Gastkommentar

Warum posieren Vertreter alpiner Vereine mit Herbert Kickl?

Die alpinen Vereine wenden sich ausgerechnet an den Chef jener Partei, die den menschengemachten Klimawandel anzweifelt.

Es ist wieder passiert: Die alpinen Vereine in Österreich zeigen erneut eine bedenkliche Nähe zur politischen Rechten. Seid ihr euch eurer sozialen Verantwortung nicht bewusst? Heiligt der Zweck alle Mittel? Kennt ihr eure eigene Vergangenheit nicht?

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Vor drei Jahren sorgte ein Eklat für Aufsehen: Ein eifriger Routenerschließer im Osten Österreichs benennt seine Kletterrouten nach Begriffen aus dem rechtsextremen Milieu und veröffentlicht sie in Bestsellern. Die alpinen Vereine in Österreich unterstützten diesen Mann über 20 Jahre hinweg mit Material, Publikationen und Inseraten in seinen Büchern. (Markus Sulzbacher, Fritz Neumann und ich haben darüber geschrieben.) Dank ausreichenden Widerstands aus der Kletterszene und medialer Berichterstattung distanzierten sich die alpinen Vereine schließlich und hörten auf, diese Führerwerke zu unterstützen, für ihre eigenen Kurse anzukaufen oder zu bewerben. Gut so! Die Büchereien Wien nahmen die Bücher aus dem Sortiment. Gut so! Niemand will Namen wie „Weiße Kraft“, „Buckeln machen frei“, „1000-jähriges Reich“, „Schwarze Sonne“, „Riefenstahl“, „Fremd bleibt fremd“, „Kraft und Freude“ oder Bandnamen von nationalsozialistischen Black-Metal-Bands lesen oder so benannte Routen klettern.

Weil sie Geld brauchen

Und jetzt? Jetzt posieren der Generalsekretär des Alpenvereins und der Bundesgeschäftsführer der Naturfreunde sowie der Präsident des Dachverbands der alpinen Vereine Österreichs mit Herbert Kickl. Warum? Weil sie Geld für die Infrastruktur brauchen – Hütten, Wege, Erhaltung und Sanierung. Dafür wenden sie sich an den Chef der Partei, die den menschengemachten Klimawandel anzweifelt? Obwohl gerade die Erderwärmung als einer der Hauptgründe für die gestiegenen Kosten der Wege- und Hüttenerhaltung angeführt wird? Heiligt der Zweck wieder einmal alle Mittel? Ein Gespräch zur Finanzierung mag notwendig sein, selbst mit Vertretern der FPÖ. Sich jedoch wahlkampfverwertend mit Kickl ablichten zu lassen, ist inakzeptabel. Die Normalisierung rechtsextremer Positionen durch solche Aktionen schadet unserer demokratischen Kultur.

Was kann Kickl bewirken?

Es stellt sich außerdem die Frage, was Kickl bewirken kann. Die FPÖ ist derzeit nicht in der Regierung, sondern in der Opposition. Es ist unklar, wie ein Treffen mit Kickl die Finanzierung sichern soll. Es scheint vielmehr, als würde man sich an eine Partei anbiedern, die leider schon wieder die Chance auf eine Regierungsbeteiligung hat. Darf ich die Vereine und den VAVÖ an ihre Vergangenheit erinnern? Im Schnelldurchlauf: Der Alpenverein war eine der Speerspitzen in der Verbreitung von Antisemitismus in Österreich und auch Deutschland. Arierparagrafen in den Sektionen wurden weit vor 1933 bzw. 1938 eingeführt. Lange vor Hitler gab es zu wenig Widerstand im Verein, als jemand kam, um den Verein „judenrein“ zu machen, wie er es ausdrückte. Erst in den 1990ern begann der Alpenverein – wieder gegen massiven Widerstand aus den eigenen Reihen – langsam mit der Aufarbeitung. Erst in den 2000ern entschloss man sich, die nach dem Antisemiten und Nazi, dem sich der Verein beugte, benannte Hütte wieder in Wolayerseehütte umzubenennen. Und erst vor ein paar Jahren beschloss der Verein – wieder unter Druck von außen –, niemanden mehr zu unterstützen, der im rechtsextremen Magazin „Freilich“ publiziert. Und jetzt stehen hochrangige Funktionäre neben jemandem, der Volkskanzler werden will? Der von Einheitsparteien redet? Der die Identitären für eine harmlose NGO gehalten haben will?

Noch viel weniger verständlich ist, dass auch die Naturfreunde keine Scheu zeigen, hier ein Naheverhältnis herzustellen: ein Verein, der 1934 verboten wurde. Von dem viele Mitglieder in den Untergrund gingen, um gegen die zuerst austrofaschistische und dann nationalsozialistische Herrschaft zu kämpfen. Die Naturfreunde, die für Werte einstanden und gekämpft haben, die denen von Herrn Kickl diametral entgegenzustehen scheinen. Menschenrechte? „Irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen, teilweise viele, viele Jahre alt, aus ganz anderen Situationen heraus entstanden, hindern uns daran, das zu tun, was notwendig ist.“ Demokratie? „Das Recht hat der Politik zu folgen!“ Klimawandel? „Linke Ideologie!“ Waffen-SS? „Nicht in Bausch und Bogen verurteilen.“ Als Repräsentanten von Vereinen, denen ungefähr jeder zehnte Österreicher und jede zehnte Österreicherin angehört, haben sie meiner Meinung nach eine gesellschaftliche Verantwortung.

Diese Verantwortung bedeutet auch Vorbildwirkung, und ich möchte hier die Frage aufwerfen, ob die Normalisierung des Umgangs mit Demokratiefeinden eine Vorbildwirkung ist, die die Vereine in die Öffentlichkeit tragen wollen. Man kann vor allem dem Alpenverein zugutehalten, dass er sich seit einigen Jahren um eine ehrliche und tiefgreifende Aufarbeitung der Vergangenheit verdient gemacht hat. Einige Publikationen zeugen davon. Die Aufarbeitung der Vergangenheit ist jedoch kein Selbstzweck. Sie muss sich in den aktuellen Entscheidungen und Positionierungen der Vereine widerspiegeln. Die Kickl-FPÖ steht für eine Politik der Ausgrenzung, ähnlich wie die Alpenvereine es in ihrer Vergangenheit praktizierten. Die Vereine haben die Verantwortung, diese Fehler nicht zu wiederholen.

Daniel Kufner ist Germanist und Historiker, Archivar sowie Mitglied des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, angestellt als Teaching Librarian an der WU Wien. Er ist ehrenamtlich für die Naturfreunde tätig; früher auch für den AV Edelweiß.

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