aber halten.

Nach einer Dreiviertelstunde auf stark befahrenen Serpentinen be­griff ich die Formulierung, Flores mute „in Tieflagen fast schon feucht-tro­pisch an“. Ich hielt durchschwitzt den Daumen hoch, kein Au­to hielt. Plötzlich wow, der letzte Freitagsbus – am Wo­chenende fah­ren gar keine Bus­se. Der Fahrer nahm mich im Nirgendwo auf und zog mir sogar die zu Fuß be­wältigten Meter centgenau vom Fahrpreis ab. Durch grüne, ein­spurige, hor­ten­sien­bewachsene Hohl­gassen und atem­be­raubende Steilküste-Wasserfall-Panoramen brach­te er mich in den entleerten Westen der 3800-Seelen-In­sel.

Zwei Inder rühren von neun Uhr morgens bis ein Uhr nachts ent­schärfte Speisen und Cocktails an

Endstation Fajã Grande, ausgesprochen „Fazhagránd“, knapp mehr als 200 Einwohner, Liebe auf den er­sten Blick. Ein offener Hof, in dem zwei junge Inder von neun Uhr morgens bis ein Uhr nachts ent­schärfte Speisen und Cocktails an­rühren. Ein duf­ten­des Vin­ta­ge-Hostel, über dessen Holzplanken barfüßig eine blonde Amerikanerin lief. Sie war als Kind pen­sio­nier­ter US-Aus­steiger über die Weltmeere se­gelnd auf­gewachsen und hatte sich schließ­lich – wenn das keine Re­fe­renz ist! – für die Sess­haf­tig­keit in Fa­jã Gran­de ent­schieden.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.