Interview

Dörte Lyssewski: „Ich wäre ein super Jedermann“

Caio Kauffmann
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Im neuen „Jedermann“ kombiniert Dörte Lyssewski zwei Rollen: den armen Nachbarn und die Werke. Der „Presse am Sonntag“ erklärte sie, wie sie das anlegt, Und warum das Stück mehr als katholisch ist.

Sie kombinieren im „Jedermann“ zwei Rollen: die Werke mit dem armen Nachbarn. Wie passt das zusammen?

Dörte Lyssewski: Sehr gut. Natürlich hat der arme Nachbar eine gesonderte Geschichte. „Hab auch einst bessere Tag gekannt, war einst dein Nachbar, Haus bei Haus, dann hab ich müssen weichen draus“, sagt er zu Jedeermann. Aber nach ihm kommt sowieso der Schuldknecht, dem ähnliches widerfahren ist. Da meinte Robert Carsen, das würde sich zu sehr doppeln. Also machen wir aus dem armen Nachbarn einen sehr offensiven Bettler.

Eine Bettlerin, nehme ich an, oder?

Ja, vom Gewand her ist es ziemlich wurscht. Ich spiele keinen Mann. Ich bin eine Frau. Wie die Leute das dann nennen, ist uns egal.

Akteurin und Autorin

Dörte Lyssewski, geboren 1966 in Winsen, Niedersachsen, ist seit 2009 Ensemblemitglied am Burgtheater. Bei den Salzburger Festspielen begann sie 1992, 1997 spielte sie die Libussa, von 1999 bis 2001 die Buhlschaft. Sie ist auch Schriftstellerin („Der Vulkan oder Die Heilige Irene“, 2015) und Übersetzerin.

Warum werden die Werke in Salzburg immer von einer Frau gespielt? Den theologischen Gegenpart, den Glauben, spielt zumindest manchmal ein Mann.

Ich glaube, das ist einfach eine Tradition. Aber sie müssen nicht zwangsläufig weiblich sein, sie sind unisex. Und sie können auch mehrere sein. Bei uns sind das am Ende auch mehrere Darsteller, ja viele, die alle so aussehen wie ich . . .

»Es geht letztlich darum, dass man im Leben an irgendetwas glaubt, ob das Werte und Normen sind, ob das Christus ist, ob das der jüdische Gott ist, ob das Buddha ist, whatever. «

Dörte Lyssewski

Vielleicht sind sie aus einer Parallele mit der Buhlschaft weiblich, schließlich steigen sie am Ende mit ihm ins Grab . . .

Ja, das tut die Buhlschaft eben nicht. Sie geht diesen letzten Weg nicht mit. Die Werke schon: Du nimmst mit, was du als Mensch getan hast. Und das sind eben nicht die irdischen Dinge wie Geld. Mammon sagt zum Jedermann: Du kannst mich mal, ich komme nicht mit. Nur die Werke kommen mit, die guten wie die schlechten. In den Notizen von Hofmannsthal steht etwas Interessantes. Als er den „Jedermann“ noch als Prosa-Komödie plante, da schrieb er, dass die Werke eigentlich die ganze Zeit beim Jedermann sind, ihm immer über die Schulter schauen und auch alles wissen. Sie dokumentieren sein ethisches Handeln.

Die Betonung der Werke durch Hofmannsthal kann man auch als katholisches Statement sehen – im Widerspruch zur lutherischen Auffassung, dass der Glaube allein zur Erlösung reiche. Wie katholisch sehen Sie dieses Stück? Sie selbst als Norddeutsche sind ja wohl protestantisch erzogen?

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