Gastkommentar

(Verfassungs-)Recht vor Polemik

Aus rechtstheoretischer Sicht sollte der Verfassungsdienst als eigene Sektion in das Justizministerium gehören.

Die Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat mit ihrer Zustimmung zum Renaturierungsgesetz nicht nur eine politische Diskussion ausgelöst, sondern gleichsam auf einem Nebenschauplatz noch eine solche über den Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt. Die Ministerin habe sich über das Bundesministeriengesetz hinweggesetzt und ihr Amt missbraucht, sogar Verfassungsbruch wurde ihr vorgeworfen, und der – an sich und für gewöhnlich ruhig vor sich hinarbeitende – Verfassungsdienst geriet im Verein mit Gewessler ins Rampenlicht der Tagespolitik. Einen Beitrag zu dem von der Klimaministerin gesetzten Akt erspare ich mir wohlweislich, zumal ich kein Politiker bin oder sein will, sehr wohl mache ich mir jedoch Gedanken zum Verfassungsdienst.

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Anwalt der Republik

Wie erwähnt gehört der Verfassungsdienst zum Bundeskanzleramt, dessen Sektion V er nach der Geschäftseinteilung ist. Ihm kommen vielfältige Aufgaben zu, beispielsweise ist er als Legist in die Vorbereitung von Gesetzen eingebunden, er übt umfangreiche Gutachtertätigkeiten aus und vertritt als „Anwalt der Republik“ die Bundesregierung vor dem Verfassungsgerichtshof. Er koordiniert daneben die Bund-Länder-Beziehungen. Zum Verständnis merke ich an, dass an dieser Stelle kein Platz ist, die Aufgabe der Sektion V im Einzelnen darzustellen.

Aus rechtstheoretischer und vor allem -praktischer Sicht sollte der Verfassungsdienst als eigene Sektion in das Bundesministerium für Justiz gehören. Dort könnte man, den politischen Willen vorausgesetzt, eine sogenannte Behörde mit richterlichem Einschlag einrichten, sind doch im Justizministerium vornehmlich Richter und Staatsanwälte, jedenfalls Juristen mit abgelegter Richteramtsprüfung tätig. An Kollegen, die die Thematik interessiert, wird es nicht mangeln. Bekanntlich sind Richter in der Ausübung ihres Amts unversetzbar und unabsetzbar sowie weisungsungebunden. Das heißt, sie haben als Organwalter eine besondere rechtliche Stellung und sind keine Beamten, sondern Staatsorgane.

Man könnte mit diesen Garantien einen Verfassungsdienst einrichten, dessen Mitglieder völlig weisungsfrei tätig werden. Daraus würde folgen, dass niemand behaupten könnte, ein Gutachten über eine Rechtsfrage – wie eben jene, die in Bezug auf die Klimaministerin virulent wurde – wäre im Sinn eines politischen Funktionärs erstattet worden. Es müsste sich auch kein Minister auf privat in Auftrag gegebene Expertisen berufen. So ist es doch fragwürdig, wenn gegen die Rechtsmeinung des Verfassungsdienstes, der zweifellos mit hervorragenden Juristen besetzt ist, deren Integrität nicht angezweifelt werden kann, mit drei oder vier Privatgutachten angetreten wird. Natürlich zweifle ich auch nicht an der Integrität und Kompetenz von habilitierten Gutachtern, im Gegenteil. Nicht grundlos wurde jedoch die pointierte Redewendung von den zwei Juristen und ihren drei Meinungen von irgendjemandem zitiert.

In Fragen wie jener, ob eine Ministerin auf EU-Ebene einem Gesetz zustimmen darf oder nicht, müsste die abschließende Rechtsmeinung durch unversetzbare, unabsetzbare und weisungsfreie Richter genügen. Alles andere ist Politik, allenfalls Polemik in Vorwahlzeiten – beides kann nicht über dem Recht stehen.

Im Übrigen imponiert es mir, wenn Minister auch ihrem Gewissen unverbrüchlich verpflichtet sind.

Janko Ferk ist Jurist, Schriftsteller und lehrt an der Universität Klagenfurt/Univerza v Celovcu. Träger des österreichischen Ehrenkreuzes für Kunst und Wissenschaft.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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