Literatur

Künstliche Intelligenz wird gute Autoren nicht arbeitslos machen

Wie wäre das gewesen, wenn ChatGPT bei „Vom Winde verweht“ mitgeschrieben hätte? Im Bild: Margaret Mitchell (1900-1949).
Wie wäre das gewesen, wenn ChatGPT bei „Vom Winde verweht“ mitgeschrieben hätte? Im Bild: Margaret Mitchell (1900-1949).Imago / Gemini
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Wenn die KI Kurzgeschichten schreibt, ähneln sich diese, wie eine Studie zeigt. Spannung und Eleganz werden bei unprofessionellen Autoren aber höher bewertet.

Künstliche Intelligenz schreibt nicht erst seit gestern. Einige Jahre begleiten uns schon Texte und Bücher, die in recht unterschiedlichem Ausmaß von Programmen wie ChatGPT mitverfasst wurden. Oder für die KI als Ideengeber und Berater eingesetzt wurde. Das geht von der Frage, wie das Wetter an einem Mittwoch vor 12 Jahren in New York war bis zur Erfindung eines perfekten Mordes.

Kein Wunder, dass nun auch eine wissenschaftliche Studie hinterfragt, wie sich der Einsatz von KI bei literarischen Texten auswirkt. Die kurz gefasste Antwort: KI kann die Kreativität von einzelnen Geschichten steigern, führt bei mehrfacher Nutzung jedoch zu weniger abwechslungsreichen Inhalten. So das zentrale Ergebnis einer Studie, die in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht wurde.

300 Probanden in drei Gruppen

Sie zeigt, dass KI im ersten Schritt zwar gute Storyideen für Geschichten erzeugen kann, die vom Publikum als neuartig und nützlich empfunden werden. KI-unterstützte Geschichten weisen der Studie zufolge dann allerdings untereinander mehr Ähnlichkeiten auf und sind weniger vielfältig als Werke, die ohne KI-Unterstützung verfasst wurden.

Die Studie wurden an der University of Exeter Business School, dem Institute for Data Science and Artificial Intelligence in Exeter sowie der UCL School of Management in London erstellt. In einer ersten Phase teilten die Forscherinnen und Forscher 300 Probanden in drei Gruppen ein: Die erste Gruppe schrieb ohne KI-Hilfe, die zweite nutzte ChatGPT mit dem neusten Sprachmodell 4.0 für eine Ausgangsidee, die dritte Gruppe wählte aus bis zu fünf KI-generierten Ideen aus. Dabei ging es um Kurzgeschichten für junge Erwachsene.

KI-Texte als spannender bewertet

In einer zweiten Phase der Studie bewerteten 600 Personen die Qualität der Geschichten nach Neuartigkeit beziehungsweise Kreativität und Nützlichkeit. Die Ergebnisse zeigten, dass Autoren mit Zugang zu KI eine um 8,1 Prozent höhere Kreativität und eine um 9 Prozent höhere Nützlichkeit erzielten als die Kontrollgruppe ohne KI-Einsatz. Besonders Autorinnen und Autoren, die sich selbst als weniger kreativ eingeschätzt hatten, profitierten von der KI-Unterstützung: Ihre Geschichten wurden dann vom Publikum um bis zu 26,6 Prozent eleganter geschrieben bewertet und um 15,2 Prozent weniger langweilig.

Die Texte aus dem Chatroboter ChatGPT konnten also weniger kreativen Autoren unter die Arme greifen. Doch die Kreativität von ChatGPT nutzt sich schnell ab, weil sich die computergenerierten Storys untereinander stärker ähneln als rein von Menschen formulierte Texte. Die Forscherinnen und Forscher stellten fest, dass die Ähnlichkeit zwischen den Geschichten der Autoren, die KI nutzten, um 10,7 Prozent zunahm.

»Wenn einzelne Autoren herausfinden, dass ihr von generativer KI inspiriertes Schreiben als kreativer bewertet wird, haben sie einen Anreiz, in Zukunft mehr generative KI einzusetzen.«

Professor Oliver Hauser von der University of Exeter Business School erklärte: „Unsere Ergebnisse zeigen, wie generative KI die Kreativität fördern kann, aber auch, dass sie die kollektive Neuartigkeit verringern könnte.“ Hauser sprach von einer „Abwärtsspirale“, die zu einem gesellschaftlichen Dilemma führen könne. „Wenn einzelne Autoren herausfinden, dass ihr von generativer KI inspiriertes Schreiben als kreativer bewertet wird, haben sie einen Anreiz, in Zukunft mehr generative KI einzusetzen.“ (Was wohl, wie man anmerken möchte, schon vielfach passiert ist).

Dadurch könne die kollektive Neuartigkeit von Geschichten allerdings weiter sinken. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass trotz des Verstärkungseffekts, den generative KI auf die individuelle Kreativität hatte, Vorsicht geboten sein könnte, wenn generative KI in größerem Umfang für kreative Aufgaben eingesetzt würde.“

Anil Doshi von der UCL School of Management fügte hinzu: „Wenn die Verlagsbranche mehr generative, KI-inspirierte Geschichten annimmt, könnten diese insgesamt weniger einzigartig und einander ähnlicher werden.“ (red./APA/dpa)

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