Kommentar

Das Biden-Drama und die Trump-Show

Viktor Orbán macht Donald Trump in Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida, seine Aufwartung.
Viktor Orbán macht Donald Trump in Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida, seine Aufwartung. AFP
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Solange sich die ganze Aufmerksamkeit auf den angeschlagenen US-Präsidenten konzentriert, kommt sein Herausforderer mit seinen Lügen, Halbwahrheiten und blanken Stellen davon. Die Demokraten sollten Donald Trump nicht so leicht zum Comeback verhelfen.

Donald Trump und Viktor Orbán reckten bei ihrem Treffen in Mar-a-Lago in Florida, ihrem zweiten in vier Monaten, die Daumen nach oben. Soll heißen: Alles läuft wie geschmiert für sie - den ungarischen Premier und aktuell auch EU-Ratsvorsitzenden in Weltrettungsmission, und vor allem den republikanischen Ex-Präsidentschaftskandidaten und Ex-Präsidenten. Ob sie in Palm Beach nun die Pressekonferenz Joe Bidens zum Abschluss des Nato-Gipfels in Washington am Donnerstagabend (Ortszeit) verfolgt haben oder nicht: Sie schmieden schon Pläne für das kommende Jahr, für das derzeit sehr wahrscheinliche Comeback Trumps im Weißen Haus.

Da mochte Biden in Washington sagen, was er wollte – und vieles davon war gut und richtig: Alle Welt blickte wie gebannt auf seine Fauxpas und Defizite. Und die lieferte der 81-Jährige verlässlich: Ob er nun Wolodymyr Selenskij als Wladimir Putin begrüßte, Kamala Harris mit Donald Trump verwechselte und sich mehrmals im Laufe der einstündigen Pressekonferenz verhaspelte. Dabei gab sich Biden unbeirrt über seine in arge Turbulenzen geratene Kandidatur – und zeigte sich in außenpolitischen Fragen auf der Höhe. Doch wieder einmal offenbarte der Präsident seinen Starrsinn und seine Borniertheit angesichts seiner Wahlchancen.

Biden kann die Spuren des Alters nicht kaschieren

Solange er seine Kandidatur aufrechterhält – und es sind noch fast vier Monate bis zur Wahl –, konzentriert sich die Aufmerksamkeit ganz allein auf den mächtigsten Mann der Welt, der sich Blößen gibt und für alle sichtbar seine Schwächen zeigt. Biden kann die Spuren des Alters nicht länger kaschieren, wie er dies offenbar über Monate getan hat.

Trump kommt derweil davon mit seinen Lügen, Halbwahrheiten und blanken Stellen. Auch dies ist eine mediale Gesetzmäßigkeit: Die Öffentlichkeit verzeiht seit Jahren dem Republikaner seine Ungeheuerlichkeiten – ob er nun behauptet, er könne unbestraft auf der Fifth Avenue einen Menschen töten oder Frauen begrapschen. Dass ein New Yorker Gericht ihn im Schweigegeldprozess verurteilt hat – sei’s drum. Dass er Nikki Haley, seine Rivalin in den Vorwahlen, mit der Demokratin Nancy Pelosi verwechselt hat – typisch Trump eben. Seine Fans lassen sich davon nicht irritieren. Eher im Gegenteil: Je mehr die Medien auf ihn einschlagen, desto mehr scharen sie sich hinter ihm.

Das „Project 2025“ und die republikanische Revolution

Doch wann, wenn nicht im Wahlkampf, wäre es geboten, sein Programm unter die Lupe zu nehmen? Was hat Trump 2.0 vor in einer zweiten Amtszeit? Biden, Hillary Clinton und andere haben auf das „Project 2025“ der Heritage Foundation, des erzkonservativen Thinktanks in Washington, hingewiesen, das nichts weniger als eine republikanische Revolution ausheckt.

All dem verstellt die Debatte um Joe Biden den Blick. Sie verhindert oder erschwert zumindest eine Auseinandersetzung mit der Trump-Agenda – auch beim republikanischen Konvent kommende Woche in Milwaukee, der „Krönungsmesse“ Trumps und seines Vizepräsidentschaftskandidaten. In einer Parallel-Show wird die Diskussion dominieren, wer dem Greis im Weißen Haus nun wieder das Vertrauen entzieht und ihm den Rückzug nahelegt. Donald Trump kann sein Glück nicht fassen – obwohl er es vermutlich hasst, im Schatten Bidens zu stehen.

Sehr zur Freude Putins und Xis

Die Demokraten sollten Trump nicht den Weg ins Weiße Haus ebnen. Es wäre höchste Zeit, Joe Biden zur Räson zu rufen. Er selbst sieht nicht ein, warum er von der Bühne abtreten sollte. Das hat die Pressekonferenz neuerlich demonstriert. Dass sich Barack Obama und Nancy Pelosi jetzt zusammentun, um den Präsidenten an seine Verantwortung gegenüber dem Land und der Partei zu erinnern, ist womöglich die beste Nachricht aus der Nacht, in der Joe Biden vor der Nation und aller Welt mit seiner Altersschwäche rang – sehr zur Freude von Trump und Orbán, Putin und Xi Jinping.

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