Arbeitskräftemangel

Tourismus-Boom: Fast Vollbeschäftigung in Salzburg und Tirol

Die bunten Häuser am Inn sind ein beliebtes Fotomotiv. (Symbolbild)
Die bunten Häuser am Inn sind ein beliebtes Fotomotiv. (Symbolbild)Imago Images
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In Salzburg gibt es bereits mehr Stellenangebote als Arbeitslose. Die Wirtschaftskammer sieht wegen des Arbeitskräftemangels Handlungsbedarf: „Wir brauchen dringendst mehr Leute aus Drittstaaten, damit sie uns Deutschland nicht wegnimmt.“

Angesichts einer guten Tourismus-Sommersaison verzeichnen Salzburg und Tirol fast Vollbeschäftigung. Ende Juni lag die Arbeitslosenquote in Salzburg bei 3,3 Prozent und in Tirol bei 3,4 Prozent. Im Gegensatz dazu belief sich die Arbeitslosenrate in Wien auf 10,7 Prozent. Bei unter 3 Prozent sprechen Experten von Vollbeschäftigung, weil es wegen Jobsuche und Saisonarbeit immer eine gewisse Anzahl an Arbeitslosen gibt.

Die Landesgeschäftsgeschäftsführerin des AMS Tirol, Sabine Platzer-Werlberger, sprach angesichts der niedrigen Arbeitslosenrate und trotz steigender Arbeitslosenzahlen zuletzt von „quasi Vollbeschäftigung“. Die Situation könne nach wie vor als „überraschend stabil“ bezeichnet werden. „Bei uns und auch in Salzburg hängt jetzt viel an der gerade durchstartenden Sommersaison - über die Sommermonate rechnen wir mit einer traditionell sehr niedrigen Arbeitslosigkeit und einem weiteren Anstieg der Beschäftigung. Es haben noch nie so viele Menschen in Tirol gearbeitet wie gerade jetzt“, berichtete die AMS-Landesgeschäftsführerin.

Der Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel sei „aktuell und insbesondere, wenn die Wirtschaft mit Verzögerung im nächsten Jahr wieder anspringen sollte“, die größte Herausforderung am Tiroler Arbeitsmarkt. Schnelle Vermittlung, Qualifizierung, Mobilisierung der „stillen Reserve“, Zuzug etc. - all das sei notwendig, um gegenzusteuern. „Arbeitskräftemangel ist in Tirol kein neues Phänomen, jetzt betrifft er aber alle Branchen und Bereiche. Und ist gekommen, um zu bleiben“, betonte Platzer-Werlberger. Laut einem jüngsten AMS-Bericht waren in Tirol mit Ende Juni 8.013 offene Stellen gemeldet.

„71 offene Stellen mehr als Arbeitslose“

In Salzburg gibt es bereits mehr Stellenangebote als Arbeitslose. „Wir haben immer noch um 71 offene Stellen mehr als Arbeitslose“, sagte Salzburgs AMS-Chefin Jacqueline Beyer. Aktuell spüre man zwar auch in Salzburg eine Eintrübung, aber von niedrigem Niveau aus. „Wir haben im Vergleich zu Oberösterreich wenig Industrie, und im Tourismus sind wir stabil.“ Dennoch bestehe in Salzburg nicht nur Fachkräfte-, sondern auch Arbeitskräftemangel. Im Tourismus kenne man das schon sehr lange, was aber auch am sehr starken Wachstum dieser Branche liege. Beyer sieht als Ausweg ein Anheben des Arbeitskräftepotenzials, etwa durch Asylwerber. Im Tourismus gebe es inzwischen etliche Asylwerber in einer Lehrausbildung. „Das steigt, aber es dauert länger.“

Auch wenn die Wirtschaft im kommenden Jahr wieder deutlich kräftiger wachsen sollte, könne der Arbeitskräftemangel in Salzburg kaum höher werden als aktuell, so die Salzburger AMS-Chefin. Aber es gelte, die Vorzeichen zu ändern. „Derzeit sind nur mehr 57 Prozent der Über-55-Jährigen in Beschäftigung, bei den Frauen sind es nur 49 Prozent. Wir müssen gute Rahmenbedingungen schaffen, damit die Menschen gerne und gesund länger in der Arbeit bleiben.“

Bei Salzburgs Wirtschaftskammerpräsident Peter Buchmüller legt man mit der Frage nach der Lage am Arbeitsmarkt einen Finger in eine offene Wunde. „Es stimmen die Parameter nicht mehr. Wir brauchen dringend eine Arbeitsmarktreform“, sagte er zu APA. Zum einen müsse das Arbeitskräfte-Potenzial im Inland gehoben werden: „Ein Drittel in Österreich arbeitet nur in Teilzeit - zwei Drittel davon haben keine Betreuungspflichten.“ Es brauche mehr Vollzeit, bessere Kinderbetreuung, bessere steuerliche Rahmenbedingungen für arbeitswillige Pensionisten, „und, und, und...“, so Buchmüller.

„Rot-Weiß-Rot-Karten für Arbeitskräfte“

Akuten Handlungsbedarf sieht der Kammerpräsident auch im Bereich ausländischer Arbeitskräfte. „Wir müssen schnellsten mehr Rot-Weiß-Rot-Karten nicht nur für Fachkräfte, sondern auch für Arbeitskräfte bekommen.“ Derzeit werde dieses Kontingent „von Leuten beschränkt, die keine Ahnung haben. Es braucht die Leute, die unsere Betrieb brauchen, und nicht, die man uns vorschreibt. Wir brauchen dringendst mehr Leute aus Drittstaaten, damit sie uns Deutschland nicht wegnimmt.“

Tirol Wirtschaftskammerpräsidentin Barbara Thaler (ÖVP) unterstrich auf Nachfrage, dass man derzeit der Vollbeschäftigung „sehr nahe“ komme. Dies liege zum einen am demografischen Wandel und zum anderen am in den Sommermonaten in Tirol sehr beschäftigungsintensiven Tourismussektor. Für die kommenden Monate rechnet Thaler aber überwiegend mit einer Stagnationsphase mit sehr mäßigem Wachstum von maximal einem Prozent. Es sei damit zu rechnen, dass sich die Arbeitslosenquote im Bereich von 4,1 Prozent bzw. leicht darüber einpendeln werde. Darüber hinaus sei unabhängig davon der Arbeits- und Fachkräftemangel für viele Tiroler Unternehmen weiterhin ein Problem.

Tirols Industriellenvereinigungspräsident Max Kloger führte indes als positive Entwicklung zwar einen Rückgang bei den Arbeitslosen in der Industrie und im Bau - verglichen mit Jänner dieses Jahres - an. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen für die Unternehmen sei jedoch nicht auszuschließen, dass die Zahl der Arbeitslosen in den nächsten Monaten wieder steigen werde, stieß Kloger ins gleiche Horn wie Thaler und sprach von immer noch hohen Rohstoff- und Energiepreisen, hohen Arbeitskosten aufgrund „historisch hoher Kollektivvertragsabschlüsse“ und einer schwachen Nachfrage nach Industriegütern im In- und Ausland. Damit die Industriebetriebe konkurrenzfähig bleiben, forderte der Tiroler IV-Präsident eine „massive Senkung der Lohnnebenkosten, damit Arbeitnehmer mehr netto vom brutto übrig bleibt und unsere Unternehmen wieder mehr Handlungsspielraum in der Preisgestaltung haben.“ (APA)

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