Neues Album

„The Death Of Slim Shady“: Eminem ist so giftig wie schon lange nicht

Bereits die erste, aus dem Album ausgekoppelte Single „Houdini“ brillierte mit einem herrlich überladenen Video.
Bereits die erste, aus dem Album ausgekoppelte Single „Houdini“ brillierte mit einem herrlich überladenen Video. Jeremy Deputat
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Eminem tut auf seinem 12. Album „The Death Of Slim Shady“ so, als ob er sein Alter Ego killen würde. Dramatik pur also.

Eminem dropt neues Album!“ hieß es in den letzten Tagen in hässlichem Neudeutsch auf allen vorstellbaren digitalen Kanälen. „Dropt“ das klingt, wie wenn Vogel im Vorbeihüpfen sein Geschäft erledigt. Im Falle von Eminem, einem Topplayer im Milliardengame Hiphop, verhält sich die Sache natürlich gänzlich anders. Das, was spontan und „street“ wirken soll, das ist strikt am Reißbrett entworfen worden.

Womöglich durch das Phänomen Taylor Swift angeregt, hat sich der als Marshall Bruce Mathers III geborene Maulheld für sein 12. Album „The Death Of Slim Shady“ (Shady Records, Intershop) überlegt, ein Konzeptalbum vorzulegen, das reichlich mit Assoziationen, Querverweisen und Zitaten früherer Werke, die Fanbindung nochmals enger zurrt. Bereits die erste, daraus ausgekoppelte Single „Houdini“ brillierte mit einem herrlich überladenen Video, das Actionfilm, Cartoon und Fantasy gleichzeitig war. Bestes Futter, um die Synapsen in den Gehirnen der Fans zum Glühen zu bringen.

„Coup de Grâce“ (Gnadenstoß), der Untertitel von „The Death Of Slim Shady“, der vorgibt mit Eminems wasserstoffblondem Alter Ego Slim Shady Schluss zu machen, ist trefflich gewählt. Es ist genau 25 Jahre her, dass der Rapper aus Missouri, diese Figur einführte. Man kann trotz ihres vorgeblichen Todes, das Cover zeigt sie in einem Leichensack, davon ausgehen, dass es irgendwann eine Fortsetzung, ähnlich wie bei Hollywood Blockbustern, geben wird. Alles nur eine Sache der Lust und/oder der Freude am Umsatz. Nötig hat es Eminem, der an die 400 Millionen Tonträger verkauft hat, längst nicht mehr.

Schatz der Vergangenheit

Das wichtigste im Hiphop, wenn er viral gehen soll, ist ein knackiges Sample. Die erste Singleauskopplung „Houdini“ weist mehrere davon auf. Das zentrale Melodiemotiv stammt von Steve Millers „Abracadabra“, einem Popsong, der 1982 weltweit durch die Decke ging. Zudem sind da noch kleine Futzelchen von „Buffalo Gals“ (1983), dem Originalssample des Eminem-Songs „Without Me“ (von 2002) eingebaut, das von niemand Geringerem als von Malcolm McLaren, diesem Popmagier zwischen Punk und Oper, stammt. Und auch sphärische Klänge, die die britische Pianistin Ann Dudley unter der Regie von Trevor Horn für die britische Band Art Of Noise einspielte, wobei sie da nicht zu kleine Anleihen am klassischen Komponisten Erik Satie machte.

Cleveres Klauen kann sich bezahlt macht. Und sei es, Jahrzehnte später. Der warme Geldregen vom millionenfachen Verkauf von Eminems „Houdini“, er geht auf etliche Musiker nieder. Faszinierend, wie sich die Geldmaschine der populären Musik wegen technischer Neuerungen in sich zusammengebrochen ist, sich dann aber doch wieder auf neue Weise erfunden hat. Der Brite Simon Napier-Bell hat mit „Ta-Ra-Ra-Boom-De-Ay – The dodgy business of popular music” ein Standardwerk darübergeschrieben, wie sich seit Einführung des Copyrights 1710 in London, das Geldverdienen mit Songs immer wieder radikal verändert hat.

Der Hiphop, als kommerziell erfolgreichstes Genre, tut es seit vielen Jahren am professionellsten. Weil er im Schatz der Vergangenheit gräbt und wiederverwertbaren „ear candy“ findet. Das Geniale an diesem Genre ist, dass es eine Musik ist, die gleichzeitig zeitgenössisch wie retro ist. Das zeigt sich auch im Video von „Tobey“, wo sich Eminem kurz vor das Haus setzt, in dem er einst aufgewachsen ist und damit das Cover seines 2000 erschienen Albums „The Marshall Matters“ nachstellt. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft – alles fließt ineinander. Fazit: Auf „The Death Of Slim Shady” klingt Eminem so giftig wie schon lange nicht mehr. Und das, obwohl er kein aktuelles politisches Thema adressiert, sondern sich bloß selbsthistorisierend um die eigen Achse dreht.

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