Gastkommentar

Wo bleibt die Kunst bei der Klima Biennale?

Peter Kufner
  • Drucken
  • Kommentieren

Bevor es ein Klima-Kunstfestival geben kann, sollte Klimakunst in Österreich in allen Disziplinen institutionell gefördert werden.

Ging es um die ökologische Krise, stand lang die Reduzierung der CO2-Emissionen durch Technologie im Vordergrund. In den vergangenen Jahren wurde auch dem kulturellen Wandel vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Denn um durch Einsicht statt durch Verbote und Verzicht in eine regenerative Zukunft wachsen zu können, müssten wir unsere Beziehung zu unserem Zuhause, dem Planeten Erde und seinen anderen Bewohnern neu begreifen.

In diesem Sinne hat die erste Klima Biennale Wien (von 5. April bis 14. Juli) auf das bisher kaum genutzte Potenzial der Kunst gesetzt, um „die hochkomplexen und akuten Themen des globalen Wandels, der Klimakrise, des Artensterbens und die Auswirkungen auf das Mensch-Natur-Gefüge“ – sprich die ökologische Krise – „greif- und erfahrbar zu machen”. Das ist dringend und wichtig.

Wie das soeben zu Ende gehende Programm dazu beitragen kann, das Potenzial der Kunst zu verwirklichen, ist allerdings schwer nachvollziehbar. Eine Analyse und ein paar Vorschläge.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autorinnen und Autoren wie dieser müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Zwei Ausstellungen sowie rund ein Dutzend Ausstellungsstücke von bildenden Künstlern, in der Ausschreibung mit je 2000 Euro dotiert, waren zu sehen. Zusätzlich gab es Verlinkungen zu bereits existierenden Klima-Ausstellungen wie zum Beispiel der des Technischen Museums, wo in Kooperation mit der Klima Biennale unter anderem auch über nachhaltige Ausstellungsgestaltung diskutiert wurde.

Strukturen mit Klima-Stempel

Eine Fülle von Diskussionsveranstaltungen, die von den Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Tourismus über die Rolle von Gender in der Klimawende bis zum zivilen Widerstand reichten, fanden nun unter dem Namen der Klima Biennale statt. Stattgefunden haben diese Veranstaltungen auch schon davor und werden es wohl auch danach.

Hier entsteht der Eindruck, dass die Klima Biennale bereits existierenden Strukturen ihren Stempel aufgedrückt hat. Grundsätzlich könnte die Etablierung einer solchen Plattform für alle Veranstaltungen, die sich inhaltlich mit der ökologischen Krise beschäftigen, sinnvoll sein. Nicht nur in Wien, sondern in ganz Österreich und nicht nur alle zwei Jahre, sondern durchgehend. Eine Klimaplattform würde dabei helfen, interessiertem Publikum einen besseren Veranstaltungsüberblick zu verschaffen und verschiedene Akteure zu vernetzen.

Zahlreiche Workshops, die von Yoga über Tanz bis zum Töpfern reichten, füllten ebenfalls das Programm. Hier stellt sich die Frage: Braucht es eine Klima Biennale, um einen Yoga-Workshop zu veranstalten, wenn in Wien jeden Tag ohnehin über 100 Yoga-Klassen stattfinden? Und was hat ein Tanzworkshop mit dem Thema „owning and honoring myself” mit dem Klima zu tun? Und töpfert man im Töpferworkshop der Klima Biennale anders als in den existierenden Töpferwerkstätten? Grundsätzlich wäre ein wissenschaftlicher Beirat hilfreich, um sicherzustellen, dass sich das Programm tatsächlich auf die ökologische Krise bezieht.

Bei der mit 1,7 Millionen Euro dotierten Klima Biennale Wien konnte man also sehr wenig Kunst erleben. Wie soll das Potenzial der Kunst dann verwirklicht werden, um die ökologische Krise greif- und erfahrbar zu machen?

Dazu ist ein fundierter Ansatz notwendig, der auch die narrative Kunst einbezieht. Denn die Themen, die in öffentlichen Diskussionen und Museen behandelt, aber vor allem auch die Geschichten, die in Romanen, auf Theaterbühnen und in Spielfilmen erzählt werden, formen unsere Weltanschauungen und folglich unser Handeln. Kunst kann daher dazu beitragen, den Status quo aufrechtzuerhalten oder aber ökologische und damit verbundene soziale und geopolitische Probleme zu bewältigen.

