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Die US-Wahl und die Notenbank

Die Amtszeit von Fed-Chef Jerome Powell läuft 2026 aus.
Die Amtszeit von Fed-Chef Jerome Powell läuft 2026 aus.Reuters / Kevin Mohatt
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Für Investoren ist die Wahl des US-Präsidenten relevant, weil dieser den Chef der Notenbank Fed bestellt. Die Bedeutung des Fed-Chefs für die Märkte zeigte sich vergangene Woche einmal mehr.

             

Stefan Riecher
Economist-Korrespondent in New York

Stefan Riecher
 

Guten Morgen aus New York,

das Drama um Joe Biden ging diese Woche munter weiter, der Präsident will offiziell von einem Rückzug nichts wissen. Gut so, sagen die einen – und verweisen darauf, dass Biden bloß früher ins Bett gehen muss und dass er zuletzt fast fehlerfrei vom Teleprompter abgelesen hat. Es ist höchste Zeit, dass sich der Mann in die Pension verabschiedet, sagen die anderen – und verweisen darauf, dass Biden selbst beim Ablesen immer wieder peinliche Fehler passieren.

Ich zähle zu den anderen. Was, wenn ein verfeindetes Land die USA nach 20 Uhr angreifen und die Sicherheitsberater den Präsidenten aufwecken müssen? Dann wäre es wohl nicht schlecht, wenn jener Mann, der in Sekundenschnelle über Leben und Tod vieler Menschen entscheiden kann, klar denken und auch ohne vorgeschriebenen Text sinnvolle, zusammenhängende Sätze sprechen kann. Ich wäre sehr verwundert, wenn der Kandidat der Demokraten im November Joe Biden heißt. Die Frage ist für mich nicht mehr, ob er sich zurückzieht, sondern wann.

Für Investoren ist das auch deshalb relevant, weil der US-Präsident den Chef der Notenbank Fed bestellt. Jerome Powells Amtszeit läuft 2026 aus und die Bedeutung des Fed-Chefs für die Märkte zeigte sich diese Woche einmal mehr. Ohne das Theater um Biden wäre Powells halbjährlicher Auftritt im Kongress das innenpolitisch bestimmende Thema der Woche gewesen (der Nato-Geburtstag interessiert die meisten Amerikaner nicht wirklich). Denn Powells Andeutung, dass sich der US-Arbeitsmarkt bereits genügend abgekühlt hat, um die Inflation nicht weiter anzutreiben, hat dem Leitindex S&P 500 zu weiteren Rekorden verholfen. 

Eine Zinssenkung durch die Fed im September ist damit deutlich wahrscheinlicher geworden. Laut Optionsbörse CME erwarten nun drei Viertel der Börsianer diesen Schritt. Powell betont stets, dass er ausschließlich anhand der Daten vorgeht und die Politik keine Rolle spielt. Ich glaube ihm das, trotzdem könnte das Timing kaum unglücklicher sein. Eine Zinssenkung unmittelbar vor den Wahlen könnte die Rekordjagd weitergehen lassen – trotz extrem hoher Bewertungen und obwohl die Inflationskrise weiterhin nicht endgültig gelöst ist.

Ich finde, die Fed hat ihren Job seit 2022 ausgezeichnet gemacht, obwohl sie zuvor viel zu spät auf die steigende Teuerung reagiert hat. Mit einer Zinssenkung vor den Wahlen könnte Powell den Demokraten, sofern der Kandidat nicht Biden heißt, ungewollt zu einem Sieg verhelfen. Das befürchtet auch Trump, weshalb er bereits angekündigt hat, die Amtszeit des „politischen” Powell nicht weiter zu verlängern. Sollte Trump gewinnen, wäre die Frage wohl nur, ob er bis 2026 wartet oder Powell schon früher feuert (was rechtlich umstritten wäre).

Die nächsten Monate werden also äußerst spannend, politisch sowieso, aber auch für Investoren. Hohe Kursschwankungen sind jederzeit möglich, für langfristig orientierte Anleger ist es wichtig, sich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Zwischenzeitliche Kurseinbrüche können zum kontrollierten Nachkaufen verwendet werden. Und bei einer Fortsetzung der Rekordjagd können Gewinnmitnahmen angedacht werden.

Natürlich kann man das politische Schauspiel verfolgen – wenn Biden im Rennen bleibt, wird die TV-Debatte im September ein Quotenhit. Jedoch sollten langfristige Investmententscheidungen fast ausnahmslos unabhängig von politischen Entwicklungen getroffen werden.

Ich wünsche Ihnen dabei einen klaren Kopf und hoffe, dass Sie ein schönes Wochenende haben.

Stefan Riecher

stefan.riecher@diepresse.com

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