Rede an die Nation

Biden und Trump rufen zu Einigkeit auf: „Lösen Probleme an der Wahlurne, nicht mit Kugeln“

Fernsehansprache von Joe Biden vom OVal Office aus am 14. Juli.
Fernsehansprache von Joe Biden vom OVal Office aus am 14. Juli. Reuters / Erin Schaff
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Präsident Biden richtete sich mit einer ernsten Fernsehansprache an die US-Amerikaner. Trump, der am Samstag angeschossen worden war, ist bereits am Parteitag der Republikaner angekommen, während neue Details über den Attentäter bekannt wurden.

Erst zwei Mal in seiner Amtszeit hatte sich US-Präsident Joe Biden bislang aus dem Oval Office an die Bevölkerung gewandt. Am Sonntagabend, zur TV-Primetime, war es zum dritten Mal so weit. Biden saß hinter dem Resolute Desk, jenem Schreibtisch, den die britische Königin Victoria den Amerikanern geschenkt hatte, und hielt eine sechs Minuten lange Fernsehansprache.

„Egal, wie überzeugt wir von unseren Meinungen sind: Wir dürfen niemals in Gewalt abdriften.“

Knappe 24 Stunden waren da seit dem Attentatsversuch auf Ex-Präsident Donald Trump vergangen. Ein 20-jähriger Mann aus Pennsylvania, Thomas Matthew Crooks, hatte bei einem Wahlkampftermin in dem Bundesstaat auf den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner geschossen. Eine der Kugeln durchbohrte Trumps Ohr; eine andere tötete einen Zuseher.

„Ein ehemaliger Präsident wurde angeschossen. Ein amerikanischer Bürger wurde getötet“, sagte ein ernster, gefasster Biden in seiner Ansprache. „Wir müssen die Temperatur in unserer Politik senken.“ Politische Auseinandersetzungen würden in den USA an der Wahlurne ausgefochten, nicht mit Gewalt, mahnte der Präsident.

Polizist entdeckte Crooks

Während Biden am Sonntagabend die Lage der Nation beschrieb, ringen die Ermittler nach wie vor mit der Frage, was Crooks zu dem Attentatsversuch geführt hatte. Ein Manifest oder Ähnliches konnten sie bislang keines finden. Crooks, ein begabter Mathematikschüler, scheint erstaunlich unauffällig gewesen zu sein, ein Schachspieler, Computer-Zocker. Er brachte sich gerade das Programmieren bei - und war nicht nur Mitglied der Republikanischen Partei, sondern auch eines Schützenvereins. Die Waffe, mit der er auf den Ex-Präsidenten schoss, soll von seinem Vater erworben worden sein. In dem Auto, mit dem Crooks zu der Veranstaltung Trumps in Butler in Pennsylvania gekommen war, fanden die Ermittler Sprengsätze.

Besonderer Fokus gilt auch dem Secret Service. Biden kündigte eine unabhängige Untersuchung der Sicherheitsagentur an, die den Schutz von Präsidenten übernimmt. Am Sonntagabend wurde zudem bekannt, dass ein örtlicher Polizist Crooks in seiner Position auf dem Dach einer Fabrikshalle aufgehalten habe. Crooks habe daraufhin sein Gewehr auf ihn gerichtet, der Polizist habe sich zurückgezogen - und Crooks habe auf Trump geschossen.

Die Ermittler gehen davon aus, dass Crooks allein gehandelt habe, und untersuchen den Fall als möglichen Inlandsterror. Der junge Mann wurde von Scharfschützen des Secret Service „neutralisiert“.

Zurückhaltung bei Trump

Rund dreieinhalb Monate sind es noch bis zur Präsidentschaftswahl am 5. November, und die USA finden sich in einer politisch so aufgeheizten Lage wider, wie schon seit Jahren nicht mehr. Der Attentatsversuch auf Trump kam am Ende einer Woche, in der immer mehr demokratische Politiker Biden den Rückzug aus dem Wahlkampf nahegelegt hatten - und am Ende einer Woche, in der Trumps Vorsprung in den Umfragen immer deutlicher wurde.

Bidens Kampagnenteam ließ nach den Schüssen am Samstagabend jede Wahlkampfwerbung pausieren. Trump selber rief zur Einigkeit im Land auf, und während führende Republikaner Verschwörungstheorien verbreiteten, hielt sich Trumps eigenes Team zurück. Trump selber landete am Sonntagabend in Milwaukee, wo seine Partei diese Woche ihren Bundeskongress abhalten wird - und Trumps Kandidatur offiziell wird. Berichten zufolge soll Trump privat den Sonntag am Telefon verbracht haben, um Unterstützer zu beschwichtigen. Er war nach dem Attentatsversuch vom Secret Service in ein örtliches Spital gebracht worden, am selben Abend flog er noch zurück nach New Jersey.

Biden (noch) in Wahlkampf-Pause

Biden kündigte in seiner Ansprache an, ab Mitte der Woche wieder wahlkämpfen zu werden. Die Republikaner wollten seine Regierung in Misskredit bringen, meinte er. Er wolle für seine Vision einer demokratischen, friedlichen USA werben, so der 81-jährige Amtsinhaber.

Nach Wochen von Negativschlagzeilen über ihn war Biden an diesem Wochenende bemüht, die Situation unter Kontrolle zu behalten. Seine Ansprache im Fernsehen erinnerte an die Töne, die er während des Wahlkampfs 2020 angeschlagen hatte: Biden, der Brückenbauer, Biden, der Verbinder. Der Präsident mahnte die Amerikaner, sich auch an andere Akte politischer Gewalt in den vergangenen Jahren zu erinnern - etwa, als am 6. Jänner

2021 Anhänger Trumps gewaltsam das Kapitol in Washington, D. C. stürmten, weil sie die Amtseinführung Bidens verhindern wollten. Es ist ein Drahtseilakt für den Demokraten. Einerseits gibt er den Staatsmann; andererseits muss er schauen, dass sich seine eigene politische Krise nicht ausweitet. aür Montagabend ist ein weiteres Fernsehinterview Bidens angesetzt, diesmal mit dem NBC-Moderator Lester Holt.

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