Reportage

„Ich sollte nicht mehr hier sein“: Ein düsterer Start für Trumps Krönungsparteitag

Nur einen Tag nach dem versuchten Mordanschlag auf Donald Trump trifft der frühere US-Präsident in Milwaukee zum Parteitag der Republikaner ein. Er wird dort zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten gekürt. Seine Rede werde nun ganz anders ausfallen als ursprünglich geplant, kündigte Trump an.
Nur einen Tag nach dem versuchten Mordanschlag auf Donald Trump trifft der frühere US-Präsident in Milwaukee zum Parteitag der Republikaner ein. Er wird dort zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten gekürt. Seine Rede werde nun ganz anders ausfallen als ursprünglich geplant, kündigte Trump an.Dan Scavino Jr. via X
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Donald Trump hat nach dem Anschlagsversuch für den republikanischen Parteitag in Milwaukee eine neue Parole ausgegeben: „Amerika vereinen“. Über der Stadt schwebt ein Gefühl der Unsicherheit.

Milwaukee gleicht einer Militärsperrzone. Das Stadtzentrum ist abgeriegelt, Barrikaden sind errichtet, Gewitterwolken und sintflutartiger Regen haben am Wochenende einen trüben Schleier über die 500.000-Einwohner-Stadt im Swing State Wisconsin gelegt. Die Straßen sind in der Nacht auf Montag nass – und leer. Nur vereinzelt biegen schwarze SUV um die Ecke, manche mit einer blinkenden Sirene.

Eine Partyatmosphäre hatte sich die Republikanische Partei für ihren Bundeskongress gewünscht, auf dem diese Woche Ex-Präsident Donald Trump ein weiteres Mal zu ihrem Kandidaten gekürt werden soll, genauso wie sein – bis dato nicht bestätigter – Vizepräsidentschaftskandidat, sein „Running Mate“. Doch die Geschehnisse vom Samstagabend haben diesen Plan zunichte gemacht. Seitdem Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania von einem Attentäter angeschossen und verletzt wurde, ist die Stimmung düster. Milwaukee ist im Secret-Service-Lockdown, und niemand weiß so recht, was diese Woche passieren wird.

Massive Sicherheitsvorkehrungen in Milwaukee.
Massive Sicherheitsvorkehrungen in Milwaukee.Getty Images / Michael M. Santiago

Auch der Kandidat selber nicht. Trump ließ das Boulevardmedium „Washington Examiner“ wissen, dass er seine geplante Rede gekübelt habe, nachdem die Kugel aus der Waffe Thomas Matthew Crooks sein Ohr durchbohrt hatte. Das sei nun einbandagiert, und in Milwaukee will Trump nun über eine Sache sprechen: Einigkeit.

Scharfschützen auf den Dächern

Die Hochhäuser in Downtown Milwaukee sind rot-weiß-blau beleuchtet, die Farben der US-Fahne, und Sicherheitspersonal hat auf den Dächern die Stellung eingenommen. Die Planung eines solchen Bundesparteitages dauert Jahre, die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm. 50.000 Menschen sollen für den Kongress nach Wisconsin reisen – ein logistischer Kraftakt.

Der Secret Service, dessen Agenten den Schutz von Präsidenten übernehmen, versicherte am Sonntag, dass die Planung auch nach dem Attentatsversuch auf Trump wasserdicht sei. Die Stadt ist in Sicherheitszonen eingeteilt, Zutritt erhält nur, wer von der Agentur nach einer Prüfung einen Pass erhält.

„Dieser Mann hat einfach immer Glück“

Betroffen sind dennoch alle, nicht nur die republikanischen Delegierten, die mit ihren Stimmen Trump zum Präsidentschaftskandidaten küren wollen. Ein Anschlagsversuch in diesem Wahlkampf, in der politisch so aufgeheizten Stimmung im Land: Die Situation macht fassungslos.

Doch richtig überrascht ist dann auch wieder niemand. Seit dem verpatzten TV-Auftritt von US-Präsident Joe Biden bei der Debatte mit Trump ist das Land überflutet von Nachrichten zum Wahlkampf, und während das Gespräch sich bis Samstagabend um Bidens Fitness gedreht hat, liegt der Fokus nun ganz auf Trump, auf Milwaukee. „Dieser Mann hat einfach immer Glück“, sagt der Verkäufer in einem Deli am Sonntagabend, während er Kaffee in einen Pappbecher füllt. Der Fernseher über ihm spielt die Nachrichten über den Anschlag auf Trumps Leben in Dauerschleife.

„Ich sollte nicht hier sein“

Republikanische Spitzenpolitiker und konservative Vordenker gehören zu den Gästen des Bundesparteitags, und fast scheint es so, als ob sie auf ein Signal warten würden, wie die Situation nun einzuschätzen sei. Trump selber kann sein Glück ebenfalls nicht fassen, wie er dem „Examiner“ sagte, der – zusammen mit der „New York Post“ – zum Flug von Newark in New Jersey nach Milwaukee in Trumps Privatjet geladen war. „Ich musste genau im richtigen Winkel stehen. „Das Ding war einen Millimeter entfernt. Dass ich mich genau in der Sekunde umdrehen würde, in der er (der Attentäter, Anm.) abfeuern würde, ist ziemlich unglaublich. Wirklich unglaublich. Ich sollte wirklich nicht mehr hier sein.“

Änderungen am Parteitagsprogramm wollen die Republikaner nicht vornehmen. Der Montag steht daher weiterhin ganz im Zeichen von Trumps wirtschaftlichen Ideen, die in der Vergangenheit von Experten als unausgereift kritisiert worden sind. Sprecher der Partei verweisen hingegen gern auf den Umstand, dass Trump schon einmal regiert habe – und man ihn an seiner damaligen Politik messen könne.

Historischer Parteitag

Der Parteitag dürfte dennoch zu dem historisch wichtigsten der vergangenen Jahrzehnte werden. Trump und sein Team hatten sich ursprünglich auf eine Rhetorik ganz im Zeichen von „Make America Great Again“ vorbereitet, auf Attacken gegen die Demokraten und Präsident Biden. Nun sind sich in Milwaukee alle bewusst: Was hier geschehen wird, wird wegen des Anschlags auf Trump in die Geschichtsbücher eingehen.

Das geht allerdings mit einer gewissen Unsicherheit einher. Der Kellner in einem Restaurant in Milwaukees Szeneviertel Third Ward machte sich am Sonntagabend Sorgen. „Die Leute, die heute hier waren, haben alle auf ihre Handys gestarrt“, erzählt er. „Ich frage mich, ob alles noch extremer wird.“

Bisher hält die Linie, die Trump andeutet. Zwar tummeln sich Verschwörungstheoretiker auf allen Seiten der amerikanischen Politlandschaft, doch was Trump vorgibt, ist für seine Anhänger Programm. Und im Moment heißt das: „Unseren Charakter als wahre Amerikaner zeigen“, wie Trump auf Social Media schreibt.

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