Narrative hinterfragen

Dramatikerinnen, die sich seit über zehn Jahren mit der ökologischen Krise auseinandersetzen, wie zum Beispiel die Kanadierin Chantal Bilodeau, stellen nicht nur fest, dass uns unser Selbstbild als überlegene Spezies, unsere extraktiven Praktiken und die Missachtung anderer Lebewesen an den Rand der planetaren Grenzen gebracht haben.

Sie hinterfragen die gängigen Narrative der seit mehr als zwei Jahrtausenden wirkmächtigen aristotelischen Weltsicht, in deren Hierarchie der Mensch an der Spitze steht und die Unterwerfung der Natur als Überlebensfrage gedeutet und zugleich legitimiert wird. Sie suchen neue Erzählweisen, die den Menschen nicht zwangsläufig in der Rolle des Eroberers darstellen. Sie stellen sich der Herausforderung, konstruktive Geschichten zu erzählen, also Geschichten, die wissenschaftliche Erkenntnisse zur existenziellen Krise reflektieren, aber nicht in dystopische Narrative verfallen, sondern Hoffnung inspirieren. Sie versuchen, auf der Bühne postfossile Brennstoffwelten zum Leben zu erwecken, damit wir uns besser vorstellen können, wie es wäre, dort zu leben.

Der englisch-nigerianische Autor Ben Okri, der 2021 ein Plädoyer für existenzielle Kreativität veröffentlicht hat, zeigt in seinem Buch „Tiger Work“ (2023), wie vielfältig und sinnstiftend die literarische Auseinandersetzung mit der ökologischen Krise sein kann, während der Amerikaner Stephen Markley mit „The Deluge“ (2023) einen beeindruckend gut durchdachten, 900 Seiten starken Roman vorgelegt hat, der uns von 2013 bis in die 2040er begleitet und bereits als Generationenwerk bezeichnet wird. Die niederländische Sängerin und Poetin Nynke Laverman hat unter anderem mit „Your Ancestor“ gezeigt, dass es auch Songs geben kann, die anregen, festgefahrene Denkmuster zu hinterfragen. Fundierte Klima-Kunst-Ansätze dieser Art waren bei der Klima Biennale Wien nicht vertreten, da sie von vornherein budgetär auf die bildende Kunst beschränkt wurde. Sechs Vorlesungen bereicherten letztendlich das Programm mit Literatur, was dem BMEIA zu verdanken ist, welches mit der Ausschreibung „Imagine Dignity“ Prosatexte und Essays über die Welt im Jahr 2040 gefördert hat.

Im Sinne der Nachhaltigkeit

Um die ökologische Krise tatsächlich greif- und erfahrbar zu machen und eine regenerative Zukunft anzudenken, müsste auch die Klima Biennale solche Arbeiten zeigen, die wissenschaftliche Erkenntnisse aufgreifen und sich mit den moralischen Herausforderungen, die sich uns nun stellen, auseinandersetzen, die unsere Emotionen berühren und uns gleichzeitig eine konstruktive Zukunft erkennen und Hoffnung schöpfen lassen. Bevor es ein österreichisches Klima-Kunstfestival geben kann, muss Klimakunst in diesem Land zuerst in allen Disziplinen institutionell gefördert werden.

Das Festival hätte dann die Möglichkeit, als Plattform für die neu entstandenen Arbeiten zu fungieren. Die überzeugendsten Arbeiten könnten von den etablierten Kulturinstitutionen aufgenommen werden. Das wäre sowohl für das Publikum als auch für die Kunstschaffenden und vielleicht sogar für zukünftige Generationen ein Ansatz im Sinne der Nachhaltigkeit.

Reaktionen an: debatte@diepresse.com

Die Autorin:

Gloria Benedikt (* 1983) ist Absolventin der Harvard-Universität und erforscht seit 2015, wie die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Wissenschaftlern die Nachhaltigkeitstransformation unterstützten kann. Sie ist unter anderem Autorin von „Science and Art for Life’s Sake“ (IIASA, 2020) und „Theater for Future“ (Cambridge University Press, 2023).

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.