Eine letzte Aufnahme, die ihn lächelnd zeigt: „JFK“ in der schwarzen Limousine vor dem Attentat in Dallas 1963.
Rückblick

Amerikanische Präsidenten leben gefährlich

Rückblick. Das Attentat auf Trump rückt die Geschichte politischer Attentate in den Fokus – und den Secret Service, der sie verhindern soll. Hat die Behörde versagt?

Wien. Ein Oktobertag 1912 in Milwaukee, Wisconsin: Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung im Gilpatrick Hotel zieht der ehemalige Barkeeper John F. Schrank den Revolver und schießt auf Theodore „Teddy“ Roosevelt. Aber der ehemalige Präsident hat Glück, sehr viel Glück. Die Kugel durchbohrt zuerst das zusammengefaltete Redemanuskript und dann auch das Brillenetui in seiner Brusttasche, bevor sie Roosevelt eine Fleischwunde zufügt. Der Präsidentschaftskandidat zieht den Wahlkampfauftritt durch: „Man braucht mehr als eine Kugel, um einen Elchbullen umzulegen“, witzelt er.

Im kollektiven Gedächtnis der USA spielt der Attentatsversuch keine Rolle. Er hat dort keinen Platz, weil es eine ganze Serie anderer, folgenschwererer Attentate auf US-Politiker gegeben hat. Allein vier US-Präsidenten sind im Amt erschossen worden, als Erster Abraham Lincoln, 1865, dann James A. Garfield, 1881. Und der erwähnte „Teddy“ Roosevelt selbst kam 1901 nur an die Macht, weil ein polnischstämmiger Anarchist auf der Weltausstellung, der Pan-American Exposition, Präsident William McKinley getötet hatte. Vizepräsident Roosevelt rückte für McKinley nach, so wie später, 1963, Lyndon B. Johnson für John F. Kennedy.

Natürlich, politische Attentate sind keine US-Erfindung, sondern beinah so alt wie die Menschheit. Cäsaren fielen ihnen zum Opfer und österreichische Kronprinzen. Aber keine andere moderne westliche Demokratie ist von so vielen aufsehenerregenden Attentaten erschüttert worden wie die USA, was nicht nur, aber auch mit der Waffenliebe der Amerikaner zu tun hat: Gelegenheit macht Schützen.

Der Angriff auf Trump wirft aber nicht nur ein Schlaglicht auf die Geschichte politischer Attentate in den USA, sondern auch auf jene des Secret Service, den USSS, der diese eigentlich verhindern sollte und der nach den Schüssen von Pennsylvania massiv in der Kritik steht.

Service auf Lebenszeit

Donald Trump wird vom USSS beschützt, weil er ehemaliger Präsident der USA ist. Alle ehemaligen US-Präsidenten werden nach einer Gesetzesänderung im Jahr 2012 ein Leben lang vom Secret Service bewacht. Davor endete der Personenschutz nach zehn Jahren.

Das erwähnte Attentat auf McKinley markiert die Geburtsstunde des Secret Service als Personenschutz des Präsidenten. Die Behörde war zwar schon davor gegründet worden – jedoch zur Bekämpfung von Fälschungen. Aller­dings war der Personenschutz anfangs noch sehr einfach gehalten.

Das Attentat auf Präsident John F. Kennedy am 22. November 1963 in Dallas, Texas, läutete dann die nächste Wende ein: Es zeigte die Schwächen im Schutzsystem und führte zu umfangreichen Reformen. Präsident Lyndon B. Johnson und seine Nachfolger ließen die Sicherheitsprotokolle grundlegend überarbeiten.

Der Secret Service begann ab der Zeit auch, fortschrittliche Technologien und spezielle Sicherheitsstrategien zu integrieren. So wurden etwa gepanzerte Fahrzeuge und neue Kommunikationssysteme eingeführt. Zudem wurden spezielle Schutzteams, wie das Counter Assault Team (CAT) und das Emergency Response Team (ERT), etabliert, um auf Bedrohungen effizient reagieren zu können.

1968 wurde wieder einmal die Wahlkampfbühne zum Tatort. Und wieder war es ein Hotel. Nach dem Attentat auf Robert F. Kennedy, den Bruder von „JFK“, im Hotel Ambassador in Los Angeles, weitete der Staat den Personenschutz schrittweise auch auf Präsidentschaftskandidaten aus. Aktuell beschützt die Behörde, die etwa 6500 Mitarbeiter hat, von denen aber viele für die Bekämpfung von Falschgeld zuständig sind, auch den Vizepräsidenten, die Familie von Präsident und Vizepräsident sowie ausländische Staatsgäste.

Kritik am Secret Service

Nach dem Attentatsversuch auf Donald Trump gibt es nun Kritik von Sicherheitsexperten am Secret Service. Dass keine Beamten auf dem Dach waren, das etwa 120 bis 130 Meter vom Rednerpult entfernt ist, sei unverantwortlich gewesen, meinte Steve Nottingham im TV-Sender NBC. Er ist ehemaliger Kommandant einer Spezialeinheit der Polizei. Höhere Positionen müssten schon vor Veranstaltungen gesichert werden. Scharfschützen der Polizei waren auf dem Dach einer Scheune hinter dem Rednerpult stationiert. Sie dürften den Attentäter ausgeschaltet haben.

In US-Medien berichteten Augenzeugen, dass sie den Attentäter gesehen hätten und auch Sicherheitsbeamte auf ihn aufmerksam gemacht hätten. Doch diese hätten lange Zeit nicht reagiert. Er konnte schließlich mehrere Schüsse mit dem halb automatischen Sturmgewehr AR-15 abfeuern.

Der Angriff auf Reagan

Der Secret Service habe „schlicht und einfach“ versagt, sagt auch Tim McCarthy und ergänzt: „Auch als Reagan angeschossen, wurde, war das ein Versagen.“ McCarthy war damals Reagans Leibwächter. Er warf sich in die Schusslinie, in „the line of fire“, und fing eine Kugel ab. Das Motiv des Schützen von damals liest sich bis heute wie ein schlechter Witz: Er wollte Jodie Foster, der US-Schauspielerin, imponieren.

Dass auch Präsident Gerald Ford binnen drei Wochen zweimal zum Ziel von Attentatsversuchen wurde, ist kaum bekannt. Vielleicht auch deshalb nicht, weil Ford unverletzt blieb. Und auch auf Barack Obama wurde 2011 ein Anschlagsversuch verübt, wenn auch ein wenig aussichtsreicher: Ein Schütze feuerte aus einer halb automatischen Waffe auf das Weiße Haus. Auch damals stand der Secret Service in der Kritik: Man hielt die Schüsse zunächst für Baulärm.

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