35 Jahre „Die Simpsons“

Homer Simpson „arbeitet“ jetzt im AKW Zwentendorf

Als Sicherheitsinspektor in einem AKW hat sich Homer Simpson der professionellen Unproduktivität verschrieben. Im nie in Betrieb gegangenen Kraftwerk Zwentendorf − und im Karikaturmuseum Krems − sind nun Zeichentrickbilder von ihm zu sehen.
Als Sicherheitsinspektor in einem AKW hat sich Homer Simpson der professionellen Unproduktivität verschrieben. Im nie in Betrieb gegangenen Kraftwerk Zwentendorf − und im Karikaturmuseum Krems − sind nun Zeichentrickbilder von ihm zu sehen. 20th Century Fox
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Die Simpsons werden 35, das feiert man in Krems wie auch im AKW Zwentendorf: Im Kernkraftwerk erinnern Bilder der Simpsons an eine Zeit des forcierten Nichtstuns. Und in Krems sind handgezeichnete Animationsfolien der Serie zu bewundern.

Kennen Sie die Simpsons-Folge, in der das Atomkraftwerk der Stadt fertig gebaut, aber aufgrund von politischen Ereignissen nicht in Betrieb genommen werden kann? Woraufhin die Mitarbeiter brav jeden Tag ihre Arbeitsplätze aufsuchen, um dort nicht zu arbeiten: Es ist ein Kraftwerk, das nichts produziert, eine bizarre Stätte der Zwecklosigkeit. Sieben Jahre lang üben sich 200 Mitarbeiter im Abwarten und Nichtstun.

Kennen Sie nicht? Kein Wunder, es gibt diese Simpsons-Folge nicht. Die Geschichte ereignete sich im niederösterreichischen Zwentendorf, dessen AKW 1978 nach einer Volksabstimmung in ebenjenen Zustand verfiel. Ganz abwegig ist es aber nicht, sich Homer Simpson hier vorzustellen – übt sich diese Zeichentrickfigur, beruflich Sicherheitsinspektor des Kernkraftwerks von Springfield, bekanntlich mit viel Hingabe in professioneller Unproduktivität. In Homers Fall ist seine geballte Inkompetenz, gepaart mit einem Fehlen jeglicher Qualifikation, der Grund dafür; im Fall Zwentendorf hoffte so mancher Ingenieur wohl, es doch noch zu erleben, dass der Reaktor hochgefahren würde. Bis 1985 die Liquidierung beschlossen wurde. „Die sieben Jahre waren sehr ähnlich“, sagt Stefan Zach und lacht. „Da waren 200 Homer Simpsons hier.“

Zach ist Kommunikationschef des Energieversorgers EVN (der Zwentendorf 2005 gekauft hat) und quasi der Hausherr des AKWs, das heute vor allem für Führungen, Schulungen und hin und wieder kulturelle Zwecke wie Filmdrehs genutzt wird. Und wo gerade tatsächlich auch Homer Simpson eingezogen ist. In den Hallen der Anlage sind großformatige Bilder der Sitcom aufgestellt: Gleich neben dem Reaktor brütet Homer mit seinem Chef Mr. Burns über einem AKW-Modell, in der Schaltwarte zieht er an beliebigen Hebeln, zwischendurch trocknet er mit einem Ventilator seinen Achselschweiß. Die knalligen Drucke stehlen dem imposanten Bau – vor allem der Antriebsraum der Steuerstäbe sieht aus wie eine Science-Fiction-Fantasie – nicht die Show. Aber sie bringen eine humorige Ebene in das leere Kraftwerk, das eine 1970er-Jahre-Zeitkapsel ist wie auch ein Symbol des wiederholten Scheiterns. Was man hier gern mit Witz nimmt: Wer das AKW besichtigt, ist eingeladen, gemeinsam mit Homer „etwaige Sicherheitslücken zu ignorieren und zu verharmlosen“.

Zwölfeinhalb Staffeln lang wurde handgezeichnet – in Südkorea

Die launige Schau ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der EVN und des Karikaturmuseums Krems, das sich gerade auch in seinen eigenen Hallen den Simpsons widmet: „Hier kommt Bart“ heißt die Ausstellung, die zum Großteil aus sogenannten „Cels“, also handgezeichneten Original-Produktionsfolien der Simpsons besteht. Sie gehören einem amerikanischen Sammler-Ehepaar: William Heeter und Kristi Correa, ein Papierwarenfabrikant und eine Finanzmanagerin, heute beide in Pension, sammeln mit viel Leidenschaft Cartoon-Cels, neben Looney-Tunes-Folien besitzen sie mehrere Hundert Simpsons-Bilder. Einige davon touren gerade durch die USA, 140 Stück haben sie nun nach Krems gebracht, wo sie erstmals in Europa ihre Sammlung zeigen.

Die Bilder – von Klassikern wie dem Couch-Gag im Intro jeder Folge (wo die Simpson-Familie stets auf unterschiedlich absurde Art aufs Sofa gesetzt wird) bis zu Schmankerl-Schlaglichtern wie dem dreiäugigen Fisch, der im verstrahlten Springfielder See gefunden wird – lassen Fans der Serie im typischen Simpsons-Humor schwelgen. Vor allem aber lässt sich hier verstehen, wie die Bilder entstanden, bevor die Produktion 2002, nach zwölfeinhalb Staffeln, auf digitale Prozesse umgestellt wurde. Jedes Bild besteht aus mehreren übereinandergelegten Folien, mal sind es fünf, mal zehn, die jeweils einzelne Bildbestandteile enthalten: Hintergründe, Schattierungen, einzelne Figuren und Gliedmaßen – manchmal nur Augäpfel, die somit effizient animiert werden konnten. Wer sich alte Folgen genau ansieht, kann manchmal die Nebeneffekte dieses Animationsprozesses erspähen: in unterschiedlich hellen Gelbtönen oder verschobenen Linien, wenn die Folien einmal nicht exakt aufeinanderlagen.

Simpsons neben österreichischen AKW-Karikaturen

24.000 Folien waren für jede Folge nötig, angefertigt wurden sie von einem Studio in Südkorea – nach genauen Anleitungen der Produzenten in Hollywood, die den Zeichnern nicht nur Skizzen und Storyboards schickten, sondern auch Styleguides, in denen definiert war, wie etwa die Gesichtszüge und Proportionen jeder Figur beschaffen sein sollten. Auch das lässt sich in der Ausstellung in Krems nachvollziehen. Wo man die – etwas konstruierte, aber nicht gänzlich abwegige – Verbindung zwischen den Simpsons und dem AKW Zwentendorf auch mit Karikaturen aus der Zeit der Volksabstimmung anreichert. Die beiden Simpsons-Sammler waren über die Idee, vergrößerte Drucke ihrer Bilder in einem echten AKW auszustellen, jedenfalls hellauf begeistert. Und sie entdeckten beim Betrachten der österreichischen Karikaturen auch gleich eine neue Leidenschaft: Die beiden sind jetzt Manfred-Deix-Fans.

„Hier kommt Bart. Simpsons Cartoon Art aus der Sammlung William Heeter und Kristi Correa“. Bis 29.6.2025 im Karikaturmuseum Krems.

Die Simpsons in Zwentendorf: Termine für Führungen durch das AKW werden wöchentlich online veröffentlicht und sind in der Regel sehr schnell ausverkauft: zwentendorf.com.

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